Auch an Vontobel ging die schlechte Börsenentwicklung im ersten Halbjahr 2022 nicht spurlos vorüber. Trotzdem will CEO Zeno Staub nicht Trübsal blasen, sondern die Zeit nun für Akquisitionen nutzen.

Es ist schwere Kost, die das Schweizer Investmenthaus Vontobel dieser Tage zu verdauen hat. Das sonst so erfolgsverwöhnte Unternehmen musste im ersten Halbjahr 2022 praktisch bei jeder Referenzzahl einen Rückgang hinnehmen, wie auch finews.ch am Donnerstag berichtete. Das ist zwar nicht ein Vontobel-spezifisches Problem, denn an sich hat das Geldhaus vieles richtig gemacht, sondern ein Indiz dafür, wie negativ sich die Finanzmärkte im ersten Semester 2022 entwickelt haben.

Insofern haben die vergangenen Monate eine Entzauberung der Schweizer Banken herbeigeführt. Praktisch alle Finanzhäuser mussten in ihren Halbjahres-Resultaten Federn lassen, und offen bleibt, ob das Schlimmste bereits überstanden ist – oder eben nicht. Vontobel kam immerhin zugute, über ein relativ gut austariertes Geschäftsmodell zu verfügen.

Institutionelle reduzieren Risiken

Die starken Einbussen im Asset Management liessen sich durch die stabile, nur leicht rückläufige Entwicklung im Wealth Management absorbieren. Während die institutionellen Kunden (im Asset Management) ihre Engagements markant reduzierten und kaum mehr neue Investitionen tätigten, hielt die private Klientel eher zu Vontobel. Das zeigt sich etwa im Netto-Neugeld in dieser Sparte, das im ersten Halbjahr 2022 rund 3 Milliarden Franken betrug.

Ernüchternd war die Entwicklung im digitalen Geschäft, wo der Betriebsertrag auf 120,9 Millionen Franken absackte, nach stattlichen 165,5 Millionen Franken in der Vorjahresperiode. Das Resultat ist Ausdruck dafür, die Kunden, insbesondere im Affluent-Bereich, nun ausgesprochen abwartend eingestellt sind und entsprechend neue Investments scheuen. Für die erst im vergangenen Mai lancierte Investment-App «Volt by Vontobel» ein unglücklicher Startzeitpunkt.

Ausserst seltene Situation in fünf Jahrzehnten

Vontobel-Chef Zeno Staub geht vorläufig nicht von einer Entspannung der Situation aus, wie er am Donnerstag gegenüber den Medien erklärte. Zu denken gibt ihm unter anderem die Tatsache, dass «in den zurückliegenden fünf Jahrzehnten es nur vier Mal die Situation an den internationalen Kapitalmärkten gab, dass sowohl die Kurse an den Aktienmärkten wie auch an den Bondmärkten einbrachen».

Ungeachtet des aktuellen Umfelds zeigte er sich aber zuversichtlich, die Mittelfristziele 2022 über einen Zyklus hinweg zu erreichen – «wenngleich wir für die nähere Zukunft von einem unverminderten Preisdruck und schwierigen Märkten ausgehen», wie er weiter sagte.

Seinen Fokus will er künftig auf grosse etablierte Märkte legen, zu denen die Schweiz, Deutschland, Italien und Grossbritannien gehören – und die USA, wo Vontobel nach der Akquisition der UBS-Einheit für US-Kunden und qualifizierte kanadische Anleger im vergangenen Dezember grosse Ambitionen hegt, wie Staub betonte. Die Integration dieser Firma namens UBS Swiss Financial Advisers (SFA) in die Vontobel Swiss Wealth Advisors (VSWA) soll im dritten Quartal 2022 abgeschlossen werden, wie weiter zu erfahren war.

Akquisition in Europa

Der aktuellen Situation vermag Staub allerdings auch eine gute Seite abzugewinnen. Wie er gegenüber finews.ch erklärte, bestünden derzeit gute Möglichkeiten sowohl für die Akquisition von Teams an Kundenberatern anderer Banken bis hin zu Übernahmen ganzer Firmen.

Letzteres nicht in der Schweiz, da man mit der übernommenen Notenstein Privatbank bereits ausreichend präsent sei, aber in den ausländischen Kernmärkten Deutschland, Italien und Grossbritannien. «Natürlich kaufen wir nicht zu jedem Preis, und wir achten auch darauf, dass eine allfällige Akquisition wertgenerierend ist», so Staub. Doch die Ansage ist unmissverständlich.

Investorentag im November 2022

Darüber hinaus will Staub – wie andere Privatbanken auch – die Kapazitäten im Bereich «Private Markets» ausbauen, zumal die Renditen an den klassischen Finanzmärkten bis auf weiteres eher tiefer als bisher ausfallen dürften. Privatmarkt-Anlagen winken.

Wie sich Staubs Pläne weiter entwickeln werden, wird sich am 10. November 2022 zeigen, wenn Vontobel auf einem Investorentag über die fortgeschriebenen Mittelfristziele und neuen Prioritäten bis 2024 sowie über den Geschäftsverlauf in den ersten neun Monaten 2022 informieren wird.

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