Seit Jahrzehnten belastet die amerikanische Investmentbanking-Kultur das stabile Geschäft der Credit Suisse. Der künftige Präsident der CS dürfte nicht umhinkommen, das bisherige Geschäftsmodell gründlich zu hinterfragen.

Credit-Suisse-Chef Thomas Gottstein blickt auf wechselhafte Zeiten in den vergangenen zwölf Monaten zurück. Als frischgebackener CEO der CS machte er vor bald einem Jahr als Initiant der Covid-Hilfskredite von sich reden und konnte seine Bank in der Öffentlichkeit neu positionieren. Doch die Freude währte nur kurz.

Im weiteren Jahresverlauf mehrten sich die Probleme – Rückstellungen sowie Abschreiber wurden nötig und der Geschäftsgang liess zusehends zu wünschen übrig. Sogar die Königsdisziplin, die Vermögensverwaltung vermochte nicht zu glänzen. Und als ob das alles nicht genügte, löste das jüngste Debakel um die Greensill-Fonds einen Skandal aus, der noch lange nicht ausgestanden scheint.

Massive Wertverluste

Das wiederum schickte die CS-Aktie, die zuvor munter gestiegen war, in den Keller. Allein vergangene Woche büsste der Titel 5,5 Prozent an Wert ein; und die US-Bank Goldman Sachs stufte die Aktie von Kaufen auf Neutral zurück. Die Amerikaner erwähnten Greensill in ihrer Analyse zwar nicht namentlich, gleichwohl äusserten sie sich besorgt über die hohen Rückstellungen für 2020. Tatsächlich betrugen diese mit fast einer Milliarde Franken markant höher als die ursprünglich erwarteten 58 Millionen Franken. Aufgrund der Erfahrungen aus der Vergangenheit schliessen die Experten weitere Rechtskosten nicht aus.

Bedauerlich für Gottstein ist, dass er nicht viel für diese Turbulenzen kann. Sie stammen aus einer Zeit vor seinem Amtsantritt. Sie illustrieren jedoch ein strukturelles Problem, mit dem sich die CS – und letztlich auch die UBS – seit Jahrzehnten herumschlägt: Es ist die mangelnde Nachhaltigkeit ihres Geschäftsmodells als Universalbank. Gerade der Anspruch, alles für alle anzubieten, verteilt auf die verschiedenen Sparten der Bank, löst in ständig neue Probleme aus. Und diese führen letztlich dazu, dass eine CS als nachhaltige Aktienanlage nicht in Frage kommt.

Wenig Nachhaltigkeit

Einer, der sich dessen sehr bewusst sein muss, ist António Horta-Osório. Der Portugiese tritt Ende April 2021 die Nachfolge von Urs Rohner als Präsident des Verwaltungsrats der CS an. Es besteht kein Zweifel, dass der neue Mann die Bank, wie sie Rohner in den vergangenen bald zehn Jahren gestaltet hat, massiv hinterfragen wird. Denn auch ihm muss auffallen, dass es in der Vergangenheit keinerlei Nachhaltigkeit gegeben hat.

Natürlich haben die CEOs ihr Bestes gegeben, und Gottstein-Vorgänger Tidjane Thiam schaffte tatsächlich einen Turnaround, der seinesgleichen sucht. Doch die permanenten Rückschläge, wie sie nun auch wieder der Greensill-Skandal illustriert, lassen nur einen Schluss zu: Das Geschäftsmodell der Bank muss radikal überholt werden. Doch woran hapert es?

Amerikanische Risikokultur

finews.ch stellte bereits vergangene Woche fest, dass es ein Übermass an Investmentbanking-Einfluss war, das im Asset Management zu den Problemen führte. Und damit steht einmal mehr eine Frage im Raum, die den hiesigen Finanzplatz seit Jahren umtreibt: Braucht das bewährte Swiss Banking, das in erster Linie grosse Privatbankvermögen verwaltet, gleichzeitig eine amerikanisch-dominierte Risikokultur, wie sie dem Investmentbanking inhärent ist?

Oder anders gefragt: Besteht nicht ein unüberbrückbarer Widerspruch, zwischen dem langfristigen, auf Kapitalerhalt ausgerichteten Schweizer Bankwesen und dem kurzfristigen, profitorientierten Gebaren im US-Investmentbanking?

