Mehr als 2'000 unabhängige Vermögensverwalter gibt es in der Schweiz. Doch nur ein Bruchteil davon hat bis jetzt eine Lizenz beantragt, um im nächsten Jahr überhaupt noch tätig zu sein. Wie kann das gut gehen?

Als sich die Allianz der (grössten) Schweizer Vermögensverwalter (ASV) vor rund zwei Wochen zu ihrem Corona-bedingt verspäteten, fünfjährigen Bestehen im Zürcher Nobelhotel Park Hyatt feierte, kam es zu einem denkwürdigen Moment.

Ana Maria Montero, die Moderatorin des Abends, fragte die Anwesenden nämlich, wer schon eine Finma-Lizenz besitze oder zumindest beantragt habe. Das Resultat war ernüchternd: Bestenfalls ein Viertel der Teilnehmenden streckten den Arm in die Höhe.

Rätselhafte Momentaufnahme

Diese Momentaufnahme offenbart wohl das derzeit grösste Rätsel auf dem hiesigen Finanzplatz. Denn bis Ende dieses Jahres müssen alle unabhängigen Vermögensverwalter (External Asset Managers, EAM) – vereinfacht gesagt – eine Bewilligung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (Finma) besitzen, um ihre Geschäftstätigkeit ab 2023 fortzusetzen.

Tatsächlich hat sich bis heute nur eine verschwindende Minderheit um eine solche Lizenz bemüht. Wie neuste Zahlen der Finma zeigen, sind 10 bis 20 Prozent der insgesamt knapp 2'200 EAMs in der Schweiz, die aktuell im Besitz einer solchen Bewilligung sind oder auf dem Weg dahin.

Im Wissen, dass den übrigen Akteuren nun noch knapp acht Monate Zeit zur Verfügung stehen, und es bis zum Erhalt der Bewilliung in der Regel 120 bis 180 Tage dauert, ist die Situation erklärungsbedürftig.

Lethargie einer Generation

Selbst die Finma nimmt diese Entwicklung mit einer gewissen Verwunderung zur Kenntnis, zumal sie personelle Ressourcen aktiviert hatte, um einem allfälligen Ansturm gewachsen zu sein – der jedoch nicht eingetreten ist. Wird sich das in den nächsten Wochen ändern? Eine Prognose findet sich am ehesten in der Analyse, weshalb es überhaupt so kommen konnte.

Für die Lethargie der EAM gibt es verschiedene Gründe. Ein wichtiger ist sicherlich das Alter vieler Vermögensverwalter. Sie gehören einer Generation an, die vor allem in den «goldenen» 1990-Jahren ihren Auftrieb erlebte. Damals stand das klassische Private Banking noch in voller Blüte, so dass sich unternehmerische Bankkundenberater – mitsamt ihren Kunden – leicht selbständig machen konnten.

Paare finden sich selten

Inzwischen gehen diese Protagonisten gegen die 60 zu oder sind es bereits. Sie fragen sich verständlicherweise, «soll ich diesen Türk wirklich noch über mich ergehen lassen?». Die Antwort dürfte bei manchen negativ ausfallen. Sie hoffen vielmehr, dass sie sich noch ein paar Jahre «durchwursteln» können, um dann ihr Geschäft abzuwickeln oder im Idealfall zu verkaufen.

Dieses «Verkaufen» hat bis heute kaum in dem Ausmass stattgefunden, wie es seit Jahren prognostiziert wird. Die viel gepriesene Konsolidierung begann bestenfalls in diesem Jahr mit einem Dutzend Übernahmen oder Zusammenschlüssen, wie auch finews.ch verschiedentlich berichtete.

Vom «Big Bang» ist man noch weit entfernt. Eine Antwort dafür liefert Ariel Davidoff, Verwaltungsratspräsident der WMZ Holding, einem in Zürich Unternehmen, das Vermögensverwalter berät und unterstützt: «Die Konsolidierung hat noch nicht an Fahrt aufgenommen. Ich sehe, dass viele Gespräche stattfinden, aber Paare finden sich selten.»

