Blackrock-Schweiz-Chef Dirk Klee: «Europa muss jetzt liefern»
Volatile Märkte, geopolitische Spannungen – und mittendrin neue Chancen für Europa: Blackrock-Schweiz-Chef Dirk Klee sieht eine Rekalibrierung der Globalisierung im Gange. Im Interview erklärt er, warum Europa jetzt investieren muss, welche Rolle Krypto dabei spielt – und weshalb Anleger wieder stärker durch den Nebel blicken sollten.
Die Märkte sind volatil – wie beurteilen Sie die Lage bei Blackrock Schweiz?
Wir erleben aktuell eine sehr hohe Nachfrage nach Beratung. In dieser Unsicherheit liegt für uns die Chance, unsere Rolle als verlässlicher lokaler Partner mit globaler Präsenz zu unterstreichen und gleichzeitig neue Anlagechancen zu identifizieren.
Was raten Sie Ihren Kunden konkret?
Wir empfehlen, sich weniger auf kurzfristige Schwankungen zu konzentrieren und vielmehr zu analysieren, welche langfristigen Folgen die aktuelle Lage für Kapitalmärkte, geopolitische Entwicklungen und Anlagechancen haben könnte. Es geht darum, durch den Nebel hindurchzusehen und strukturelle Trends zu erkennen.
«Auch der Technologiesektor ist entscheidend – und wird oft übersehen. Europa ist hier stark von US-Konzernen abhängig.»
Welche Trends sind aus Ihrer Sicht erkennbar?
Eine zentrale Entwicklung ist die Rekalibrierung der Globalisierung – Wertschöpfungsketten und Kapitalflüsse werden neu ausgerichtet.
Einige US-Investoren scheinen Kapital nach Europa zu verschieben. Ist das die grosse Chance für Europa?
Europa hat nach der Finanzkrise gegenüber den USA jedes Jahr um rund 1 Prozent an Wachstum eingebüsst – das hat sich in der Performance der Märkte klar niedergeschlagen. Nun besteht tatsächlich die Chance, verlorenes Terrain zurückzugewinnen.
In welchen Bereichen sehen Sie den grössten Aufholbedarf?
Infrastruktur und Verteidigung sind zentrale Themen. Aber auch der Technologiesektor ist entscheidend – und wird oft übersehen. Europa ist hier stark von US-Konzernen abhängig. Parallel braucht es einen funktionsfähigen europäischen Kapitalmarkt, damit Start-ups einfacher Kapital erhalten.
Die Politik kündigt Investitionspakete in Milliardenhöhe an. Wie wichtig ist rasches Handeln?
Sehr wichtig. Der Investitionsstau ist erheblich, die Erwartungen sind hoch – nicht nur bei uns, sondern auch bei den Investoren. Die Politik ist aufgewacht und geniesst derzeit einen Vertrauensvorschuss, darf diesen aber nicht verspielen.
«Im ersten Quartal haben wir deutliche Zuflüsse in europäische Aktien registriert. Inzwischen ist das Bild wieder differenzierter.»
Zeigt sich dieses Vertrauen bereits in den Märkten?
Ja, im ersten Quartal haben wir deutliche Zuflüsse in europäische Aktien registriert. Inzwischen ist das Bild wieder differenzierter, mit verstärkten Allokationen in den US-Markt – was angesichts der Attraktivität amerikanischer Aktien nicht überrascht.
Wie interpretieren Sie diese Entwicklung?
Es handelt sich aus unserer Sicht nicht um eine grundlegende Umschichtung, sondern um eine gezielte Rekalibrierung – mit leicht stärkerer Gewichtung europäischer Titel.
Welche Rolle spielt Deutschland in diesem Prozess?
Deutschland hat mit den angekündigten Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung ein wichtiges Signal für ganz Europa gesetzt. Zudem kann Deutschland international eine wichtige Rolle im freien Handel und Zusammenarbeit spielen.
Was bedeutet diese Entwicklung für die Schweiz?
Auch die Schweiz kann sich dieser Dynamik nicht entziehen. Der Fokus liegt kurzfristig auf neuen Handelsabkommen mit den USA. Als exportorientierter und innovationsstarker Wirtschaftsstandort mit einer hoch diversifizierten Struktur bleibt die Schweiz attraktiv – auch für uns. Blackrock hat rund 150 Milliarden Franken in die Schweizer Wirtschaft investiert; europaweit sind es 1’500 Milliarden Franken – damit investieren wir mehr als jeder andere Asset Manager in Europa.
Blackrock hat kürzlich seinen ersten Bitcoin-ETP in Europa lanciert, mit Schweizer Verankerung. Welche Rolle spielt Krypto in der aktuellen Marktphase?
Viele Investoren überdenken derzeit ihre Asset-Allokation grundlegend. Zwei Themen rücken dabei besonders in den Fokus: Gold als Anker im Multi-Asset-Portfolio – und Bitcoin.
«Wegen steigender Nachfrage bieten wir neue Produkte, wie ETFs, mit Fokus auf europäische Verteidigung an.»
Hat Sie das wachsende Interesse überrascht?
Nicht wirklich. Bitcoin teilt einige Eigenschaften mit Gold: Es ist dezentralisiert, und das Angebot ist limitiert. Wir beobachten, dass sich immer mehr Kunden für das Thema öffnen – darunter auch institutionelle Investoren wie Privatbanken, Vermögensverwalter und zunehmend auch Pensionskassen, darunter einige aus Europa.
Trotzdem war Blackrock nicht der erste Anbieter.
Das stimmt. Jedoch vereinen wir derzeit mehr als 80 Prozent der Kapitalzuflüsse in diesem Segment auf unser Produkt. Wenn sich Anleger für ein Bitcoin-Investment entscheiden, wählen sie mehrheitlich Blackrock. Das zeigt, dass Investoren auf uns als robusten Anbieter setzen.
Neben Krypto rücken auch Verteidigungsinvestments in den Fokus. Wird Blackrock hier aktiv?
Ja, das Interesse an europäischen Verteidigungsunternehmen nimmt spürbar zu. Wegen steigender Nachfrage bieten wir neue Produkte, wie ETFs, mit Fokus auf europäische Verteidigung an.
Dirk Klee ist Länderchef von Blackrock Schweiz.