Die Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die Weltwirtschaft sind bis jetzt begrenzt gebleiben – deshalb fallen keine grösseren Verwerfungen in der Zinspolitik an. Anders sähe es aus, wenn plötzlich eine grössere Bank ausfallen würde, sagt Stefan Gerlach, Chefökonom der Privatbank EFG International, zu finews.ch.


Herr Gerlach, die Inflation erfüllt erstmals seit langem die Definition der Preisstabilität nicht mehr. Muss die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Zinsen nun erhöhen?

An der geldpolitischen Lagebeurteilung vom Donnerstag gibt es keine Zinserhöhung. Diese erfolgt voraussichtlich erst nächstes Jahr. Wir haben in der Schweiz grundsätzlich keine Inflationssorgen, weil wir verglichen mit anderen Ländern beim Heizen viel weniger von Öl- und Gasimporten abhängig sind.

Welche Szenarien würden Ihrer Meinung nach zu einer früheren Zinserhöhung führen?

Ein plötzlicher, starker Anstieg der Inflation wäre so ein Szenario. Es ist allerdings nicht so klar, dass Zentralbanker die Zinsen allein wegen der Inflation erhöhen, weil diese im Moment ja vor allem von den Ölpreisen getrieben ist.

Gerade im Fall der Europäischen Zentralbank (EZB) hat eine Erhöhung der Zinsen wegen den Ölpreisen sich schon zweimal als falsch erwiesen – 2008 und 2011. Sie wollen diesen Fehler sicher nicht noch ein drittes Mal begehen. Es gibt auch Anzeichen dafür, dass die Auswirkungen eines höheren Ölpreises auf die Wirtschaft heutzutage geringer sind als früher.

Wieso gibt es die berühmten Zweitrunden-Effekte denn nicht, insbesondere in der Schweiz?

In der Schweiz ist es ganz einfach: Energiepreise sind weniger stark dem Erdölpreis ausgeliefert, weil wir die Wasserkraft und den Nuklearstrom haben.

«Wenn die Berufstätigen höhere Löhne verlangen, können sie gleich den eigenen Kündigungsbrief schreiben»

Zudem wirken die meisten Inflationstreiber nur temporär. Die Berufstätigen sind sich dieser Dynamik durchaus bewusst und wissen, dass die Ölpreise auch die Kosten ihrer Arbeitgeber erhöhen. Wenn sie nun auch noch höhere Löhne verlangen würden, könnten sie auch gleich ihren eigenen Kündigungsbrief schreiben.

Wenn schon die Inflation in der Schweizer Geldpolitik kein grosses Thema ist, bleibt dies der Franken. Er ist seit der letzten SNB-Sitzung stark gestiegen.

Der Anstieg rührt daher, dass die Inflation in der Schweiz seit geraumer Zeit tiefer liegt als in der Eurozone. Letztlich bleibt dadurch die Kaufkraft in etwa stabil. Hier gilt es vor allem die langfristige Entwicklung im Auge zu behalten. Der Franken steigt schrittweise gegenüber dem Euro und dies ist konsistent mit den unterschiedlichen Inflationsraten.

Wenn ich Ihnen zuhöre, tönt es ganz danach, als ob die SNB am Donnerstag einen Non-Event veranstaltet. Ist das nicht etwas seltsam zu einer Zeit grösster internationaler Sorgen?

Was erstaunt, ist dass die Schweiz der Krise nicht stärker ausgesetzt ist. Der Franken ist stark gestiegen nach dem Ausbruch des Krieges und hat Parität zum Euro erreicht. Das war aber zu erwarten, schliesslich ist der Franken eine Fluchtwährung. Seither ist er aber wieder auf 1.03 Euro zurückgegangen.

Darum sieht das Ganze auch gar nicht wirklich wie eine Krise für die Schweiz aus. Natürlich war sie durch den Preisanstieg beim Öl betroffen, aber auch nicht extrem stark. Gleichwohl, der Krieg in der Ukraine ist gerade einen Monat alt und das Risiko von weiteren wirtschaftlichen Schocks bleibt bestehen.

Worauf stützt sich die Aussage, dass wirtschaftlich gesehen alles gar nicht so schlimm ist?

Ich habe mir die Zahlen genau angeschaut. Der Franken erreichte einen Höhepunkt am 7. März. Der Erdölpreis ebenso. Und auch der Preis für Weizen. Eigentlich könnte man aufgrund des Kriegsgeschehens davon ausgehen, dass sich die Stimmung am Markt seit dem 7. März weiter eingetrübt hätte. Das Gegenteil ist der Fall.

«Russland ist schlicht nicht eine besonders grosse Wirtschaft»

Ich glaube, dass die Märkte davon ausgegangen sind, dass die ganze Ukraine-Geschichte sich ausweiten und wirklich  schlimm werden würde. Natürlich ist es für die Ukraine eine Katastrophe, aber die Weltwirtschaft ist nicht zusammengebrochen.

Glauben Sie nicht, dass das Auseinandergleiten von zwei grossen Wirtschaftsräumen einen grossen Einfluss haben wird?

Russland ist schlicht nicht eine besonders grosse Wirtschaft. Natürlich wird es zu Unterbrüchen in bestimmten Bereichen kommen, aber an sich ist dies kein katastrophales Ereignis für die Weltwirtschaft. Nichtsdestotrotz werden die osteuropäischen Volkswirtschaften getroffen.

Der Anstieg des Ölpreises ist selbstverständlich ein Problem. Und die steigenden Weizenpreise werden die Stabilität in gewissen nordafrikanischen Ländern unterminieren. Aber aufs grosse Ganze gesehen werden die makroökonomischen Auswirkungen nicht so extrem sein. Ich glaube auch nicht, dass wir eine globale Rezession sehen werden.

Was sagen Sie zum Schreckgespenst einer Stagflation?

Es wird heute viel von Stagflation gesprochen. Aber wenn wir die Geschichte der Weltwirtschaft studieren, sehen wir zwei Situationen, in denen es wirklich schlecht lief – 1973/74 und 1979/80. Beide Male ging der Ölpreis durchs Dach.

Wir sehen, dass sehr grosse Liefereinbrüche zu Stagflation führen können. Aber so grosse Schocks sind sehr selten. Wenn wir die Zahlen betrachten, stellen wir fest, dass erst ein Preis in der Höhe von vielleicht 200 Dollar pro Barrel zu einem Schock führen würde – nicht aber der jetzige Anstieg.

Würde ein Embargo von russischem Öl genügen, um ein solches Szenario auszulösen?

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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