Topmanager, die nicht sieben Stunden Schlaf pro Nacht bekommen, riskieren ihre Gesundheit, sagt Annastiina Hintsa. Schweizer Banken müssen das Wohlbefinden der Angestellten zur Strategie erklären.


Annastiina Hinsta, was haben Banker und Formel-1-Fahrer gemeinsam?

In beiden Bereichen erbringen Menschen unter Druck über längere Zeit Höchstleistungen. Die Formel 1 ist ein Zirkus – das ständige Reisen, der dichte Terminplan. Das dürfte auch Topmanagern in der Finanzbranche nicht fremd sein. Man fällt Entscheidungen mit weitreichenden Konsequenzen, während man unter Jetlag leidet und jede Nacht an einem anderen Ort schläft.

Was hat das für Auswirkungen?

Studien zeigen, dass die mentale Leistungsfähigkeit von Managern in fordernden Jobs zu Beginn der Arbeitswoche deutlich höher ist und gegen Ende der Woche konstant abnimmt. In einer Kontrollgruppe sah man im Gegensatz dazu regelmässige Schwankungen während der ganzen Woche. Der wichtigste Treiber ist der Schlaf, welcher in einem negativen Verhältnis zur Dauer des Arbeitstages steht.

Die Finanzwelt steht allerdings nie still: Zwischen Hongkong und New York beträgt der Zeitunterschied 13 Stunden. 

Ja, aber ich war trotzdem schockiert, als mir erfahrene Manager erzählten, es sei in ihren Augen normal, sich mitten in der Nacht in ein Konferenzgespräch einzuwählen. Wir sind der Ansicht, dass solches Verhalten zu einem konstanten Jetlag-Zustand führt, der langfristig schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesundheit und die geistige Leistungsfähigkeit haben wird. 

Wie äussert sich das im Alltag?

Die Entscheidungskompetenz leidet. Wenn man müde ist, schiesst man tendenziell öfter aus der Hüfte. Wir glauben, dass man nicht die bestmögliche Performance bringen kann, wenn man nicht zu sich schaut und sich gesund fühlt – selbst wenn im Moment vielleicht noch alles gut läuft. Möglicherweise stimmt auch die Leistung im Beruf, allerdings auf Kosten des Privatlebens. Viele Leute zahlen einen hohen Preis. 

Wäre es für Banken und HR-Abteilungen nicht bequemer, diesen persönlichen Preis zu ignorieren? 

Ich würde sagen, dass sich das in den vergangenen drei Jahren verändert hat, selbst in der Schweizer Finanzindustrie. Manche Firmen denken weiter in die Zukunft, als man erwarten würde, oder nehmen sogar zu einem gewissen Grad eine Rolle als Vordenker ein. Diese Firmen sehen Gesundheit und Wohlbefinden nicht nur als HR-Aktivität, sondern als strategische Notwendigkeit. 

Warum?

Der Hauptgrund ist, dass wir inzwischen die Abnahme der Leistung in Prozent eruieren können. Davon fühlt sich die zahlenbessessene Finanzindustrie angesprochen. 

Nun ist Schlafmangel für junge Investmentbanker aber eine Art Auszeichnung.