Hoher Preis

Zugegeben, die CS war vermutlich die erste und einzige europäische Bank, der es gelang, in die Phalanx des amerikanischen Investmentbanking einzubrechen, als sie 1990 die volle Kontrolle des US-Instituts First Boston übernahm und im Jahr 2000 auch noch Donaldson, Lufkin & Jenrette (DLJ) akquirierte. Damit rückten die Schweizer tatsächlich in die Top-5 an der Wall Street. Doch zu welchem Preis?

Fachleute gehen davon aus, dass kein europäisches Institut, und damit auch nicht die CS, je die Investitionen im US-Banking über mehrere Kreditzyklen wieder eingespielt hat, wie unlängst auch Paul Tucker, der frühere Vizegouverneur der Bank of England erklärte.

Glückloses Asset Management

Wie problematisch das Investmentbanking für eine europäische Bank wie die CS sein kann, zeigt gerade der jüngste Fall rund um das Greensill-Debakel. Denn grundsätzlich ist das Asset Management, also der Bereich, in dem Finanzprodukte entwickelt und vertrieben werden, nicht besonders risikoanfällig. Doch wenn Investmentbanker sich dieser Domäne bemächtigen und mit hoch riskanten und verschachtelten Transaktionen, das an sich profane Anlagegeschäft ad absurdum führen, kann das bloss in Trümmern enden, wie wir es dieser Tage erleben.

Dass dieses derzeit so glücklose Asset Management der CS nun ausgerechnet der grundsätzlich stabilen internationalen Vermögensverwaltung (International Wealth Management) von Philipp Wehle angegliedert ist, ist vollends eine verkehrte Welt.

Ein neuer Siemens-Effekt?

Insofern liegt der Schluss nahe, dass Horta-Osório nach seinem Amtsantritt das Geschäftsmodell der CS nicht nur überdenken wird, sondern möglicherweise einige Firmenteile veräussert. Das bringt nicht nur Geld, sondern kann aus Aktionärssicht verborgene Werte freisetzen. Man spricht bei diesem Vorgehen auch vom Siemens-Effekt.

Der frühere CEO des deutschen Industriekonzerns Siemens, Joe Kaeser, schaffte es, einzelne Unternehmensteile abzuspalten und sie mit Erfolg an die Börse zu bringen. Damit verwandelte er den eigentlichen Konzern in eine überaus agile Organisation.

In letzter Konsequenz

In Ansätzen hat die CS dies auch schon getan, etwa als sie ihre Fondsplattform Allfunds veräusserte. Genauso könnte sie es mit ihrem Asset Management verfahren, das seit Jahren keine klare Positionierung innerhalb des Konzerns besitzt. Über einen Verkauf ist denn auch schon verschiedentlich spekuliert worden, wie auch finews.ch mehrmals berichtet hat.

So besehen wäre in letzter Konsequenz auch eine Abspaltung des Investmentbanking denkbar, selbst wenn die CS in der Vergangenheit unermüdlich die Vorteile und Synergien dieser Sparte in den Himmel gepriesen hat. Doch wenn man auf der anderen Seite die hohen Kosten und Reputationsfälle in Betracht zieht, drängt sich die Frage, ob dieses dermassen risikobehaftete Geschäft nicht besser verkauft und anderweitig – also extern – je nach Bedarf bezogen werden könnte.

Verschlankte (Merchant-)Bank

Solche Überlegungen sind derzeit ohnehin das grosse Thema in Europas Bankenwelt: Ob in Spanien, Italien oder Frankreich – überall finden Schulterschlüsse, Verkäufe und Abspaltungen statt – sowohl in den einzelnen Ländern selbst als auch grenzüberschreitend. Warum sollte also die Schweizer Bankbranche da abseitsstehen?

Eine verschlankte CS, so viel steht fest, hätte eine ungemeine Attraktivität für Investoren, gerade weil sie endlich ein klares Profil besässe, als erstklassige, international erprobte Vermögensverwalterin (eine Übernahme von Julius Bär wäre dann auch denkbar) und darüber hinaus als klassische Merchant Bank.

Wie einst Alfred Escher

Letzteres ist eine aus dem Englischen kommende Bezeichnung für ein Finanzinstitut, das sich mit Firmenkunden beschäftigt, also Kredite ausstellt, Finanzierungen organisiert, Beratungen anbietet und im heutigen Kontext beispielsweise auch im lukrativen Private-Equity-Geschäft aktiv ist.

António Horta-Osório könnte genau diese Positionierung mit der CS anstreben, was letztlich auch der Vision entspräche, die einst CS-Gründer Alfred Escher hatte, als er 1856 die damalige Schweizerische Kreditanstalt (später Credit Suisse) ins Leben rief.

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