Mittlerweile melden sich selbst besonnene Stimmen zu Wort, die dem gelben Edelmetall noch ein enormes Kurspotenzial zutrauen. Eine Adresse ist die Asset-Management-Sparte der Zürcher Bank Vontobel.

Der Goldpreis steigt und steigt. In früheren Jahren war dies in den Sommermonaten auch der Fall, weil dann die Nachfrage aus Indien besonders gross ist. In dieser Zeit finden zahlreiche Hochzeiten auf dem Subkontinent statt. Das hat zur Folge, dass viele Familien Goldschmuck für die Braut – aber oft auch für den Bräutigam – erwerben.

Das hat in der Vergangenheit den Goldpreis stets stimuliert. Heuer ist es jedoch anders. Denn aufgrund der sich nun auch in Indien dramatisch ausbreitenden Corona-Pandemie finden keine/kaum Hochzeiten statt, was wiederum die Nachfrage nach dem gelben Edelmetall enorm gedrosselt hat.

Langfristige Faktoren

Trotzdem steigt der Preis für die Unze Gold. Auf einem nunmehr recht stabilen Niveau von über 1'880 Dollar die Unze nähert sich der Kurs früheren Höchstständen nach der Finanz- und Eurokrise vor einigen Jahren. Für die neuste Hausse gibt es aufgrund der momentanen geopolitischen Rahmenbedingungen genügend Gründe. Zudem dürften diese für den Goldpreis positiven Faktoren nicht so schnell verschwinden.

Unter diesen Prämissen ist auch die in Goldfragen doch eher zurückhaltende Zürcher Bankengruppe Vontobel zu den «Goldbugs» (Leute, die auf einen Bullenmarkt spekulieren) mutiert, wie die jüngsten Einschätzungen von Michel Salden, Senior Portfolio Manager bei Vontobel Asset Management, illustrieren.

Keine flüchtigen Momente

Er stellt fest: «Gold hat noch nicht seine Höchstpreise erreicht, denn 2'000 Dollar pro Feinunze bis Ende dieses Jahres liegen absolut im Rahmen des Möglichen. Da wir erwarten, dass die weltweiten Realzinsen im Jahr 2021 weiter sinken werden, sind im kommenden Jahr sogar Goldpreise über 2200 Dollar möglich.»

Salden sagt auch: «Dies sind keine flüchtigen Momente von kurzlebiger Stärke, sondern vielmehr Anzeichen für eine positive, langfristige Entwicklung. Dafür gibt es vier Gründe.»

1. Geldpolitik

Die Anleger strömen in Scharen zu Realanlagen und kehren den negativ rentierenden festverzinslichen Anlagen den Rücken, während die Zentralbanken die Realzinsen in den negativen Bereich drängen, um die Covid-19-geplagten Wirtschaften über Wasser zu halten.

2. Fiskalpolitik

Die Fiskalausgaben sind weltweit gestiegen, um die Folgen der Pandemie abzufedern. Dies hat Inflationsängste geweckt, da die wachsende Schuldenlast politisch motivierte Zentralbanken dazu veranlassen könnte, Geld zu drucken, bis die Inflation wieder auftaucht und die Schuldenberge auffrisst.

Da Edelmetalle als Inflationsabsicherung fungieren, werden sie wahrscheinlich von dieser Entwicklung profitieren. Ein Beispiel hierfür ist der Anstieg des Silberpreises um mehr als 350 Prozent im Jahr 2010. Zu diesem Zeitpunkt hatten erst wenige Zentralbanken ihre Liquiditätsmassnahmen an ihren Märkten erhöht.

3. Die grüne Energiewende

Da Politiker rund um den Globus eine grüne Erholung anstreben, haben Industriemetalle begonnen, Veränderungen in der Nachfrage einzupreisen. Der jüngste (grüne) EU-Rückgewinnungsplan wird die Nachfrage nach Silber (verwendet in Sonnenkollektoren), Platin (verwendet in Wasserstoffautos) und Palladium (verwendet zur Senkung der Emissionen in traditionellen Benzinautos) ankurbeln.

Zudem wird Kupfer von dem erwarteten Anstieg der Verkäufe von Elektrofahrzeugen enorm profitieren. Jedes Elektrofahrzeug hat 60 Kilogramm mehr Kupfer als ein herkömmliches Auto, da Kupfer das Hauptmetall ist, das für das elektrische Netz von Elektrofahrzeugen verwendet wird. Ein US-Wahlsieg von Joe Biden wird diese Trends sowie die Nachfrage nach den damit verbundenen Metallen weiter beschleunigen.

4. Angebotsengpässe

Aufgrund der Covid-19-Lockdowns ist das Angebot an Industrie- und Edelmetallen begrenzt. Mexiko, Peru, Bolivien, Chile und Südafrika gehören zu den Ländern, die am stärksten von dem Virus betroffen sind, was die Minenaktivitäten und Projektentwicklungen für alternde Minen dort stark eingeschränkt hat.

Darüber hinaus wird der wirtschaftliche Rückgang in diesen Ländern soziale und politische Risiken mit sich bringen, die die notwendigen Investitionen in neue Produktionskapazitäten höchst unsicher machen, was zu längerfristigen Versorgungsengpässen führen könnte, die einem Anstieg der Nachfrage entgegenstehen.