Wie der Währungsfonds der SNB und der Finma Bälle zuspielt
Es ist ein Ritual, das in diesen Zeiten schon fast leicht nostalgische Gefühle weckt: Die Ökonomen des Internationalen Währungsfonds (IWF) stellen im Juni (oder wie diesmal am 1. Juli) in Bern die Ergebnisse der Länderüberprüfung im Rahmen der sogenannten Artikel-IV-Konsultation vor. Sie nehmen dabei die Schweizer Wirtschaft, die Geld- sowie die Fiskalpolitik unter die Lupe und sprechen Empfehlungen aus.
Der Bericht, dessen Erstellung insbesondere von Vertretern der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und des Staatssekretariat für internationale Finanzfragen (SIF) eng begleitet wird, spiegelt zu einem grossen Teil die Bewertungen, Positionen und Wünsche der Schweizer Behörden, enthält viel Bekanntes und Selbstverständlichkeiten. Gleichwohl lohnt sich die Lektüre, weil sie hie und da doch Erhellendes und kleine Trouvaillen enthält.
SNB hat bisher alles richtig gemacht
Weitgehend unspektakulär ist der Wirtschaftsausblick des IWF. «Globale Gegenwinde» dämpfen das Wachstum, das für 2025 und 2026 mit 1,3 und 1,2 Prozent veranschlagt wird und damit unter dem Potenzial (1,5 Prozent) liegt. Risiken stellten v.a. externe Faktoren dar, wie wachsende geopolitische Spannungen, volatile Energiepreise und die Unsicherheit hinsichtlich der Handelspolitik respektive der Höhe der Zölle. Das könne auch zu Safe-Haven-bedingten Aufwertungsschüben des Frankens führen.
Solche wären aufgrund der ohnehin tiefen Inflationszahlen geldpolitisch unerwünscht. Der IWF bescheinigt der SNB, bisher alles richtig gemacht zu haben. Der jüngste Zinsschritt (von Mitte Juni), mit dem der Leitzins auf 0 Prozent gesenkt wurde, sei angesichts des Teuerungsrückgangs, Zeichen eines schwächeren Arbeitsmarkts und externer Unsicherheiten (siehe oben) angemessen gewesen.
Kritische Einschätzung der Negativzinsen
Wie Präsident Martin Schlegel bei der Präsentation des jüngsten Zinsentscheids der SNB, hegt auch der IWF schwere Bedenken hinsichtlich einer möglichen Rückkehr zur Negativzinspolitik. Die (wohl negativen) Trade-Offs (Wechselwirkungen) würden bei einem Leitzins unterhalb der Nulllinie ausgeprägter, warnt der IWF. Negativzinsen könnten auch die Risiken für den Finanzsektor erhöhen, aufgrund reduzierter Bankgewinne und eines wachsenden Exposure gegenüber dem Immobilienmarkt.
Vorübergehend negative Inflationszahlen seien noch kein Grund, zu diesem Instrument zu greifen. Der IWF empfiehlt der SNB ebenso mit Blick auf Devisenkäufe ein behutsames Vorgehen, erinnert an die Risiken aufgrund der immer noch sehr grossen Nationalbankbilanz und wirbt mit Blick auf die bevorstehende (wahrscheinlich schon laufende) Aushandlung einer neuen Gewinnausschüttungsvereinbarung (zwischen der SNB und dem Eidgenössischen Finanzdepartment EFD; allfällige Gewinne gehen an Bund und Kantone) wohl ganz im Sinne der SNB an die Notwendigkeit robuster Kapitalpuffer, also eines stattlichen Eigenkapitals in der Notenbankbilanz.
Überprüfung des geldpolitischen Konzepts und mehr Informationen?
Spannender ist der Abschnitt, in dem der IWF der SNB nahelegt, ihr geldpolitisches Konzept und die Kommunikation auch mit externer Unterstützung zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen, so wie dies andere Zentralbanken auch getan haben – dass die US-Notenbank und die Europäische Zentralbank im Rahmen von Strategieüberprüfungen z.B. hinsichtlich des Inflationsziels auch Reformen vorgenommen haben, die sich im Nachhinein als schädlich erwiesen haben, erwähnt der IWF allerdings nicht.
Eine solche Überprüfung könne angesichts der besondereren Herausforderungen für die Schweizer Geldpolitik nützlich sein, insbesondere in einem Umfeld hoher Unsicherheit und tiefer Gleichgewichtszinsen, begründen die Ökonomen der internationalen Organisation. Die SNB solle in Erwägung ziehen, an der vierteljährlichen geldpolitischen Lagebeurteilung (oder zwischen den Terminen) zusätzliche Informationen zur Verfügung zu stellen und damit in einem Umfeld erhöhter Unsicherheit die «Policy Guidance» zu stärken sowie ihre Reaktionsfunktion besser zu vermitteln.
Hat der SNB-Präsident ein offenes Ohr?
Man wird sehen, ob Schlegel für solche Forderungen mehr Gehör hat als sein Vorgänger Thomas Jordan, der Ende der Neunzigerjahre selber an der Ausarbeitung des im Wesentlichen heute noch gültigen Konzepts beteiligt war und ehern daran festhielt.
Der IWF beleuchtet auch die aktuellen Herausforderungen für die Bundesfinanzen und die Fiskalpolitik, von der (von ihm nur mässig geliebten, weil als eher zu strikt empfundenen) Schuldenbremse zur 13. AHV-Rente über die wachsenden Verteidigungsausgaben bis zum Entlastungspaket 2027, ohne sich dazu viel Substanzielles entlocken zu lassen.
Stramm auf der offiziellen Bankenregulierungslinie – und sogar ein neues Gremium
Der IWF hat auch Ergebnisse der 2024/2025 durchgeführten umfangreichen Prüfung des Schweizer Finanzsektors vorgelegt. Hier liegt er ganz auf der Linie von Bundesrat, Finanzmarktaufsicht (Finma) und SNB. Die Vorschläge zur Reform der Bankenregulierung und Entschärfung des Too-big-to-fail-Problems systemrelevanter Banken sollten rechtzeitig umgesetzt werden.
Die Finma müsse wie geplant mit neuen Kompetenzen und Instrumenten ausgestattet werden und sich weniger auf externe (Revisoren-)Expertise verlassen müssen. Dafür brauche es in der Finma auch mehr (personelle) Ressourcen, hält der IWF fest, ein Befund, den die Behörde sicherlich nicht bestreiten wird.
Der IWF geht aber noch weiter und fordert die Einführung neuer makroprudentieller Werkzeuge, namentlich einer Limite für das Verhältnis von Schuldendienst zu Einkommen, und wirbt für die Schafffung eines neuen Gremiums, eines Systemrisiko-Rates (Systemic Risk Council). Darin sollen die üblichen Verdächtigen Einsitz nehmen, also die SNB, die Finma und das EFD. Was der Mehrwert gegenüber dem aktuellen Arrangement sein soll, bleibt einigermassen schleierhaft.
Ausdehnung der Resolution-Vorkehrungen auf nicht systemrelevante Banken
Ausserdem soll das bisher für systemrelevante Banken obligatorische Resolution Planning (Vorkehrungen für eine Sanierung oder geordnete Abwicklung im Krisenfall) auf weitere grössere Banken, Versicherungen und Finanzmarktinfrastrukturen ausgedehnt werden.
Das bestätigt die Befürchtung, dass sich die aktuelle Regulierungswelle nicht auf die UBS und die systemrelevanten inländischen Banken beschränken wird.