Der ehemalige UBS-Investmentbanker Yassir Benjelloun-Touimi will mit seinem Startup Artex den Kunstmarkt disruptieren, wie er im Gespräch mit finews.ch ankündigt. Dabei kann er auf höchst prominente Unterstützung zählen.

Yassir Benjelloun-Touimi (Bild unten) macht es gerne spannend. «Wenn ich ihnen jetzt sagen würde, in welchem Museum wir unser erstes Kunstwerk präsentieren, würde ich allen die Überraschung verderben», sagt der Gründer und CEO von Artex zu finews.ch. Nur so viel: Der Event werde noch im ersten Jahresviertel stattfinden, und der Ankauf weiterer Kunstwerke, von alten Meistern bis hin zu Zeitgenossen, befinde sich in der Abwicklung.

Artex werde den Markt für Kunst disruptieren, verspricht der frühere Investmentbanker und Hedge-Fonds-Manager – und gleichzeitig den Besitz von Kunst der breiten Masse zugänglich machen.

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(Bild: Artex)

SIX übernimmt das Clearing

Das alles soll die im Jahr 2020 gegründete Jungfirma leisten, bei der es sich im Kern um eine Börse für verbriefte Kunst handelt: Millionenteure Werke werden in erschwingliche Aktien umgegossen und analog zu traditionellen Wertschriften zentral gehandelt. Dazu ist die Firma, die eigenen Angaben zufolge in Paris, London, Luxemburg und Liechtenstein mehr als 60 Mitarbeitende beschäftigt, in Verhandlungen mit führenden Banken.

Die Schweizer Börse SIX konnte kürzlich für das Clearing der Kunst-Aktien gewonnen werden.

«Andrea Orcel hat das Potenzial von Artex erfasst»

Die Vision von Benjelloun-Touimi klingt reichlich ambitioniert. Doch sie hat prominente Unterstützer gefunden. So etwa Andrea Orcel (Bild unten), ehemals Leiter der UBS-Investmentbank, beinahe-Chef der spanischen Grossbank Santander und nun amtierender CEO der italienischen Konkurrentin Unicredit. In der Organisation des Startups ist er als möglicher künftiger Verwaltungsrat vorgemerkt. «Er hat das Potenzial der Idee von Artex erfasst», sagt Benjelloun-Touimi über den italienischen Manager. «Er realisiert, wie tiefgreifend wir die Welt der Kunst verändern werden.»

Der Artex-CEO und Orcel kennen sich von früher: von der UBS. Dort war Benjelloun-Touimi knapp vier Jahr lang als Investmentbanker aktiv, so in leitender Position im Handel mit Kreditpapieren in Europa. Im Jahr 2013 kehrte er dem Schweizer Institut den Rücken, um mit Arcade Capital Partners seinen eigenen Hedge-Fonds zu eröffnen. Arcade sollte später in Dalton Strategic Partnership aufgehen, einem Vermögensverwalter, bei dem Benjelloun-Touimi als Partner wirkte – gemeinsam mit dem heutigen Präsidenten und Mitgründer von Artex, Prinz Wenzeslaus von Liechtenstein (siehe Bild unten).

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(Bild: Unicredit)

Gleich zwei Prinzen im Verwaltungsrat

«Vince the Prince» (Bild unten), wie er von der Regenbogenpresse genannt wird, ist sowohl in der Finanzwelt wie auch im Jetset eine Grösse. Er ist der Sohn von Prinz Philipp Erasmus von Liechtenstein, dem heutigen Ehrenpräsidenten der Liechtensteiner LGT Gruppe – der Vater sitzt nun ebenfalls im Verwaltungsrat von Artex. Einst sorgte Prinz Wenzeslaus für Aufsehen, als er mit dem Topmodel Adriana Lima ausging. Als Alumni der amerikanischen Investmentbank Goldman Sachs dürfte er aber auch ein Händchen für Zahlen haben.

