Der ESC 2025 schafft es in das Blue Book der SNB

Betriebe aus der Uhrenindustrie sowie aus der Maschinen- und Metallindustrie kämpfen schon längere Zeit mit schwachen Absatzmärkten und leiden nun besonders unter der US-Zollpolitik. Die Unternehmen denken aber nicht daran, ihre Produktion in die USA zu verlagern. Wie sich der neue Handels- und Geopolitik auch über andere Kanäle auf die Schweizer Realwirtschaft und den Finanzsektor niederschlägt, verrät der jüngste Bericht der regionalen Delegierten der Nationalbank.

Vor einer Woche hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) ihren Leitzins auf die Nulllinie gesenkt. Aufgrund der Eigenheiten der Umsetzung der Geldpolitik (in einem Umfeld mit immer noch viel überschüssiger Liquidität im System) notiert der Saron, der wichtigste der kurzfristigen Geldmarktsätze (die sich gemäss dem geldpolitischen Konzept der SNB in der Nähe des Leitzinses bewegen sollten), seither indes im leicht negativen Bereich.

Das Direktorium hat bei der Präsentation des Entscheids mehrfach auf handelspolitische Spannungen bzw. Unsicherheiten hingewiesen – womit natürlich primär die neue US-Zollpolitik gemeint war. Diese spielt auch im Bericht «Konjunktursignale» eine zentrale Rolle, der im am Mittwoch publizierten Quartelsheft zu finden ist.

Ergänzung zu ökonometrischen Modellen

Der Bericht basiert auf Informationen, welche die Delegierten für regionale Wirtschaftskontakte in Gesprächen mit Unternehmensleitungen in der ganzen Schweiz zusammengetragen haben. Insgesamt wurden von April bis Juni Januar 241 Gesprächen geführt und ausgewertet. Der in Anlehnung an das Beige Book der US-Notenbank auch Blue Book genannte Bericht bildet mit seinen empirisch fundierten Resultaten für das Direktorium eine wertvolle Ergänzung zu den sonst doch eher modelllastigen Entscheidungsgrundlagen.

Naturgemäss wird der Industriesektor von der Zollpolitik am stärksten getroffen. Die Umsätze haben dort nur geringfügig zugenommen, damit scheint die im ersten Quartal verzeichnete Erholung bereits auszulaufen.

Kursänderungen der US-Regierung verursachen Unsicherheit

Und die SNB wird dabei auch explizit: «Besonders belastend ist dabei die mit den wiederholten Kursänderungen der US-Regierung einhergehende Unsicherheit. Die Unternehmen stellen fest, dass ihre Kunden sehr zurückhaltend bestellen und mit Investitionsentscheiden zuwarten. Einige Unternehmen spüren zudem eine verminderte Nachfrage, da ihre Produkte in den USA aufgrund der Einfuhrzölle teurer werden.»

Das hat Folgen auch auf die Margen und die Beschäftigung. Die Margen der Industrieunternehmen stehen unter Druck, und sie beurteilen ihren Personalbestand «als deutlich zu hoch».

Wie Industrieunternehmen unter der Zollpolitik leiden 

Insgesamt gibt ein Fünftel aller befragten Unternehmen an, direkte negative Auswirkungen der neuen US-Handelspolitik zu spüren, auf Auftragsvolumen, Preise und Margen. Dazu gehören vor allem exportorientierte Industrieunternehmen, deren Produkte selber direkt von Zöllen betroffen sind (die allgemeinen Zölle von 10 Prozent gelten seit dem «Liberation Day»). Bei anderen sind Kunden von den Zöllen betroffen.

Aufschlussreich ist, wie die Unternehmen darauf reagieren. Zentral ist die Wettbewerbssituation im US-Markt. «Haben die Firmen kaum Konkurrenz, übernehmen die Kunden in der Regel die Zölle. Einfacher verlaufen Preisverhandlungen auch, wenn das Schweizer Vorleistungsprodukt nur einen geringen Anteil an den Gesamtkosten der finalen Produkte der US-Abnehmer hat», führt die SNB im Bericht aus.

