Wie können Banken im Kunden das innere Feuer entfachen?
Gemäss einer Studie von Deloitte weisen Schweizer Banken im Bereich «Customer Experience» massive Defizite auf, auch bei modernen Anlageangeboten. Diese sind oft zu kompliziert, zu technisch und zu wenig intuitiv. Digitalbanken sind dort besser unterwegs. Aber nicht alles ist virtuell: Für die Wahl einer Bank sind persönliche Empfehlungen das wichtigste Kriterium.
Wie zufrieden sind die Kunden mit ihrer Bank, und was müsste diese tun, damit die Zufriedenheit wächst – und dadurch das Risiko sinkt, dass die Kunden zu einer Konkurrentin abspringen? Das ist eigentlich die Kernfrage, um welche die am Montagmorgen publizierte «Customer Experience Maturity Study 2025» kreist.
Das Beratungsunternehmen Deloitte hat dazu 1'250 Bankkunden (Standardgeschäft und private Vermögensverwaltung) im Rahmen einer repräsentativen Erhebung befragt. Um auch die Angebotsseite zu berücksichtigen, wurden zudem 47 Fachinterviews mit Vertretern von 13 Banken geführt, die in Bereichen tätig sind, die für das Kundenerlebnis (Customer Experience, CX) relevant sind.
Zunehmender Druck – Weiterentwicklung des Kundenerlebnisses als Antwort
Ausgangspunkt ist dabei die Feststellung, dass Schweizer Banken zunehmend unter Druck stehen: tiefe Margen, aggressive Neobanken, rasche Entwicklung der Kundenerwartungen usw. – und damit auch Handlungsbedarf haben.
Um in diesem Umfeld zu bestehen, ist es gemäss den Studienautoren entscheidend, «die Präferenzen und Anforderungen der Kunden zu verstehen und die Interaktion mit diesen über alle Kanäle hinweg mit konkreten Massnahmen zu verbessern». Banken sollten also ihre CX weiterentwickeln, um die Zufriedenheit ihrer Kunden mit den Produkten, Dienstleistungen und Interaktionen zu erhöhen.
Gesucht wurden Antworten auf folgende Fragen:
- Wie zufrieden sind Schweizer Bankkunden heute, und was sind die Treiber für ihre Zufriedenheit?
- Wie schneiden Banken im Vergleich zueinander ab, und wie ehrgeizig sind sie, wenn es darum geht, ihre Fähigkeiten zur Verbesserung der Kundenerlebnisse zu steigern?
- Wie können Schweizer Banken mit den steigenden Kundenerwartungen entlang des gesamten Kundenlebenszyklus Schritt halten?
Die Befragung zeigte, dass trotz aller digitalen Kanäle persönliche Empfehlungen noch immer das wichtigste Kriterium für die Wahl einer Bank bilden.
Was die Zufriedenheit angeht, fällt das Urteil differenziert aus: «Schweizer Banken erfüllen die Kundenerwartungen mehrheitlich, aber es gelingt ihnen kaum, Begeisterung zu wecken.» Die Herausforderung für die Banken besteht also darin, «Kunden zu begeistern und über die üblichen Standardservices hinaus neue, differenzierende Dienstleistungen auf eine innovative Art anzubieten».
Dazu formuliert Deloitte folgende Empfehlungen:
- CX sollte als strategische Priorität in der Chefetage verankert werden.
- Ein zentrales CX-Exzellenzzentrum ermöglicht eine koordinierte, effektive Umsetzung von Customer-Experience-Massnahmen im gesamten Unternehmen.
- Ein unternehmensweites Designsystem stellt ein konsistentes Nutzererlebnis über alle Kontaktpunkte hinweg sicher. Es schafft die Grundlage für ein einheitliches Markenbild und verbessert das Kundenerlebnis.
- Ein engagiertes Customer Journey Management ermöglicht die systematische Planung und Steuerung sämtlicher Massnahmen entlang von Customer Journeys. So entstehen konsistente, nahtlose Erlebnisse über alle Kanäle hinweg.
- Investitionen in moderne Technologien zur strukturierten Datensammlung und -analyse schaffen die Grundlage für fundierte Entscheidungen und gezielte Massnahmen zur Verbesserung der Kundenerlebnisse.
finews.ch hat die Studie gelesen und bei Mitautor Cyrill Kiefer, Partner bei Deloitte Schweiz, kritisch nachgefragt.
Sie halten in ihrer Studie fest, dass die Banken immer mehr unter Druck stünden. Aber de facto ist doch die Trägheit der Kundschaft im Hinblick auf einen Wechsel ziemlich gross. Überschätzen Sie nicht den Handlungsbedarf?
