Tiefe Stimmen schinden mehr Eindruck, im Beruf wie privat. Lohnt es sich für Frauen daher, die eigene Stimme zu verstellen? 

Wir Menschen mögen tiefe Stimmen. Viel mehr als hohe. Schon 2012 hat eine im Journal «PLOS One» veröffentlichte Studie gezeigt, dass männliche wie weibliche Führungskräfte mit tieferen Stimmen im Allgemeinen sowohl von Männern als auch von Frauen bevorzugt werden.

Woran das liegt, weiss niemand genau. Eine laut der «New York Times» verbreitete Theorie ist, dass nach der Erfindung des Phonografen die Technik derart männlich ausgerichtet war, dass höhere Stimmen nur mit Verzerrung wiedergegeben wurden. Dies habe dazu geführt, dass sich tief im Bewusstsein des Menschen eingeprägt habe, dass mit höheren – sogenannt «schrillen» Stimmlagen etwas nicht stimmt.

Professor Tom McEnaney erklärte: «Es gab einen Bias in der Technik. Dieser Bias in der Technik erzeugte eine akustische Verzerrung, die fälschlicherweise mit Frauenstimmen in Verbindung gebracht wurde, und dann benutzten die Zuhörer, selbst nach dieser Korrektur, diese Assoziation als Rechtfertigung für ihr anhaltendes Vorurteil gegen Frauenstimmen.»

Tiefere Stimme = Mehr Geld

Eine tiefe Stimme zu haben kann sich auch finanziell lohnen: 2013 zeigte eine Studie der zur Duke Universität gehörenden Fuqua School of Business, die 792 CEOs aus dem S&P 1500 Index untersucht hat, dass CEOs mit tieferen Stimmen dazu neigen, grössere Unternehmen zu führen, mehr Geld zu verdienen und länger im Unternehmen zu bleiben.

Ob Elizabeth Holmes diese Studie auch gelesen hat, ist unklar. Die Unternehmerin, die nächstes Jahr wegen einem mutmasslich massiven Betrug mit ihrem Milliarden-Startup für Bluttests namens Theranos vor Gericht stehen wird, ist auch für ihre tiefe Stimme bekannt. Gerüchten aus der Presse – die von der Familie dementiert wurden – zufolge soll sie diese Stimmlage erst seit ihrer Zeit als Unternehmerin haben und diesen Umstand ab und an im Alkoholrausch vergessen.

Auch die ehemalige britische Premierministerin Margaret «Maggie» Thatcher, von Moskau auf den von ihr geliebten Namen «Eiserne Lady» getauft, war bekannt dafür, ihre Stimme absichtlich um eine halbe Oktave gesenkt zu haben.

Akzeptanz gefragt

Sollten sich also Frauen ein Beispiel am Holmes und Thatcher nehmen, und ihre Stimmen extra tiefer trainieren, um im Geschäftsleben erfolgreicher zu sein?

Die amerikanische Fortune-Journalistin Kristen Bellstrom findet in ihrem Newsletter deutliche Worte: «So sehr wir es auch versuchen mögen, Frauen werden nie wirklich wie Männer klingen. Der Versuch, sie nachzuahmen, wird das Problem also nie wirklich lösen - er gibt nur den schwarzen Peter an die nächste Generation von Frauen weiter.»

Stattdessen sei es vielleicht an der Zeit, unsere echten Stimmen zu akzeptieren und das Konzept in Frage zu stellen, dass der Klang von Kraft und Kompetenz etwas mit der Tonhöhe zu tun haben soll.

Stimme wird tiefer

Das Problem könnte sich – hier vielleicht ein Augenzwinkern – auch von selbst lösen. Denn wie eine grossangelegte Studie der Leipziger Universitätsklinik – in deren Rahmen 2500 Personen zwischen 40 und 80 Jahren untersucht wurden – vor ein paar Jahren ergeben hat, ist die Tonlage der weiblichen Stimme in den letzten 20 Jahren massiv gesunken.

Bis dahin gingen die Forscher davon aus, dass die Stimme der Frau eine ganze Oktave – also acht Tonstufen – höher sei. Oder wie Michael Fuchs, Leiter der Sektion für Phoniatrie und Audiologie an der Leipziger Universitätsklinik nach der Studie dem «Tagesspiegel» erklärte: «Die männliche Stimme liegt weltweit im Durchschnitt bei 110 Hertz, die der Frauen bei 220 Hertz.» 

Nun hat sich aber gezeigt, dass die weibliche Tonlage im Schnitt nur noch auf etwa 165 Hertz liegt, womit die Differenz nur noch gerade eine halbe Oktave beträgt. Und auch hier, anatomische Gründe kennt niemand. Würde man aber einen Soziologen fragen, wäre der der Ansicht, dass die Ursache im veränderten Rollenbild der Frau liegt, dass sie selbstständiger, selbstsicherer und selbstbewusster geworden ist.