Geneva Watch Days 2025: Fünf Meisterwerke, die bewegen
Genfs spätsommerliche Schau ist zur stadtweiten Bühne geworden. Die sechste Ausgabe der Geneva Watch Days eröffnete im Palais Eynard – mit einem Rekord von 66 Marken, von grossen Maisons bis zu Independents, und einem klaren Auftrag: die öffentliche Feier von Kreativität und Savoir-faire.
Das Programm setzt auf Zugänglichkeit. Nach dem Vorbild von TV- und Radiogitterplänen verbinden sich fixe Formate mit immersiven Auftritten und pointierten Talks; die Brücke zwischen Marken, Sammlerinnen und Sammlern, Professionals und Flaneuren am Seeufer wird spürbar breiter.
Ein bürgerliches Ereignis
Stadt und Kanton gaben zum Auftakt den Ton an: Uhrmacherei ist in Genf nicht nur Industrie – sie ist Kultur, Tourismus, Arbeitsplätze. Die Botschaft: Hier trifft sich nicht bloss eine Branche; hier zeigt sich die Stadt.
Entstanden 2020 aus der Initiative von acht Häusern, steht das Format heute als unabhängige, verbindende Plattform – getragen von Kanton und Stadt Genf, der FHH, Genève Tourisme und weiteren Partnern, flankiert von breiter, multimedialer Berichterstattung.
Der Mann im Zentrum
Viel von dieser nach aussen gerichteten Energie geht auf Jean-Christophe Babin zurück, Bulgari-Group-CEO und Präsident der Geneva Watch Days – seit Ende März (wirksam ab 1. April) zudem CEO der Uhren-Sparte von LVMH, ein Amt, das er von Frédéric Arnault übernimmt. Auftrag und Persönlichkeit geben dieser öffentlichen Schau der Uhrmacherkultur spürbaren Schub.
finews.ch hat fünf Neuheiten ausgewählt, die das Wesen der Messe treffen. Gemeinsam kartieren sie die Koordinaten der Gegenwarts-Uhrmacherei: kühne Technik, markante Materialien, hohe Handwerkskunst – und jener unabhängige Geist, der die Geneva Watch Days lebendig hält.
1. Monaco, neu konstruiert: Der Beginn des Karbon-Zeitalters
TAG Heuer Monaco Flyback TH-Carbonspring. (Bild: zVg)
TAG Heuer nutzte die Geneva Watch Days 2025 für eine echte Weltpremiere: die Monaco Flyback Chronograph TH-Carbonspring – Schaufenster einer neuen Unruhspirale aus Karbon, im eigenen TAG Heuer LAB über nahezu ein Jahrzehnt entwickelt und gefertigt. Der Fokus liegt auf Alltagstauglichkeit: höhere Resistenz gegen Magnetfelder und Stösse, geringere Masse, stabilere Gangwerte. Eine Technologie für das nächste Kapitel – kein Schaustück.
Die Uhr selbst ist eine stealthige, hochmoderne Interpretation der quadratischen Ikone: 39-mm-Gehäuse aus geschmiedetem Karbon, gleichermassen Krone und Drücker; ein Karbonzifferblatt mit graviertem Spiralmotiv, das auf die Geometrie des Oszillators anspielt. Im Inneren arbeitet das Manufakturkaliber TH20-60 – ein automatischer, COSC-zertifizierter Flyback-Chronograph mit 80 Stunden Gangreserve. Ein schwarz gummiertes Band mit Textilprägung und 100 Meter Wasserdichtheit runden die Spezifikation ab.
Die Edition unterstreicht den Meilenstein: limitiert auf 50 nummerierte Exemplare, Preis 17’000 Franken, Auslieferung ab Dezember 2025 geplant. Über die Schlagzeile hinaus setzt die TH-Carbonspring den Kurs: eine neue Generation leistungsstarker Mechanik mit spürbarem Gewinn im Alltag.
2. Wenn Marmor zu Zeit wird
30 Stück: Octo Finissimo Tourbillon Marble mit blauem Marmorzifferblatt. (Bild: zVg)
An den Geneva Watch Days 2025 setzt Bulgari seiner Kunst der Finesse ein neues Kapitel hinzu: die Octo Finissimo Tourbillon Marble in einer limitierten Ausführung mit Zifferblatt aus tiefblauem, in Italien gewonnenem Blu-Incanto-Marmor. Der römische Juwelier, der seit Jahren die Grenzen der ultraflachen Uhrmacherei auslotet, wagt sich an einen der heikelsten Werkstoffe – spröde, schwer zu zähmen, und gerade als hauchdünnes Zifferblatt eine Meisterprüfung.
Im Inneren schlägt das ultraflache Handaufzugswerk BVL 268 (Höhe 1,95 mm) mit fliegendem Tourbillon und 52 Stunden Gangreserve. Das extraflache 40-mm-Gehäuse aus Platin, kombiniert mit blauem Alligatorleder, verbindet architektonische Strenge mit poetischer Delikatesse. Technische Meisterschaft trifft römische Emotion – eine Liaison, die nur wenigen Manufakturen gelingt.
