In einer einzigen Woche ging die Credit Suisse durch extreme Höhen und Tiefen. Ist das Schlimmste nun durchgestanden? Zumindest hat die Bank einen taktischen Spürsinn bewiesen.

Gegensätzlicher hätten die Ereignisse vergangene Woche kaum sein können. Während die Credit Suisse (CS) hierzulande in Trübsal versank, feierte die Schweizer Grossbank in Singapur einen wichtigen Erfolg: Der für das Wealth Management in Asien zuständige Benjamin Cavalli wurde für seine langjährigen Verdienste in der Region vom einflussreichen Institute of Banking and Finance (IBF) mit einem «IBF Distinguished Fellow» Award geehrt.

Mit dieser Auszeichnung werden Persönlichkeiten der Finanzbranche gewürdigt, die durch ihr Engagement in Brancheninitiativen und die Förderung professioneller Leistungen einen substanziellen Beitrag zur Entwicklung des Finanzplatzes in Singapur geleistet haben.

Gross war das Labsal für die derzeit arg unter Druck stehenden CS-Seelen. Das Ganze illustriert aber auch, wie unterschiedlich die Wahrnehmung der Schweizer Grossbank in der Welt ist.

Mit kritischen Fragen konfrontiert

Natürlich gehen die Negativmeldungen aus dem Innern der Bank auch in Asien nicht spurlos vorüber, wie die Beschäftigten einräumen. Sie sind mit kritischen Fragen der Klientel konfrontiert. Doch kaum eine Kundin und kaum ein Kunde geht – im Gegensatz zur Schweiz – davon aus, dass die Bank, immerhin die zweitgrösste Vermögensverwalterin in Asien, untergehen könnte.

Zwischen Hongkong und Singapur ist die CS kein nationales Heiligtum, sondern ein Finanzgigant, der, wie andere Global Players, durch zyklische Höhen und Tiefen geht – so, wie das die UBS, die Deutsche Bank oder die Citigroup auch schon durchgemacht haben.

Wichtiges Signal am Freitagmorgen

In diesem Zusammenhang entbehrt es nicht einer gewissen Ironie, dass just am Tag nach der Auszeichnung in Singapur die CS mit einer Nachricht aufwartete, die sich möglicherweise als Wendepunkt in der weiteren Entwicklung herausstellen könnte: Am Freitagmorgen gab die Bank bekannt, eigene Obligationen im Wert von 3 Milliarden Franken zurückzukaufen, wie auch finews.ch berichtete.

Damit signalisierte sie zweierlei: erstens, dass sie damit ihren Zinsaufwand verringert, und zweitens, dass sie über die erforderliche Kapitalkraft verfügt, um diese Transaktion überhaupt durchzuführen.

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Der Überraschungscoup trägt die Handschrift von Dixit Joshi (Bild oben), dem neuen Finanzchef der CS, der sein Amt erst Anfang Oktober 2022 angetreten hat. Er bewies damit vor allem, dass die Bank durchaus in der Lage ist, rasch und beherzt zu handeln, was sich in den nächsten Wochen und Monaten als Vorteil herausstellen könnte.

Innert Wochenfrist 20 Prozent zugelegt

Der Rückkauf der Obligationen entzog weiteren Spekulationen über eine Insolvenz der CS oder einen «Lehman-Moment» aufgrund der sprunghaft gestiegenen Kreditabsicherungskosten (Credit Default Swaps, CDS) jeglichen Boden. Dies wussten die Börsianer zu honorieren: Innert Wochenfrist legte der Kurs der CS-Aktien um knapp 20 Prozent zu. Hat die zweitgrösste Schweizer Bank damit die Talsohle durchschritten?

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Noch ist es verfrüht, von einer Trendwende zu sprechen. Zumal die Dimensionen der für den 27. Oktober 2022 angekündigten Reorganisation gar nicht bekannt sind – und selbst eine überzeugende Strategie wird mindestens zwei Jahre brauchen, damit sie sich im Idealfall als Erfolg herausstellt. Das ist eine lange Zeit, in der das Top-Management unter der Ägide von CEO Ulrich Körner (Bild oben) noch enorm gefordert sein wird. Umso mehr lohnt es sich nun, die Entwicklungen genau zu verfolgen, um dereinst die Nachhaltigkeit des Erfolgs beurteilen zu können.

