Mark Branson: «Einfachere und verhältnismässigere Regeln»

Der höchste Finanzmarktaufseher Deutschlands will die Bankenregulierung vereinfachen und proportionaler machen. Er scheut nicht davor zurück, für dieses Ziel europäische Vorgaben nur teilweise umzusetzen. Bransons Rede ist bemerkenswert. Sie bestätigt, dass das Pendel der Regulierung international zurück schwingt – und nährt die Zweifel am Sonderfall Schweiz.

Dass das Pendel bezüglich Bankenregulierung hin und her schwingen kann, ist keine neue Erkenntnis. Allerdings ist es ziemlich anspruchsvoll, die Wendepunkte in Echtzeit genau zu erkennen. Doch die Hinweise darauf, dass ein solcher nun erreicht sein könnte, verdichten sich.

In den USA gibt sich Donald Trump betont kryptofreundlich und hat auch schon zu erkennen gegeben, dass er dem Bankensektor mehr Spielraum geben möchte. Und bereits vor seiner Wahl war es der US-Bankenlobby gelungen, die Umsetzung der Regel von Basel III zu verwässern bzw. auf den St. Nimmerleinstag zu verschieben. Einzig die Schweiz setzte Basel III brav wie ursprünglich für alle vorgesehen pünktlich auf Anfang 2025 um.

Bransons Rede als weiteres Puzzleteil

In der EU gibt es Bestrebungen, zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit den selber angelegten Dschungel der Nachhaltigkeitsvorschriften insbesondere für kleinere und mittlere Unternehmen zu lichten; das betrifft zwar nicht direkt die Bankenregulierung, hat aber natürlich Auswirkungen für die Finanzinstitute, z.B. auf das wichtige Geschäftsfeld Sustainable Finance.

Ein weiteres Puzzleteil lieferte am Mittwoch der Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Mark Branson ist auch hierzulande bekannt, v.a. aus seiner Zeit als Direktor der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma).

«Nicht alles bis ins Detail vorgeben»

An der BaFin-Jahrespressekonferenz gelobte er zwar (wie es sich für einen Aufseher geziemt), dass man keine Abstriche an die Resilienz des Finanzsystems machen dürfe. Aber er widmete doch einen grossen Teil seiner Rede der Frage, wie das europäische Regulierungs- und Aufsichtssystem effizienter gestaltet werden könnte, damit Europa als Finanz- und Investitionsstandort attraktiver wird, ohne das Sicherheitsniveau zu senken.

Branson plädierte dafür, die Komplexität der Regulierung zu reduzieren. «Also nicht alles bis ins letzte Detail vorgeben. Wo immer wir keine detaillierte regelbasierte Regulierung brauchen, sollten wir sie prinzipienbasiert gestalten. Das schafft Freiräume – für die Unternehmen, aber auch für uns als Aufsicht.»

Tue Gutes und sprich davon

Regulierung und auch Aufsicht sollten zudem proportionaler gestaltet werden – hierzulande würde man wohl von «verhältnismässiger» sprechen. «Also angemessen und handhabbar für Unternehmen jeglicher Grösse.»

Branson sparte dabei die eigene Behörde nicht aus. Er konstatierte, dass die BaFin in den vergangenen zwölf Monaten die Komplexität der Verwaltungspraxis gesenkt und für mehr Proportionalität und Klarheit gesorgt habe. Branson erinnerte an Erleichterungen für kleine Kreditinstitute bei Stresstrests und im Berichtswesen.

Die BaFin tut nicht nur Gutes, sondern spricht auch davon. Branson: «Ausserdem haben wir die Institute noch einmal auf Spielräume hingewiesen, die sie nutzen können – was viele zuvor nicht getan hatten. Zahlreiche Banken und Sparkassen können ihre Prozesse im Risikomanagement nun weniger aufwendig gestalten. Und zwar, ohne die wirksame Steuerung ihrer Risiken zu beeinträchtigen.» Zudem stellte er weitere Erleichterungen in Aussicht, z.B. in Bezug auf die Mindestanforderungen an das Risikomanagement der Banken.

«Unnötige Regeln abschaffen, statt daran zu feilen»

Und im Zusammenhang mit den Vorschlägen der Bafin zu einem Gesetzesentwurf klang Branson schon fast wie ein mit allen Wassern gewaschener Bankenlobbyist: «Hier stand dem hohen Aufwand der Institute nur geringer aufsichtlicher Mehrwert gegenüber. Unsere klare Empfehlung daher: abschaffen. Die Abschaffung unnötiger Pflichten ist immer besser, als daran zu feilen.»

Die Bafin werde sich auch bei der neuen Bundesregierung für weniger Komplexität und mehr Proportionalität in der Regulierung einsetzen. «Und mit Sicherheit auch in den Gremien der europäischen Aufsichtsbehörden.»

«Bereit, europäische Leitlinien in Deutschland nicht voll umzusetzen»

Auch mit Blick auf EU-Regeln verlässt Branson ausgetretene Pfade: «Wenn wir uns dort nicht durchsetzen, wären wir bereit, manche europäische Leitlinie hier in Deutschland nicht vollständig umzusetzen. Einige der EBA-Leitlinien sind aus unserer Sicht für kleine Banken zu granular. Zum Beispiel die neuen ESG-Leitlinien der europäischen Bankenaufsicht EBA. Wir werden hier nur ‹partially compliant› sein. Wir werden die Leitlinien für die weniger bedeutenden Institute nicht anwenden.» Die EBA-Leitlinien zu Prozessen und Kontrollen für die Überwachung von Finanzsanktionen würden ebenfalls nicht komplett übernommen.

Auch mit Blick auf ein von der EU immer noch mit hoher Priorität verfolgtes Ziel konnte sich der Bafin-Präsident eine Spitze nicht verkneifen: «Den Kampf gegen den Klimawandel werden wir nicht mit Berichten von Kleinbanken gewinnen.»

Vater des Kleinbankenregimes in der Schweiz

Mark Branson hatte bereits als Finma-Direktor ein sogenanntes Kleinbankenregime eingeführt, dass die Komplexität der Regulierung und Aufsicht für kleinere Institute vereinfachen und damit verhältnismässiger machen sollte.

Die Schweiz scheint in Sachen Pendelschlag der Regulierung zurzeit ein Sonderfall zu sein. Hier läuft die Diskussion um Verschärfungen und Verdichtungen, insbesondere im Bereich der Eigenmittelausstattung, offensichtlich fast ungebremst weiter – massgeblich getrieben natürlich vom solitären Desaster mit der Credit Suisse.

Der Weisheit letzter Schluss oder ein Schuss ins eigene Knie?

Aber die Frage, ob es wirklich der Weisheit letzter Schluss ist, die Schrauben für die Branche hierzulande noch stärker anzuziehen, während sie rundherum gelockert werden, stellt sich für das Parlament, die Eidgenössische Finanzdepartement und die Finma immer eindringlicher.

Vielleicht wäre ein trotziges Beharren auf dem Sonderfall Schweiz auf diesem Feld doch mehr ein Schuss ins eigene Knie.