Alles redet von neuen Arbeitsmodellen und Anreizen, um die besten Talente ans Unternehmen zu binden. Dabei lässt sich auch mit Grundsätzlichem punkten. Für einen Zürcher Vermögensverwalter ist Essen ein Mittel, um die Belegschaft zu inspirieren.

Früher war berufliches Wohlbefinden das, was sich einstellte, wenn wir das Bürogebäude verliessen. Das änderte sich, als die meisten von uns während der Corona-Shutdowns begannen, von zu Hause aus zu arbeiten – und die Grenze zwischen unserem Arbeits- und Privatleben verwischte. Heute sind Arbeiten und Wohnen keine Gegensätze mehr, und «hybride Arbeit» wird von den Unternehmen gar nach Kräften gefördert.

Dies ist nicht zuletzt im Finanzwesen so, wo Grossbanken wie die UBS und Allversicherer wie Axa am Arbeitsmarkt um die besten Talente wetteifern, und sich einiges zu neuen Arbeitsmodellen überlegen müssen.

Weit mehr als nur der Lohn

Mitarbeiterbindung steht dabei hoch im Kurs, wie auch Beratungsfirmen bestätigen. Laut einer aktuellen Studie von Oliver Wyman wollen die heutigen Angestellten weit mehr als nur höhere Löhne. Die Forderung nach einer besseren Work-Life-Balance und einer inspirierenderen Arbeit müsste auch Banken und Versicherer dazu veranlassen, die Anreize für ihre Mitarbeitenden zu erweitern.

Damit rückt ein Rezept ins Rampenlicht, das ebenso menschliche Grundbedürfnisse befriedigt wie Berufliches und Privates ideal zusammenbringt: das Essen.

Thinktank wird fündig

Neu ist das natürlich nicht, aber kann ganz neu gedacht werden: Betriebsrestaurants und Cafés seien wichtige Faktoren bei der Anpassung an das neue Konzept der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, folgert der deutsche Thinktank Zukunftsinstitut in einem Report zur Thematik. Ebenfalls tauge das gemeinsame Essen, um Mitarbeitende langfristig zu binden. Unternehmen, die das Personal motivieren wollen, müssen Arbeitsumgebungen schaffen, die den neuen Arbeitsmodellen gerecht werden, heisst es in dem Bericht.

Dass der unbeschwerte Schwatz in der Kantine fehlt, liest sich auch zwischen den Zeilen einer jüngst vom Versicherer Generali in der Schweiz durchgeführten Umfrage: 60 Prozent der Teilnehmenden gaben an, dass sie die täglichen Begegnungen mit Kollegen vermissen, wenn sie von zu Hause aus arbeiten. Unternehmen können sich das Bedürfnis nach Austausch zunutze machen, indem sie die Arbeitsbedingungen so anpassen, dass soziale Interaktion gefördert wird. Und warum nicht beim Essen?

Suppe gegen Silo-Mentalität

Bei der Vermögensverwalterin Forma Futura geht das gemeinsame Brotbrechen bereits Hand in Hand mit einer guten Zusammenarbeit. Die Firma, die in Zürich 17 Mitarbeitende beschäftigt, verfügt über eine hauseigene Küche, die mit einem Esssaal ausgestattet ist. «Gemeinsame Mahlzeiten sind ein Zeichen für eine gelebte Unternehmenskultur, in der die funktionsübergreifende Zusammenarbeit der Silo-Mentalität vorgezogen wird», sagt Chefin Antoinette Hunziker-Ebneter, die ausserdem als Präsidentin der Berner Kantonalbank amtet.

Die gemeinsame Küche bietet der Geschäftsleitung auch die Möglichkeit, vorzuleben, dass sie sich um das Wohl der Angestellten kümmert. Indem sie in der Zeit noch vor Corona einmal im Monat für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kochten, erkannten die Gründungspartner von Forma Futura «eine Möglichkeit war, unsere Wertschätzung zu zeigen», so Hunziker-Ebneter.

Teambildungs-Übungen werden überflüssig

Gutes Essen hat einen wesentlichen Einfluss auf unser Wohlbefinden und unsere Motivation. Ein Arbeitgeber, der den Verzehr von Lebensmitteln am Arbeitsplatz ermöglicht, assoziiert sich mit dieser positiven Erfahrung und verbindet sich mit dem einzelnen Angestellten. Teambildungs-Übungen werden wahrscheinlich weniger notwendig sein. «Den Genuss des Essens mit dem Austausch von Meinungen und Ideen zu verbinden, ist inspirierend», weiss die Forma-Futura-Gründerin zu berichten.

Wer solche Angebote belächelt, sollte sich vorsehen. Denn im «War for talent» treten Schweizer Finanzfirmen nicht nur gegen ihresgleichen an, sondern auch gegen überaus potente Akteure aus Pharma und Technologie. Und diese haben die Bedeutung von Essen und Nahrung am Arbeitsplatz längst verinnerlicht.

Gärtnern bei Roche

Beim Basler Pharma-Multi Roche etwa gärtnern rund 40 Mitarbeitende gemeinsam und teilen sich die Aufgaben im «Urban garden» des Hauptsitzes. Die angebauten Produkte werden anschliessend in der Firmenkantine aufgetischt. Derweil geht das Verpflegungsprogramm des Internet-Riesen Google, der auch in der Schweiz eine grosse Präsenz unterhält, noch einen Schritt weiter und umfasst auch Kochkurse vor Ort.

Liebe, so heisst es, geht durch den Magen. Gut möglich, dass für Loyalität ähnliches gilt.