In einem vielbeachteten Beitrag hat der Ökonom Martin Hüfner Donald Trumps Wirtschaftspolitik als Neo-Merkantilismus beschrieben. Thomas Steinemann ist damit nicht ganz einverstanden. Eine Replik.

Von Thomas Steinemann, Investmentchef der Privatbank Bellerive

Der deutsche Ökonom Martin Hüfner hat auf finews.ch einen anregenden Artikel mit der Überschrift «Mit Donald Trump kommt der Neo-Merkantilismus» verfasst. Trotz vieler interessanter Gedanken bieten sich in den sieben Punkten, in denen Hüfner den neuen Merkantilismus durch US-Präsident Donald Trump belegen will, doch einige Aussagen an, die es zu kommentieren gilt.

Zu Punkt 1: «Wegen Trump werde der freie Welthandel torpediert»

Die protektionistischen Massnahmen Trumps sind nicht das Ergebnis wirtschaftspolitischer Überzeugungen, sondern sollen die anderen Länder aus seiner Sicht «zur Vernunft bringen», da sie ungerechtfertigte staatliche Subventionen tätigen. Das Ziel ist nicht eine Eskalation der Zölle, sondern, im Gegenteil, «den Anderen an den Tisch zu bringen» und «einen Deal» zu machen.

Im Fall Chinas ist nicht zu bestreiten, dass dessen Wirtschaft massiv und allen Regeln des freien Handels zuwiderlaufend, massiv subventioniert ist und ausländischen Investoren der Marktzugang noch immer stark erschwert wird. Vom Diebstahl geistigen Eigentums bis hin zu ungenügenden Eigentumsrechten ganz abgesehen.

Somit irreführend

Chinas Stahlsubventionen, die zu einer veritablen Überschwemmung des Stahlmarkts und zu grossen Problemen bei den europäischen Stahlkochern führen, werden von der Weltgemeinschaft – unverständlicherweise – kommentarlos hingenommen. Wenn ein Land heutzutage merkantilistisch genannt werden kann, dann ist es China. Es ist somit irreführend, die Zeit vor Trump als Freihandelsparadies zu verklären.

Zu Punkt 2: «Trump sei interventionistisch und drohe mit staatlichen Eingriffen»

Nun, die grosse Zunahme an wirtschaftspolitischen Intervention geht zweifelsohne auf die Periode nach der Finanzkrise 2008 zurück. All die noch nie dagewesenen geld- und fiskalpolitischen Massnahmen, die massive Zunahme an Regulierung, besonders im Bankenbereich, gehen auf jene Periode zurück.

Was die Dekrete in den ersten zwölf Monaten von Trumps Amtszeit angeht (präsidiale Verfügungen ohne Parlament), liegt er im Vergleich zu seinen Vorgängern in etwa gleichauf (Barack Obama war etwas besser, Bill Clinton etwas schlechter). Die staatlichen Eingriffe auf die Wirtschaft sind eindeutig rückläufig (was von demokratischen Kreisen moniert wird).

Unverständliche Kritik

Das Steuersenkungsprogramm, das zu einer begrüssenswerten Reduzierung der Staatsquote führen dürfte, wird seltsamerweise von sämtlichen politischen Couleurs kritisiert.

Zu Punkt 3: «Bewusst eingesetzte Überraschungen führten zu Verunsicherung der Märkte»

Diese Feststellung ist rätselhaft. Tatsache ist, dass der S&P 500 seit der Amtsübernahme Trumps im Januar 2017 gut 30 Prozent zugelegt hat – ein Rekord! Aktuell ist der US-Markt der weltweit Beste.

Performance Anlageklassen 2018 – Daten bis 31. Juli 2018

Neues Bild 520

(Quelle: Graubündner Kantonalbank)

Zu Punkt 4: «Trump wolle die Unabhängigkeit der Fed abschaffen und sei gegen Zinserhöhungen»

Dies ist Martin Hüfners Meinung, aber kein Fakt. Tatsache hingegen ist, dass die US-Notenbank (Federal Reserve, Fed) die einzige der grossen Notenbanken ist, die mit bereits sieben Zinserhöhungen, drei davon in der Ära Trump, endlich eine restriktive Gangart eingeschlagen hat.

Unklar ist aus liberaler Sicht, warum Martin Hüfner die Steuersenkungen verurteilt. Diese würden die Dynamik des Welthandels und die Produktivität verringern. Heisst das im Umkehrschluss, man braucht nur die Steuern zu erhöhen und Produktivität und Welthandel nehmen zu?

Viele Denkanstösse

Trotz einiger kritischer Anmerkungen meinerseits liefert der Artikel aber eine Fülle an Denkantössen und ist nur schon deshalb höchst lesenswert.