Limitiert auf 30 nummerierte Exemplare mit Blu-Incanto-Marmorzifferblatt, ist die Octo Finissimo Tourbillon Marble zugleich Material-Statement und kulturelles Zeichen. Indem Bulgari Marmor – Sinnbild für Dauer, Erinnerung und Monumentalität – in die messerscharfe Architektur der Octo integriert, bleibt die Marke, unüberhörbar, «Juwelier der Zeit».
3. Ein Gral für Geduldige
Ferdinand Berthoud Naissance d’une Montre 3. (Bild: zVg)
Kaum ein Projekt bündelt die menschliche Dimension der Uhrmacherei so wie Naissance d’une Montre 3. Sechs Jahre Arbeit, gedacht für das Handgelenk, komplett mit traditionellen Werkzeugen der 1950er/60er-Jahre gefertigt – ohne CNC, ohne digitale Assistenz – und offiziell COSC-zertifiziert. Weniger Objekt des Konsums als ein Bekenntnis zu «le temps qui instruit» – Zeit als Lehrmeister –, in der Tradition Ferdinand und Louis Berthouds.
Technisch ist die Naissance 3 atemberaubend: das Kaliber FB-BTC.FC mit Kette-und-Schnecke für konstante Kraft, einem thermo-kompensierten Bimetall-Unruhreif, zentraler Sekunde und 50 Stunden Gangreserve. 747 Einzelteile entstehen von Hand – davon 477 allein für die Kette. Das 44-mm-Gehäuse mit geschwungenen Flanken und angeschweissten Hörnern zitiert die Astronomische Uhr Nr. 3; die offen gestaltete Front zeigt die gesamte Werkarchitektur – bis hin zu gebläuten Zeigern und gravierten römischen Ziffern.
Die Seltenheit adelt: Es entstehen elf Stück – eines in Edelstahl für die Phillips-Auktion im November 2025, zehn in 18-karätigem, ethischem Gold ab 2026, gefertigt mit einer Taktung von zwei Stück pro Jahr. Nahezu 11’000 Arbeitsstunden, über 80 beteiligte Kunsthandwerkerinnen und -handwerker innerhalb der Gruppe – ein Zeitmesser als lebendiges Archiv gefährdeter Fertigkeiten.
4. Eine Ikone neu gedacht für den Alltag
Legacy Machine 101 EVO von MB&F. (Bild: zVg)
Zum 20-Jahr-Jubiläum interpretiert MB&F die 2014 lancierte Legacy Machine 101 neu. Die LM101 destilliert Mechanik auf das Essentielle: die monumentale, über dem Werk schwebende 14-mm-Unruh, die Gangreserve, die Zeit. 2025 erhält sie die «EVO-Behandlung» – gedacht nicht nur zum Betrachten, sondern für den aktiven Alltag.
Das EVO-Paket steht für spürbare Technik-Upgrades: Titangehäuse mit integriertem Kautschukband, Wasserdichtheit bis 80 Meter, verschraubte Krone und der patentierte FlexRing-Stossdämpfer zwischen Werk und Gehäuse. Unter dem gewölbten Saphirglas zeigt die LM101 EVO ein dunkel veredeltes, von Hand finissiertes Uhrwerk; die Gangreserve steigt auf 60 Stunden, das Hemmungsrad wurde neu gezeichnet, die elegante Doppelbrücke über dem Zifferblatt überarbeitet.
Zwei Titan-Editionen markieren den Auftakt – mit lachsfarbenem oder pfauengrünem CVD-Zifferblatt. Formal nicht limitiert, doch aus Kapazitätsgründen nur in wenigen Dutzend Exemplaren pro Jahr realisierbar: eine Hommage an die Geschichte und ein Statement an die Gegenwart – tragbar, robust, unübersehbar MB&F.
5. Wenn Frost zu Feuer wird
Ulysse Nardin Freak X Crystalium. (Bild: zVg)
Seit 2001 steht der Freak als Manifest der Unabhängigkeit von Ulysse Nardin: kein Zifferblatt, keine Zeiger, keine Krone – das Werk selbst zeigt die Zeit. An den Geneva Watch Days 2025 geht die Manufaktur den nächsten Schritt: der Freak X Crystalium, limitiert auf 50 Exemplare, verschmilzt avancierte Mechanik mit einer neuartigen, hochtechnischen Zierkunst.
Herzstück ist das Manufakturkaliber UN-230 mit fliegendem Karussell; Unruh, Hemmung und Spirale aus Silizium entstehen im eigenen SIGATEC-Labor. Die schwarze Brücke fungiert als Minutenzeiger, darunter dreht eine Stundenscheibe aus Crystalium – entstanden aus langsam kristallisiertem Ruthenium-Dampf. Das Ergebnis sind einzigartige, frostähnliche Strukturen, veredelt mit Roségold-PVD und feinen, von Hand aufgetragenen Schattierungen: jede Scheibe ein Unikat.
Die Bühne bildet ein schwarz DLC-beschichtetes Titangehäuse, kombiniert mit Kautschukband in «ballistic»-Textur; die Uhr bietet 72 Stunden Gangreserve und 50 Meter Wasserdichtheit. Preis: 40’000 Franken. Jenseits der Technik bleibt der Freak, was er immer war: ein Labor für die Zukunft der Uhrmacherei – disruptiv von Natur, durch Handwerkskunst veredelt.