Kostspieliger Prozess

Die Zögerlichkeit hängt unter anderem mit dem Regulierungsverdruss zusammen, den viele EAM empfinden. Als selbständig und unternehmerisch denkende Menschen ist es ihnen ein Gräuel, sich dem «staatlich verordneten» Bewilligungsprozess zu unterziehen, zumal man vor der Eingabe bei der Finma, sich auch noch einer Aufsichtsorganisation (AO) anschliessen muss. Und der gesamte Prozess ist mit einigen Kosten verbunden.

Tatsächlich dürfte dieser (Kosten-)Faktor ein wichtiger Grund für die aktuelle Situation sein. Viele EAM sind im Unklaren darüber, wie teuer ihnen eine Finma-Lizenz zu stehen kommt. Die Zahlen reichen von 15'000 Franken bis 100'000 Franken, wie Daniel Dzialowy erklärt, Gründer der Firma Wealth Management Zürich, einem Unternehmen, die EAM bei der Erlangung einer Finma-Lizenz unterstützt. Abhängig sei dies von der Komplexität des jeweiligen Geschäftsmodells.

Entscheidungsdruck nimmt zu

Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Grund für die Zurückhaltung vieler EAM dürfte auch darin liegen, dass manche Firmen eine unternehmerische Veränderung vollziehen oder gerade vollzogen haben; organisatorisch waren sie darum bisher nicht in der Lage, ein Gesuch für eine Lizenz zu stellen, wie Nicole Curti, Partnerin bei Stanhope Capital, erklärt. Stanhope Capital fusionierte Ende 2020 mit der Firma FWM Holdings, der Investment-Boutique der Verlegerfamilie Forbes, und musste sich entsprechend neu organisieren.

Schliesslich dürfte es in der Natur des Menschen liegen, dass die Gesuche bislang nur tröpfchenweise bei der Finma eingegangenen sind – dass nämlich viele Leute das Notwendige erst in letzter Minute erledigen. Weshalb sollten EAM anders handeln? Dzialowy rechnet bis Ende Juni 2022 mit einer wachsenden und danach massiv steigenden Nachfrage. «Spätestens dann müssen sich die unabhängigen Vermögensverwalter entscheiden, wie sie die Sache anpacken wollen», sagt er.

Ein Drittel verschwindet

Das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass die Schweiz unmittelbar vor der grössten Bereinigung im EAM-Sektor steht. Eine 2019 publizierte Studie der Hochschule Luzern (HSLU) besagt, dass von den knapp 2'200 unabhängigen Vermögensverwaltern in der Schweiz bis zu 700 – oder fast ein Drittel – verschwinden werden.

Trotz weniger Akteure wird die Branche jedoch kaum an Bedeutung verlieren. Ähnlich verhält es sich mit den Privatbanken schon seit Jahren; ihre Reihen haben sich massiv gelichtet, doch die verwalteten Kundenvermögen haben nicht angenommen. Für den persönlichen Service der EAM dürfte es in Zukunft sogar noch mehr Nachfrage geben, zumal die grossen Banken ihr Angebot für kleinere und mittelgrosse Privatkunden zunehmend standardisieren respektive digitalisieren.

Anlaufstelle für ‹unglückliche› Banker

«Die Erteilung der Bewilligung stellt einen Wendepunkt in unserer Firmengeschichte dar, sagt Gregor Ackermann, COO der Firma Avalor. «Wir sind nun erstmals im selben Gesetzesgefüge wie die Banken reguliert, was unserer Berufsgattung deutlich mehr Gewicht verleiht.»

Für Sacha Fedier, CEO der Zürcher Firma VT Wealth Management, stellt die Finma-Lizenz auch eine Profilierungschance dar. «VT Wealth Management ist damit in der Lage, ‹unglücklichen› Bankern oder unabhängigen Vermögensverwaltern, die in ihrer derzeitigen Position keinen Fortschritt mehr spüren, ein neues Zuhause zu bieten – ein Zuhause, wo das Swiss Private Banking nicht nur Teil der DNA ist, sondern auch respektvoll gelebt wird», unterstreicht Fedier – und will damit Talenten die Tür öffnen.