«Allein kriegen die Banken die Erneuerung der Anreizsysteme nicht hin»
In der Finanzwelt ist es eines der Themen, die bei Diskussionen zu den sicheren Werten in der Aufreger-Liste zählen: das Anreiz- bzw. Inzentivierungssystem des eigenen und natürlich auch das von anderen Arbeitgebern. Dabei werden Anreize meist mit Boni gleichgestellt, also mit einem geldwerten Entgelt für besondere Leistungen der Angestellten.
Auch in der breiteren Öffentlichkeit ein Dauerbrenner ist das Bonussystem für das Topmanagement der Banken – die Inzentivierungsstruktur ist sogar ein Faktor für die Finanzstabilität, wie etwa die geplante Einführung eines Verantwortlichkeitsregimes im Rahmen der verschärften Too-big-to-fail-Regulierung als Reaktion auf das Credit-Suisse-Debakel zeigt. Das neue Senior Manager Regime sieht nämlich als Sanktionen die Rückforderung bereits ausbezahlter variabler Vergütungen oder Bonuskürzungen vor.
Mitarbeiter ohne Führungsfunktionen sind zentral
Christina Block, Senior Manager bei der Strategie- und Managementberatungsgesellschaft Zeb, plädiert im Gespräch mit finews.ch für einen breiteren Ansatz, und zwar gleich in dreifacher Hinsicht.
«Es geht nicht nur um die Geschäftsleitung, sondern auch um die vielen Mitarbeiter ohne Führungsfunktionen, die letztlich zu einem grossen Teil für die Umsetzung einer Strategie und damit den Geschäftserfolg eines Unternehmens verantwortlich sind», hält sie erstens fest.
Gesunde Leistungskultur braucht starke Teams
Zweitens unterstreicht sie die Bedeutung von Teamzielen: «Rein individuelle Bonussysteme, allenfalls garniert mit einer vom Gesamtergebnis des Unternehmens abhängigen und damit vom einzelnen Mitarbeiter kaum beeinflussbaren Komponente, fördern das Einzelkämpfertum und unter Umständen auch Fehlverhalten. Damit wirklich eine gesunde Leistungskultur entsteht, müssen starke Teams aufgebaut werden. Deshalb sind parallel zu den individuellen auch verbindliche Ziele für das Team festzulegen.»
Und drittens beschränken sich Anreize nicht zwangsmässig nur auf monetäre Werte. «Insbesondere für die jüngere Generation sind auch andere Formen der Inzentivierung relevant, beispielsweise mit Blick auf die Flexibilität bei der Erfüllung der eigenen Aufgaben.»
Von der Grossbank bis zum Fintech
Block ist zwar in Deutschland stationiert, agiert aber regelmässig aus Zürich heraus und kennt sich mit den hiesigen Gepflogenheiten bestens aus. Sie hat an der HSG studiert und dann fünf Jahre für eine andere Beratungsfirma in der Schweiz gearbeitet. Sie ist bei Zeb für den Schweizer Markt verantwortlich (der Berater hat auch in Zürich eine Dependance) und leitet ein Team von 80 Mitarbeitern. Sie hat mit Kunden zu tun, welche die ganze Breite der Finanzindustrie spiegeln: von der Grossbank über Kantonalbanken bis hin zu Fintechs.
Gehören die Motivation und Führung der Mitarbeiter, die Entwicklung einer Leistungskultur und damit die Ausgestaltung und Umsetzung von Anreizsystemen nicht zu den ureigensten Kernaufgaben des Managements? Wenden sich somit Unternehmen primär dann an Zeb, wenn sie diesbezüglich Probleme bekunden?
Anspruchsvoll: Aufbau einer High-Performance-Organisation
Block, die lieber von Optimierungen als von Problemen spricht, bestätigt, dass eine neue Unternehmensstrategie, Fusionen, Übernahmen oder Restrukturierungen oft Auslöser für ein Mandat sind. «Der Aufbau einer nachhaltigen High-Performance-Organisation ist anspruchsvoll, und dabei ist der Blick von aussen wichtig. Zudem verfügen wir mit mehr als 1’000 Beratern in Europa über sehr viel Erfahrung mit der Finanzindustrie.»
Eine weitere Stärke von Zeb ist das bereits erwähnte hybride Inzentivierungsmodell mit Zielen für das Team sowie den Einzelnen – und der gute Track Record mit diesem Ansatz. «Allein kriegen die Banken diese notwendige Erneuerung der Anreizsysteme nicht hin», hält Block fest und kommt dann gleich auf einen wunden Punkt zu sprechen.
Wunder Punkt: Konsequente Umsetzung
«Ein sehr wichtiger Stellhebel ist die Umsetzung. Das perfekte Inzentivierungssystem taugt wenig, wenn es in der Praxis nicht durchgezogen wird.» Und das ist ziemlich oft der Fall.
Paradebeispiel ist ein Mitarbeiter, der seine individuellen Ziele bravourös erreicht, aber keinen Beitrag zur Erfüllung der Teamziele leistet. «Da braucht es dann mitunter von den Vorgesetzten schon etwas Standhaftigkeit, einem Super-Verkäufer klarzumachen, dass auch das Team zählt», berichtet Block aus ihrem Berufsalltag. Ihr Credo: «Ein gutes System muss für alle fair und in den Grundzügen nachvollziehbar sein – und dafür ist eine konsequente Umsetzung zentral.»
Fairness ist wichtiger als Purpose
Fairness scheint ein Kriterium zu sein, das Bestand hat. Ein anderer Begriff aus dem Reich des Human Ressources, der noch vor fünf Jahren sehr häufig zu hören war, hat hingegen an Gewicht verloren: «Purpose». Block: «Damals haben alle gedacht, dass der Purpose der Grund ist, weshalb Menschen ihre Arbeit gerne machen.»
Aber in der Realität der Finanzindustrie haben sich die Grenzen dieses Konzepts rasch gezeigt. «Ich stehe nicht am Morgen auf und motiviere mich, indem ich mein Purpose aufsage.» Purpose, also das Wissen oder das Gefühl, etwas für die Gesellschaft Nützliches zu tun, ist gemäss Block für die Leistung wenig relevant, aber im Zusammenhang mit dem Bewusstsein, der Unternehmenskultur und der Bindung der Mitarbeitenden durchaus eine bedeutende Grösse.
















