Das Parlament hat die Schweiz auch auf Gesetzesstufe zu einer globalen Blockchain-Leaderin gemacht. Welche Chancen die Vorlage bietet, erklärt Adrian Schatzmann für die Bankiervereinigung.

Simon RueschDer Beitrag stimmt von Simon Rüesch, Public Affairs Manager, Schweizerische Bankiervereinigung, und Adrian Schatzmann, strategischer Berater (Bild unten)

Die vom Parlament verabschiedete Vorlage schafft endlich Rechtssicherheit für Anwendungen der Distributed Ledger Technology (DLT) im Finanzbereich. Sie eröffnet die Chance, dass sich die Schweiz als ein führender Standort für DLT-Unternehmen weiterentwickeln kann. Gleichzeitig gewährleistet sie die Integrität sowie die gute Reputation des Finanz- und Wirtschaftsplatzes Schweiz. Damit erlaubt sie die Fortführung, gar die Intensivierung der Arbeiten an zahlreichen vielversprechenden Projekten.

Die Anwendung der DLT wird in der Finanzindustrie zum Beispiel bei der Tokenisierung von Vermögenswerten für den Handel (Swiss Digital Exchange – SDX) oder auch im Trade Finance geprüft. Trade Finance ist ein äusserst papierlastiges und klassisches Zug-um-Zug-Geschäft. Der traditionelle Prozess ist durch die vielen involvierten Parteien stark verlangsamt. Die Transaktionsdauer wird durch den Einsatz der DLT massiv reduziert.


Unter einem Token versteht man im Zusammenhang mit der DLT die digitale Abbildung eines Vermögenswertes inklusive der mit diesem verbundenen Rechten und Pflichten. Diese Abbildung erfolgt oft auf einer spezifischen Ausprägung der DLT, der Blockchain, die wiederum nichts anderes als die kontinuierlich erweiterbare Liste von Datensätzen, «Blöcke», ist, die mittels kryptographischer Verfahren miteinander verkettet und verschlüsselt sind. Die Finma unterscheidet zwischen Zahlungs-Token (z.B. Bitcoin), Nutzungs-Token (Zugang zu einer digitalen Nutzung oder Dienstleistung) und Anlage-Token (Aktien, Obligationen, Derivate oder auch Immobilien und andere Sachwerte, wie z.B. Kunst)


Adrian SchatzmannMit der DLT-Vorlage wurde kein separates «DLT-Gesetz» geschaffen, sondern es wurden gezielte punktuelle Anpassungen in bestehenden Rechtsstrukturen, insbesondere beim Wertpapierrecht, beim Finanzmarktinfrastrukturgesetz und beim Schuldbetreibungs- und Konkursrecht vorgenommen. Dies erlaubt, eine sich in rasanter Entwicklung befindenden Technologie bei Bedarf flexibel in den Schweizer Rechtsrahmen zu integrieren.

Token erfüllen ähnliche Funktion wie Wertpapiere

Dank der DLT-Vorlage wurde Rechtssicherheit in zahlreichen, für die Finanzindustrie zentralen Bereichen geschaffen: Unter anderem wird sichergestellt, dass das Geldwäscherei- und das Finanzdienstleistungsgesetz auch für DLT-Marktteilnehmer gelten und diese, dank Anpassungen im Finanzmarktinfrastrukturgesetz, regulatorisch und aufsichtsrechtlich integriert werden.

Auch wird mit Anpassungen am Wertpapierrecht dafür gesorgt, dass die als Register-Wertrechte ausgestalteten Anlage-Token eine «wertpapier-ähnliche» Funktion erfüllen können. Dank der Anpassung des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts besteht zudem neu für Token ein Aussonderungsanspruch.

Schweizer Konsens-System – ein Katalysator

Die Schweiz wird oft als Konsens-Demokratie bezeichnet, deren politische Mühlen etwas langsam mahlen. Das Beispiel der DLT-Vorlage zeigt, dass genau dieses – manchmal träge anmutende Konsens-System – auch Vorteile bietet, die unter gewissen Umständen als Katalysatoren wirken können. Statt Machtausübung durch eine bestimmte Mehrheit, steht das Finden eines Konsenses und damit der konstruktive Dialog unter allen politischen Akteuren im Fokus.

Durch diesen stetigen Dialog etablieren sich stabile und offene Kommunikationskanäle. Dadurch können sich alle nachhaltig engagierten politischen Akteure frühzeitig und fortlaufend einbringen. Die DLT-Vorlage ist hierfür ein Musterbeispiel.

Behörden, Politik und Branche – Austausch hat funktioniert

Die von der Branche identifizierten Chancen und Anliegen im Bereich der DLT konnten früh in die Politik und die Behörden getragen werden – ihre Expertise war explizit erwünscht. Der Konsensbildungs-Prozess wurde unter allen Akteuren (Behörden, Politik, Verbänden, usw.) zu einem frühen Zeitpunkt angestossen und erfolgreich vorangetrieben, was die Arbeit der zuständigen Behörden für die Vorlage unterstützte.

Nach wenigen Monaten konnte Ende November 2019 der Bundesrat eine präzis ausgearbeitete und politisch stabile Chancen-Vorlage an das Parlament überweisen. Dieses nahm nur wenige, jedoch zielführende Anpassungen an der Vorlage vor. In der Folge hiessen Nationalrat (mit 192 zu 0 Stimmen) und Ständerat (mit 42:0 Stimmen) in der Sommer- respektive Herbstsession die Vorlage einstimmig gut. Das Parlament gab vollumfänglich und wortwörtlich «grünes Licht». Ein bemerkenswert deutliches Signal.