Um letzteres geht es auch bei Artex. Aus Kunst, einer exklusiven Nische für Millionäre, soll eine Anlageklasse werden, die Millionen von Menschen zugänglich ist, hofft Benjelloun-Touimi. Ihm geht es dabei nicht nur um das Geschäft, wie er versichert; jedes in Aktien verbriefte Kunstwerk wird – typischerweise in einem Museum – der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ein Teil der Erträge von Artex werden für Kunstschulungen und für den Aufbau einer neuen «Community» von Kunstmäzenen verwendet, sagt er.

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(Bild: Dalton Strategic Partnership)

Überaus inflationssicher

Als langjähriger Banker sieht er natürlich auch das Business. Der Wert handelbarer Kunst wird weltweit auf 3,2 Billionen Dollar geschätzt und hat in den vergangenen Jahren noch deutlich zugelegt. Zwischen 1999 und 2019 kletterte der Artprice 100 Index, eine Messlatte für die Preise von Kunst, im Schnitt 8,4 Prozent pro Jahr. Das ist fast so gut wie der Goldpreis mit 8,6 Prozent und deutlich besser als der US-Aktienindex S&P 500 mit 6 Prozent.

Kunst korreliert zudem wenig mit den Börsen und hat sich im vergangenen Jahr als überaus inflationssicher erwiesen.

«Wir haben ein Jahrzehnt der monetären Expansion hinter uns, die nun die Inflation langfristig anfacht», erklärt Benjelloun-Touimi. «Alles wird teurer, deshalb müssen wir den Menschen Instrumente geben, ihr Vermögen vor dieser Entwicklung zu schützen». Für ihn ist Kunst, respektive Artex, dieses Instrument. Mit der Verbriefung in Aktien und dem Handel über die Kunstbörse würden Kunstwerke von etwas Exklusivem und Opaken zu liquiden und regulierten Werten, stellt er in Aussicht. 

Traditionell statt Token

Sein Weg dorthin ist «Old school». Ganz der Investmentbanker, plant er für jedes Kunstwerk eine eigene Gesellschaft, die dann einzeln per IPO an die Börse gebracht wird. «From the Hammer to the bell», vom Hammer des Auktionators zur Börsenglocke, bringt Benjelloun-Touimi den Vorgang auf den Punkt. Zum Start hat jede Kunst-Aktie einen Wert von nominal 100 Dollar.

Über Artex werden die Kunst-Aktien anschliessend gehandelt; Grossbanken schliessen sich direkt an die Plattform an, um für ihre Kunden die Trades in Auftrag zu geben. Kleinere Privatbanken können die grossen Häuser als Korrespondenzpartner nutzen.

Ins Auge sticht, dass Benjelloun-Touimi auf eine Tokenisierung der Kunstwerke verzichtet hat. Solche Geschäftsmodelle gibt es bereits für verschiedene Realwerte, nicht zuletzt in der Schweiz. Die Ausgabe von digitalen Bezugsrechten an einem Kunstwerk ist deutlich weniger kompliziert als ein herkömmlicher IPO. Ebenso bieten sich im Nachhandels-Bereich und der Aufbewahrung diverse Vorteile.

«Ich mag simpel»

Der Artex-Gründer bleibt jedoch bei seinen Leisten, sprich bei Aktien. «Vielleicht ist unser Ansatz simpel. Aber ich mag simpel», erklärt er. Die Tokenisierung hält er hingegen für obskur. Er mache an Krypto-Konferenzen immer wieder dieselbe Erfahrung: «Die Leute kommen zu mir und fragen: Bin ich der einzige, der nicht verstanden hat, was die da vorne reden?»

Im Grunde wollten die Krypto-Aficionados und er sowieso dasselbe: Werte schaffen, um nicht den Börsen und dem Papiergeld-System ausgeliefert zu sein.

Kunst als Realwert – bleibt da nicht der Kunstsinn auf der Strecke? Für Benjelloun-Touimi ist es eher die Leidenschaft, die zählt: «Ich liebe Kunst und Kunstgeschichte», sagt der Ex-Investmentbanker.