Wie feuert man einen Angestellten? Ein amerikanischer Game-Entwickler bietet nun ein digitales Übungsfeld dazu. Die Reaktionen sind – verständlicherweise – durchzogen.

Wo spart man in einer defizitären Abteilung eines Unternehmens am effektivsten? Die naheliegende Antwort für Manager: beim Personal. Solches Vorgehen ist auch in der hiesigen Finanzbranche nicht unbekannt. Laut dem Verband Arbeitgeber Banken wurden zwischen 2012 und 2019 rund 12'000 Stellen am Schweizer Finanzplatz abgebaut. Gerade ältere Arbeitnehmende kosten tendenziell mehr und sind daher besonders beliebte Ziele bei Kündigungswellen.

Doch wie entlässt man einen 63-jährigen Bankangestellten, zwei Jahre vor der Pension, im vollem Bewusstsein, dass er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine Stelle mehr finden wird? 

Die amerikanische Firma Talespin, eigentlich für Videospiele bekannt, bietet im Rahmen ihres Vorstosses in die Gebiete der Arbeitsplatzoptimierung einen Lösungsansatz. Und der heisst «Barry». Barry Thompson (Bild unten) mit vollem Namen.

barry virtual reality dummy user

Barry Thompson ist ein Avatar, sinnigerweise ein Ü50-Mitarbeiter, der wieder und wieder seinen Job verlieren muss und nur zu diesem Zweck existiert. Mit der Applikation können Personalverantwortliche lernen, wie man Arbeitnehmende auf die Strasse stellt, ohne dass diese in Tränen ausbrechen, gewalttätig werden oder sonst eine Szene machen. Zuschlagen kann Barry aufgrund seines virtuellen Zustands also nicht, aber zum Beispiel das Gesicht in den Händen vergraben, weinen oder wütend werden.

Und genau diese stürmischen Gefühle sollen umschifft werden, und Talespin will den Personalabteilungen dieser Welt durch die emotionalen Minenfelder der Kündigungsgespräche helfen.

Das kommt nicht nur gut an. Die Applikation stösst bereits auf breite Kritik im Netz. So trage die Software in dystopischer Manier durch eine Desensibilisierung dazu bei, dass Personalverantwortliche ihr Personal nicht mehr als empfindende Menschen wahrnehmen würden. Und soziopathische Vorgesetzte brauche es eigentlich nicht noch mehr auf der Welt.

Soft Skills fördern

Laut Kyle Jackson, CEO von Talespin, geht es nicht um eine Desensibilisierung, sondern um die Förderung von Soft Skills, also von sozialen und kommunikativen Fähigkeiten. Und das Bedürfnis nach diesen Fähigkeiten nimmt laut ihm zu: «Wir sehen immer wieder Interesse an der Entwicklung von Trainingsprodukten rund um das Thema Interview-Fähigkeiten, die Navigation in schwierigen Gesprächen, beratendes Verkaufen, Leistungsbeurteilungen und die Identifizierung von «Diversity & Inclusion»-Best-Practices, um nur einige zu nennen», sagte er gegenüber «Technology Review», dem Magazin des renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT).

«Soft Skills gehören zu den wichtigsten Faktoren für jedes Unternehmen, wenn es um die Bedürfnisse für die Zukunft der Arbeit geht», führt Jackson aus. «Wir sehen nicht, dass das in absehbarer Zeit abnimmt.»