Warner sehen sich bestätigt – die Betrugsfälle rund um die Corona-Notkredite des Bundes häufen sich. Die rege Meldetätigkeit der Banken macht dabei den Behörden zu schaffen.

Der Missbrauch von Corona-Notkrediten ist nach der offiziellen Lesart die Ausnahme. So sah es der Bund im vergangenen Mai, als von rund 109 Ungereimtheiten auf 100'000 Kredite die Rede war; und so berichtete es die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) letzten Monat, als sie bei der Überprüfung 94'000 Notkrediten schon 400 konkrete Indizien für mögliche Missbrauchs-Tatbestände feststellte – mit einem Gegenwert von 88 Millionen Franken.

Gemessen an der Stichprobe, die 75 Prozent der bis Mitte Mai gesprochenen Bürgschaften umfasst, sind das immer noch weniger als 1 Prozent. Aber Forensik-Experten sehen sich in ihren Befürchtungen bestätigt. «Bezüglich der missbräuchlichen Verwendung der Covid-19-Notkredite erfüllt sich unsere Erwartung leider mehr und mehr», sagt Veit Bütterlin von der Beratungsfirma Alix Partners in Zürich.

Hohe Dunkelziffer

Gegenüber finews.ch warnte der Profi im Aufspüren von Finanz- und Wirtschaftskriminalität schon letzten Mai, dass eine Zweckentfremdungs-Rate von 10 Prozent bei solchen staatlichen Programmen zu erwarten sei. Bütterlin hilft Schweizer Banken, die im Auftrag des Bundesrats die Corona-Milliarden unter die Unternehmen bringen, bei der Aufrüstung und Justierung ihrer Compliance-Systeme.

Er berichtet, dass die Staatsanwaltschaften der Schweizer Kantone mittlerweile viele Verdachtsfälle bearbeiten. «Jenseits davon gehen wir von einer materiellen Dunkelziffer nicht erkannter Betrugsfälle aus», so Bütterlin weiter. 

Überforderte Staatsanwälte?

Eine Umfrage bei diversen Staatsanwaltschaften stützt Bütterlins Beobachtungen. So befasst sich die Genfer Staatsanwaltschaft mit rund zehn Verdachtsfällen. In Basel-Stadt sind im Bereich Betrug bei Covid-19-Hilfskrediten rund ein Dutzend Fälle hängig. Die Schadenssumme beläuft sich dort auf etwa 2,5 Million Franken. Derweil sind der Staatsanwaltschaft des Kantons St.Gallen elf Verfahren bekannt. Die Spanne der erwirkten Kreditbeträge reicht von 30'000 bis 145'000 Franken. Meist täuschten die Beschuldigten einen überhöhten Umsatz vor.

Im Kanton Zürich heisst es, dass sich seit Ende März die Verdachtsfälle von betrügerisch gestellten Anträgen für Kreditvergaben im Zusammenhang mit der Covid-Verordnung des Bunderates häufen. Die Kantonspolizei Zürich hat in enger Zusammenarbeit mit der Zürcher Staatsanwaltschaft in rund 30 Fällen Ermittlungen aufgenommen. Vergangenen Juni hat die Kantonspolizei Zürich in Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft Limmattal/Albis in den Kantonen Aargau, Zug und Zürich fünf Personen wegen des Verdachts auf Covid-Kreditbetrug verhaftet.

Die Behörden in Wirtschaftszentren wie Zürich sind dabei gerüstet, um der Welle von Verdachtsfällen zu begegnen. In Ermittlerkreisen wird jedoch vermutet, dass die die Staatsanwaltschaften kleinerer Kantone mit Zahl und Art der Fälle überfordert sind.

Offshore-Banking im Risiko

Tricksereien beim Umsatz sind dabei verbreitet; laut der EFK-Erhebung lag bei jeder zehnten Bürgschaft der deklarierte Umsatz um mehr als 25 Prozent über jenem, der für die Deklaration der Mehrwertsteuer angegeben wurde. Am häufigsten seien Falschangaben zum Umsatz, sagt auch Bütterlin von Alix Partners. Aber es gebe auch in der Schweiz Fälle, hinter denen die organisierte Kriminalität steht.

Notkredite an mafiöse Banden aus Ost- und Südeuropa: das ist sicher nicht Zweck der Übung gewesen und ein Reputationsrisiko für die Schweizer Banken, welche die Kredite vergeben. Hinzu kommt die Gefahr, dass der Offshore-Platz Schweiz für die Geldwäsche von zweckentfremdeten Notkrediten aus dem Ausland verwendet wird.

Meldung schon bei niederschwelligem Verdacht

Das ist ein Risiko, dass die Schweizer Geldhäuser ungerne auf sich nehmen. Deshalb melden sie, was das Zeug hält, und testen damit das System zur Abwehr von Betrug und Geldwäscherei zusätzlich. «Gerade grössere Institute machen dabei oft vom Melderecht Gebrauch – sie melden also auch oft bei eher niederschwelligem Verdacht», beobachtet Bütterlin.

Entsprechend steigt der Druck auf bei der Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) beim Bundesamt für Polizei (Fedpol). Dort mangelte es schon zuvor nicht an Arbeit. Bei der Geldwäscherei-Stelle haben die eingehenden Verdachtsfälle in den letzten Jahren stark zugenommen, MROS müsse viel mehr Fälle bearbeiten, berichtet Bütterlin weiter. Eine Antwort auf eine entsprechende Anfrage beim Fedpol steht derzeit noch aus.

Wo die nächsten Affären lauern

Und bereits blicken die Ermittler weiter. Wenn ab dem 31. Juli voraussichtlich keine weiteren Kreditgesuche mehr eingereicht werden können, dürfte ein neues Feld für unlautere Methoden ins Rampenlicht rücken. Insidern zufolge könnte es im Beschaffungswesen für sehr gefragte Hilfsgüter – Masken, Medikamente, medizinisches Gerät – zu weiteren Betrügereien gekommen sein. Die Banken tun gut daran, auch gegenüber solchen Akteuren auf der Hut zu sein.

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