Reiche sind die letzte Spezies, die man rücksichtslos diskriminieren darf. Das zumindest behauptet Rainer Zitelmann. Mit seinen selbst verdienten Millionen hat er sich auf eine Mission begeben, dies zu ändern. 

Manche Kundenberater im Private Banking stehen den reichsten Menschen dieser Welt so nah wie kaum jemand anders. Darum wissen sie auch, dass sich hinter den vielen Millionen oder gar Milliarden an Franken oder Dollar eine Gesellschaftsgruppe verbirgt, die oftmals mit vielen, zumeist pauschalen Vorurteilen zu kämpfen hat.

Genau mit diesem Thema befasst sich der 61-jährige Rainer Zitelmann, der diese Woche Gastreferent an einem Anlass des Liberalen Instituts in Zürich war. Der promovierte Historiker und Soziologe aus Deutschland macht bisweilen den Eindruck eines Universalgelehrten, hat er doch auch schon mehr als 20 Bücher verfasst; allerdings nicht nur über Reiche, sondern auch über Zielstrebigkeit oder Bodybuilding. 

In der Kritik

An dem Abend der Libertären in Zürich, wo auch finews.ch zugegen war, ging es allerdings um sein neustes Werk, «Die Gesellschaft und ihre Reichen - Vorurteile über eine beneidete Minderheit». So berichtete Zitelmann, dass er während der Recherche mit den Meinungsforschungsinstituten Allensbach und lpsos Mori eine Erhebung durchgeführt habe, um herauszufinden, welche gesellschaftlichen Gruppen noch öffentlich kritisiert werden können.

Und das Resultat sei ernüchternd gewesen: Heute könnten bloss noch Christen und Reiche ohne öffentlichen Aufschrei hart angegangen werden – im Gegensatz etwa zu Ausländern oder Homosexuellen.

Persönlich verletzt

Weiter stellte Zitelmann aufgrund seiner Untersuchungen fest, dass viele Menschen Reiche per se für egoistisch, berechnend und rücksichtslos hielten, was ihn allem Anschein nach auch persönlich verletzt, wie man ihm bei seinem Vortrag anmerken konnte.

Ein wesentlicher Grund für die Vorurteile sei, so Zitelmann, dass beispielsweise 83 Prozent der Menschen in Deutschland keine Millionäre persönlich kennen würden. Entsprechend biete dies enorm viel Raum für Vorurteile. Oder wie er es in einem Interview mit dem Onlinemedium «Wallstreet-Online» präzisierte: «Negative Vorurteile gegenüber Reichen haben die psychologische Funktion, das Selbstwertgefühl eines Menschen zu schützen.»

Spenden? Taugt nicht

Oder noch anders formuliert: Man gebe anderen Menschen, die auf einem Gebiet überlegen seien, auf anderen Gebieten Minuspunkte, damit man sich mit ihnen wieder gleich fühle oder sich sogar über sie stellen könne, erklärte Zitelmann.

Auf die Frage aus dem Publikum, was man als Vermögender denn deswegen tun könne, hatte Zitelmann dann trotz des unmissverständlichen Titels seines Referats «Wie mit Vorurteilen gegenüber Reichen umgehen?» erstaunlicherweise doch keine weiterführenden Tipps auf Vorrat – ausser, Leserbriefe zu schreiben, zu seinem Reichtum zu stehen oder libertäre Think-Tanks zu unterstützen. 

Ob das genügt? Spenden hingegen, so Zitelmann weiter, tauge eher nicht. Er habe zwar nichts gegen pekuniäre Zuwendungen, schliesslich solle jeder mit seinem Geld machen was er wolle. Doch es dürfe niemand annehmen, man werde deswegen besser wahrgenommen. Wer das glaube, sei ein «naiver Idiot».

Selber Millionen gescheffelt

Immerhin hatte Zitelmann am Ende doch noch einen Rat auf Lager: Investieren. Denn so fliesse ein Teil des Geldes wieder in die Wirtschaft zurück, vermehre sich und stifte «neuen Wohlstand.» Und natürlich solle man seine Bücher kaufen, am besten gleich in grösseren Mengen, die man ja dann verschenken könne.

Ob er damit etwas verdient, sei dahingestellt. Doch offenbar braucht er das auch gar nicht. Denn wie Zitelmann erklärte, habe er mit seiner früheren PR-Agentur, die er inzwischen verkauft hat, in guten Jahren zwischen zwei und drei Millionen Euro verdient.

Eine Art Warnung

So könne er sich seinen heutigen Lebensunterhalt leisten – und darüber hinaus auch die doch kostspieligen Umfragen zu seinem Lieblingsthema finanzieren.

Zitelmann will eigentlich einem guten Zweck dienen. Darum versteht er sein Buch auch als eine Art Warnung, wie er weiter sagte. Er räumte auch ein, dass sich jeder Reiche auf einem sehr hohen Niveau beschwere, doch könne das Klima in der Gesellschaft rasch umschlagen, wie es in Deutschland unter den Nationalsozialisten oder in Russland unter den Kommunisten der Fall gewesen sei. 

Fragwürdige Vergleiche

Der Deutsche ist tatsächlich nicht der erste, der sich Sorgen oder zumindest Gedanken um das Wohl der Reichen macht.  Allerdings droht diese Thematik bisweilen in eine fragwürdige Richtung abzudriften, wie beispielsweise beim amerikanischen Venture-Kapitalisten Thomas Perkins, der vor ein paar Jahren die Verfolgung und Ermordung der Juden durch Nazi-Deutschland mit dem «Krieg der Progressiven gegen die Reichen in den USA» verglich.

Solche Vergleiche führen in die Irre. Doch Zitelmann müsste es besser wissen, immerhin befasste er sich in seiner ersten Dissertation mit dem Titel «Hitler: Selbstverständnis eines Revolutionärs» – wenn auch schon 1987 umstritten – mit dieser Thematik. Doch das wäre schon wieder eine andere Geschichte.

Und immer wieder Merkel

So endete der heitere Abend unter den Libertären in einer kuriosen Stimmung, zumal auch viele Anwesende selbst nach fast zwei Jahrzehnten Kanzlerschaft Angela Merkels bei Witzen über ihr Aussehen immer noch ganz laut herauslachen müssen.