Während die vermeintlich ganz grosse Gold-Hausse eingesetzt hat und sich das gelbe Edelmetall einem Preis von 2'000 Dollar pro Unze nähert, hat eine Schweizer Privatbank die Hälfte ihrer Goldbestände verkauft. Was ist geschehen?

Die Gründe für die seit Monaten anhaltende Gold-Hausse sind hinlänglich bekannt. Dazu gehören die grosse Ungewissheit hinsichtlich der Corona-Pandemie, der verschärfte Handelskonflikt zwischen den USA und China, die hohen Bewertungen an den Finanzmärkten sowie die anhaltenden Tief- oder gar Negativzinsen.

Vor diesem Hintergrund nähert sich der Preis für eine Unze des gelben Edelmetalls immer mehr der psychologisch bedeutsamen Rekordmarke von 2'000 Dollar (am heutigen Mittwochmorgen 1'958 Dollar).

Anderer Meinung

Viele Finanzexperten sind sich einig, dass die Hausse noch länger anhalten dürfte. Bereits werden für die nächsten Monate Niveaus von 2'200 Dollar oder gar 3'500 Dollar kolportiert. Anders sieht das Samy Chaar, der Chefökonom der Genfer Privatbank Lombard Odier.

Er hat ein anderes Szenario vor Augen, das ihn und sein Team dazu bewogen hat, die Hälfte der Goldpositionen seines Arbeitsgebers dieser Tage zu veräussern, wie er in einem Interview mit dem amerikanischen Wirtschafts-TV-Sender «CNBC» erklärte. 

Schwierige Situation

Chaar, ein besonnener und weitum respektierter Ökonom, bestreitet zwar nicht, dass in der aktuellen Situation sehr viel für Gold spricht. Was ihn jedoch irritiert, sind die derzeit negativen langfristigen Realzinsen in den USA (-1 Prozent), die seiner Meinung nach nicht der wirtschaftlichen Realität entsprächen. Die Amerikaner seien derzeit in einer höchst schwierigen Lage, sie hätten die Corona-Pandemie nicht im Griff und seien mit zahlreichen Problemen konfrontiert.

Doch irgendwann werde sich die US-Wirtschaft wieder erholen, so dass dann auch die Realzinsen nachziehen würden, sagte Chaar. Und im Umfeld steigender Zinsen verliert Gold zwangsläufig seine Bedeutung respektive einen Teil seines Wertes, da andere Vermögenswerte wieder attraktiver werden. Insofern ist der Goldabbau im Hause Lombard Odier eine erste Gewinnmitnahme, die nicht gänzlich ignoriert werden sollte.