Die Kundentreue mag hoch sein – aber sie ist trügerisch. Unsere Daten zeigen: Zufriedenheit ist vorhanden, aber Begeisterung fehlt weitgehend. Und ohne Begeisterung keine Empfehlung. Das zeigt der entsprechende Indikator, der Net Promoter Score. Er liegt bei klassischen Banken oft nur knapp über 10 – ein digitaler Herausforderer kommt auf 64. Die Komfortzone der Banken erodiert, weil die Kundschaft heute gewohnt ist, dass Dinge einfach funktionieren – wie bei Netflix oder Revolut. Die Digitalbanken sind schneller darin, neue Angebote mit Potential für zusätzliche Umsätze rasch in ihre Apps zu integrieren. Wer einmal erlebt hat, wie intuitiv Banking sein kann, wird schnell anspruchsvoller – und deshalb besteht Handlungsbedarf.
«Die Komfortzone der Banken erodiert, weil die Kundschaft heute gewohnt ist, dass Dinge einfach funktionieren.»
Gemäss der Studie ist eine «bequeme, durchgängig digitale Kontoeröffnung» ein wichtiges Kundenbedürfnis. Vor dem Hintergrund, dass wahrscheinlich die meisten Bankkunden nur relativ selten ein Konto eröffnen: Handelt es sich dabei vielleicht nicht mehr um ein «Nice to have»?
Gerade weil man nicht so häufig ein Konto eröffnet oder einen Kredit aufnimmt, sind das Schlüsselmomente. Sie prägen den ersten Eindruck – und entscheiden, ob eine Beziehung überhaupt zustande kommt. Kunden wollen eine vollständig digitale, einfache Lösung. Doch kaum eine Schweizer Bank schafft das aktuell ohne Medienbrüche. Wer hier überzeugt, gewinnt nicht nur ein Konto – sondern Vertrauen und Folgegeschäfte.
Die Hälfte der Kunden gibt an, einfach digital investieren können zu wollen, aber nur etwa jeder zweite davon nutzt die bereits bestehenden Angebote. Was ist der Grund für diese Diskrepanz?
Weil viele Angebote nicht halten, was sie versprechen. Zu kompliziert, zu technisch, zu wenig intuitiv. Besonders auffällig: Nur 22 Prozent der Frauen nutzen digitale Anlageangebote – obwohl das Interesse gross ist. Für Banken ist das ein verpasstes Millionengeschäft. Wer die Einstiegshürden senkt und einfache Tools anbietet, kann nicht nur neue Erträge erzielen, sondern langfristige Bindung schaffen.
Inwiefern hat die Zurückhaltung, die eigene Bank weiterzuempfehlen, mit der Natur des Bankgeschäfts zu tun? Über Finanzfragen spricht man doch zurückhaltender als über Gastrotipps, oder?
Sicher: Über die Pizza spricht man leichter als über finanzielle Planung der Pensionierung. Aber genau deshalb wiegt eine Bankempfehlung umso mehr. Wenn jemand seine Bank mit den Worten «ich bin rundherum zufrieden» weiterempfiehlt, ist das ein starkes Statement. Der Haken daran: Die allermeisten Banken schaffen es derzeit nicht, diese Begeisterung zu erzeugen.
«Wenn jemand seine Bank mit den Worten «ich bin rundherum zufrieden» weiterempfiehlt, ist das ein starkes Statement.»
Sie verwenden Begriffe wie Customer Experience und Journey sowie Kundeninteraktionen. Sind das mehr als trendige Schlagworte?
Zumindest die Herausforderung dahinter ist hochaktuell. Es geht nicht nur darum, ein gutes Produkt zu haben – sondern um ein durchgängiges, positives Erlebnis; vom ersten Website-Besuch bis zur Beratung im Callcenter. Die Begriffe helfen, das Ganze systematisch zu denken: Wo brechen Prozesse ab? Wo fehlt die Konsistenz? Im Plattformzeitalter ist das eine operative Notwendigkeit – und kein Marketing-Sprech.
Beim Lesen Ihrer Empfehlungen beschleicht einen das Gefühl, dass man diese schon vor zehn Jahren ungefähr gleich hätte formulieren können. Täuscht dieser Eindruck?
Viele Prinzipien sind in der Tat nicht neu – aber ihre Bedeutung hat sich massiv verändert. Kundenzentrierung war früher Differenzierung. Heute ist sie Pflicht. Unsere Studie zeigt: Die meisten Banken haben investiert, aber nicht vernetzt. Es fehlt an Strategie, Ownership und technischer Basis. CX ist heute nicht das Sahnehäubchen, sondern das Fundament.
Weshalb stellt für die Banken die Ausrichtung der Strukturen und Prozesse auf die Kundenbedürfnisse immer noch keine Selbstverständlichkeit dar?
Weil Kundenzentrierung leicht gesagt, aber schwer gemacht ist. Viele Banken wollen – aber sie können noch nicht. Es fehlen klare Rollen, vernetzte Daten, einheitliche Journey-Ownership. Silos, alte IT und mangelnde CX-Kompetenz bremsen aus. CX wird oft als Haltung oder als reine Designaufgabe verstanden – statt als messbares, strategisches Steuerungsthema.