Und wie sie darauf reagieren

Aber die Zölle können nicht in allen Fällen auf die Käufer überwälzt werden. Problematisch ist hingegen die Situation oft für Unternehmen, die in direkter Konkurrenz mit US-Firmen stehen und nahezu das gesamte Endprodukt in der Schweiz herstellen».

Nicht gefallen dürfte dem Vater der neuen Zollpolitik der Befund, dass kaum ein Unternehmen aufgrund der Zölle Produktionsverlagerungen in die USA vorsieht. Barrieren sind hohe Investitionskosten, die lange Dauer für den Aufbau eines Produktionsstandorts, fehlende Zulieferbetriebe in den USA oder ein Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Die Hoffnung, dass hohe Zölle zu einer Reindustrialisierung der USA betragen, scheint sich nicht zu erfüllen.

Indirekte Effekt – und vereinzelt sogar Wettbewerbsvorteile

Von den 80 Prozent nicht betroffenen Unternehmen betonen viele, dass sie das neue Zollregime indirekt treffen könnte, über eine Abkühlung der weltwirtschaftlichen Nachfrage, die Aufwertung des Frankens oder eine verschlechterte Konsumentenstimmung. Einige Unternehmen geben allerdings auch an, dass sie Wettbewerbsvorteile haben – weil Rivalen aus China in den USA und US-Rivalen in China unter deutlich höheren Zollsätzen ächzen.

Allerdings ist nicht die ganze Industrie betroffen. Schon längere Zeit schwächelt die Maschinen- und Metallindustrie aufgrund der Krise der deutschen Automobilbranche, nun kommt der Zollhammer dazu. Ebenfalls bereits seit langem unter Druck steht die Uhrenindustrie.

Ausbau der Infrastruktur, grosse Nachfrage der europäischen Rüstungsindustrie

Positiv entwickelt sich hingegen der Geschäftsgang von Medizinaltechnik- und Pharmaunternehmen samt deren Zulieferern. «Auch die Nachfrage nach Produkten für den Ausbau der Verkehrs- und Energieinfrastruktur steigt», wird im Bericht festgehalten. Und die neue Geopolitik Trumps hat ebenfalls einen günstigen Effekt, vermelden doch die Schweizer Zulieferer der ausländischen Rüstungsindustrie eine positive Absatzentwicklung.

Indirekt wirkt sich die Zollpolitik auf den Finanzsektor aus. «In der Vermögensverwaltung schmälern der kurzzeitige Einbruch der Börsen im April sowie die Abwertung des US-Dollars die wertabhängigen Kommissionserträge. Auf das Handelsgeschäft wirken sich die Schwankungen dagegen zum Teil positiv aus.» Im Zinsgeschäft dominiert allerdings die Geldpolitik, setzen doch «sinkende Zinsen die eigentlich robusten Margen unter Druck». 

ESC als Highlight in Basel, Trumps Sparkurs als Dämpfer für den Arc lémanique

Die SNB-Delegierten servieren den Lesern ihres Berichts aber zwischendurch auch etwas leichtere Kost. So wird der in Basel ausgetragene Eurovision Song Contest (ESC) entgegen den bisherigen Gepflogenheiten namentlich erwähnt (anders als noch 2024 die Taylor-Swift-Konzerte in Zürich). Vom ESC haben Hotel- und Gastronomiebetriebe in der Region profitiert.

Kollateralschäden des neuen Kurses der US-Regierung finden sich allerdings sogar in dieser Branche, wird doch insbesondere in der Genferseeregion von einer geringeren Anzahl von Veranstaltungen berichtet – was zumindest teilweise mit der Streichung von Beiträgen der USA an internationale Organisationen in Verbindung gebracht wird.