Starke Kapitalaussstattung

Vergangene Woche gab es noch ein zweites, wichtiges Ereignis, wie auch finews.ch berichtete: Die Ratingagentur S&P liess ihre Krediteinstufung für die CS unverändert, und dies trotz der heftigen Turbulenzen in den vergangenen Monaten und dem vorläufig noch ungewissen Ausblick. Die Bank habe sich, so S&P, zu einer «starken Kapitalausstattung» verpflichtet.

Zudem würdigte die Ratingagentur die «proaktiven Bemühungen» der Bank, Altlasten abzubauen, also Rechtsstreitigkeiten beizulegen. Darüber hinaus habe die Bank «Fortschritte bei der Stärkung des Risikomanagements» und bei der digitalen Transformation erzielt, was zusätzlich dazu beitragen werde, effizienter zu sein.

Einsparungen im Schweizer Geschäft

Alle diese Massnahmen werden indessen nicht ausreichen, um die Kosten der Reorganisation zu decken, die wiederum vom Umfang der ganzen Übung abhängen. Vor diesem Hintergrund wird es entscheidend sein, welche Mittel die CS mit dem Verkauf von einzelnen Unternehmensteilen generieren kann. Dazu gehören eine massive Verkleinerung der Investmentbank, Einsparungen im Schweizer Geschäft (Bild unten), sowie die Veräusserung von Wealth-Management-Einheiten in nicht zentralen Märkten, so, wie das die UBS auch schon getan hat.

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Wieviel Geld dann noch nötig ist, um die CS auf ihren neuen Weg zu bringen, wird den Ausschlag dafür geben, ob es zu einer Kapitalerhöhung kommt. Während für einige Finanzanalysten eine solche unvermeidlich ist, dürfte das Top-Management eher auf Distanz dazu bleiben. Denn eine solche Massnahme wäre nur mit grosser Mühe realisierbar, zumal das neue Kapital zu einer Ergebnisverwässerung führen würde.

Zu tief bewertet?

Dass es auch ohne Kapitalerhöhung gehen konnte, glaubt der Finanzanalyst Kian Abouhossein von J.P. Morgan. Er weist darauf hin, dass die CS als eine globale Vermögensverwalterin mit verwalteten Private-Banking-Kundenvermögen zwischen 660 und knapp 700 Milliarden Franken (per Ende Juni 2022) derzeit zu tief bewertet sei. Tatsächlich bringt die Bank aktuell einen Börsenwert von 11,6 Milliarden Franken auf die Waage; Abouhossein hingegen hält 15 Milliarden Franken für eine faire Bewertung.

Er unterstreicht allerdings auch, dass eine Repositionierung ohne Kapitalerhöhung nur möglich sei, wenn gleichzeitig der Abverkauf der einzelnen Unternehmenseinheiten erfolgreich verlaufe.

Onshore-Präsenz wie kaum eine andere Bank

Die CS wird jedoch nicht bloss mit defensiven Massnahmen zum Erfolg zurückfinden. Vielmehr sind gleichzeitig auch strategische Initiativen vonnöten. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Wachstumsregion Asien. Denn sie ist der einzige Markt, in dem die CS ausserhalb der Schweiz und Europa mit praktisch ihrer gesamten Angebotspalette tätig ist.

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In Asien (Bild oben, in Singapur) wird die CS auch in Zukunft eine Investmentbank benötigen, um den Ansprüchen der Superreichen gerecht zu werden; zudem hat kaum eine andere globale Bank in Asien eine so starke Onshore-Präsenz im Wealth Management wie die CS, die in Australien, Japan, Indien, Singapur und Thailand vor Ort vertreten ist. Rund ein Drittel aller verwalteten Wealth-Management-Kundengelder sind in Asien gebucht.

Wo die Musik spielt

Die Musik spielt nicht nur am Paradeplatz (in Zürich). Die CS wird nur als globale Grösse weiter bestehen können, wenn sie es schafft, auch mit ihrem Geschäftsmodell in Asien zu punkten.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
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