Der Kundenberater nehme derzeit die Rolle des Psychologen und Vertrauensarztes ein, sagt Saxo-Chef Patrick Hunger im Interview mit finews.ch. Dabei wüssten die Banken nicht, was sie mit ihm anfangen sollten.


Herr Hunger, vor einem Jahr war Saxo Schweiz die erste Bank des Landes, bei der Kunden von einem Roboter empfangen wurden. In der Zürcher Filiale suche ich den Grüssroboter Pepper nun vergeblich. Was ist mit ihm geschehen?

Wir haben Pepper aus dem Rennen genommen. Wir haben ein Jahr lang sehr viel lernen dürfen mit dem Versuch, einen humanoiden Roboter ins Kundenerlebnis einzubinden. Einmal muss man aber auch sagen können: Jetzt ist gut.

Weil der Versuch gescheitert ist?

Auch deshalb. Pepper wird ja längst nicht mehr nur in der Finanzbranche verwendet. Spannend ist etwa die Beobachtung, dass die meisten Nutzer auf dieselben Schwierigkeiten stossen – etwa das Unvermögen des Roboters, ein unstrukturiertes Gespräch zu führen. Hingegen zeigte sich klar, dass Kunden kein Problem haben, mit Technologie zu interagieren. Den Kunden darf man Pepper durchaus zumuten.

Und den Angestellten?

Wir sind eine digitale Bank. Insofern müssten unsere Organisation und unser Personal flexibel und technologieaffin genug sein, einen Roboter ins Geschäft zu integrieren und mit seinen Eigenheiten zu spielen. Hinzugehen und zu sagen: Kommt, lasst uns gemeinsam mit Pepper experimentieren – das hat sich dann aber in der Praxis wegen der Handlungs- und Ergebnis-Ungewissheit als anspruchsvoll erwiesen.

«Kaum jemand traut sich, sich ein Zukunftsszenario auszudenken»

Es ist interessant, dass gerade Kinder am besten auf den Roboter reagierten und sich nicht beirren liessen, wenn er mal nicht weiter wusste und schwieg.

Banken müssen also das Kind im Berater wecken?

Sich die Neugierde und Vorstellungskraft von Kindern zu bewahren, das wäre tatsächlich von hohem Wert für unser Metier. Wenn ich zum Beispiel in Bewerbungsgesprächen frage, wie die Kandidaten die Zukunft des Banking sehen, bekomme ich meist Plattitüden zu hören. Kaum jemand traut sich, sich ein Zukunftsszenario auszudenken – obwohl alle wissen, dass wir die Zukunft sowieso nicht kennen.

Testen wir Sie doch gleich mit derselben Frage: Wie sieht die Zukunft im Banking aus?

Ein Begriff, der mir sehr gut gefällt, ist jener der unsichtbaren Bank. In der Zukunft der Finanzindustrie wird ganz viel fehlen, was wir heute noch antreffen. Filialen, Kundenberater, Agenten, physische Dokumente zähle ich dazu. Allerdings werden wir auch viel Neues vorfinden – so könnten uns die technischen Mittel erlauben, endlich wieder einmal eine echte Service- und Produktinnovation auf den Markt zu bringen.

Mit dieser Vision werden Sie bei den Kollegen aber anecken. Für die ist der Kundenberater sakrosankt. Allenfalls, heisst es, könne man ihn mit digitalen Mitteln zum bionischen Banker ausrüsten.

Zugegeben, das ist eines meiner Lieblingsthemen. Der Kundenberater ist eine evolutionstheoretische Wunderkiste. Er überlebt immer wieder und wird neu definiert – gegenwärtig wird ihm gerade die Rolle des Psychologen und Vertrauensarzt neu zugewiesen. Da muss ich die Kollegen schon fragen: Glaubt Ihr wirklich, was Ihr da erzählt?

Sie glauben nicht daran.

In der Komplexität, in der wir uns heute im Banking bewegen, steigen die Anforderungen an die Berater ins Übermenschliche. Ich sage: Komplexität vermag der Berater nicht zu «managen», weil wir das alle – bis vielleicht auf einige Nobelpreisträger – nicht können.

«Wir hören nur die geglätteten Erfolgsmeldungen»

Der Umstand, dass der Berater immer noch im Zentrum zahlreicher Geschäftsmodelle steht, zeugt meiner Meinung davon, dass die Banken nicht wissen, was sie mit ihm anfangen sollen.

Wozu taugt der Berater noch?

Was der Kundenberater «managen» kann und muss, das sind Emotionen. Gerade wenn es darum geht, schlechte Nachrichten zu vermitteln, ist Empathie wichtig. Entsprechend wird das wohl weiterhin ein Mensch machen dürfen.

In der Antike wurden Überbringer schlechter Nachrichten hingerichtet. Das ist kein erstrebenswerter Job, oder?

Interessanterweise ist es der IT-Riese Amazon, der den Begriff des «emotional banking» geprägt hat. Das Unternehmen ist bekanntermassen gut darin, über das Kundenerlebnis Emotionen zu wecken. Im Banking sind wir jedoch sehr strukturlastig und stets bestrebt, keine Fehler zu machen. Als Bankberater kann ich deshalb gar nicht explorativ Optionen mit meinem Kunden besprechen, weil ich ja immer schon weiss, wo die Reise hingehen muss. Das ist weder spielerisch noch weckt es Emotionen.

Banken müssen Fehler machen dürfen? Erklären Sie das der Finma.

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