Doch was macht Pictet – neben dem Namen – als Arbeitgeber attraktiv? Für Aerni ist es die «unternehmerische Kultur» des Hauses, das mittlerweile mehr als 4'200 Leute beschäftigt.

Für viele Kundenberater sei dieser Aspekt ausschlaggebend, zumal grosse Finanzinstitute den Handlungsspielraum ihrer Mitarbeiter zunehmend einschränkten. «Dadurch neigen manche Private Banker dazu, sich zu isolieren. Sie vereinnahmen ihre Kunden – aus Angst, dass sie sie im Zuge einer Reorganisation verlieren. Viele Kundenberater sind traumatisiert und laufend weniger motiviert.»

Mit einem Partner zum Kundenmeeting

Natürlich muss ein Kundenmann auch bei Pictet seine Leistung erbringen. Doch das geschieht auf eine offenbar langfristigere und offenere Art. Kurzfristige Strategieänderungen von oben oder personelle Rochaden aufgrund von neuen internen Seilschaften kommen nicht vor. Stattdessen können Kundenberater das Privileg nutzen, einen der insgesamt sechs Partner Pictets zu einem Kunden-Meeting mitzunehmen, was die Klientel besonders schätzt, wie Aerni feststellt.

«Bei uns gibt es keinen «sales-driven approach», sagt der 48-jährige Quereinsteiger, der bis Ende 2008 als Unternehmensberater bei der Boston Consulting Group arbeitete und dort zuletzt im Range eines Partners auf die Finanzbranche spezialisiert war. «Ein allzu verkaufsorientierter Ansatz entspräche nicht der langfristigen Optik des Hauses, erklärt er, räumt aber ein, dass dies seinen Job nicht einfacher mache.

Banken machen enorme Preiskonzessionen

Denn mittlerweile würden viele Banken mit enormen Preiszugeständnissen am Markt agieren. «Wachstum um jeden Preis ist für kotierte Banken enorm wichtig, weil jede Steigerung der sogenannten «Assets under Management» einen Goodwill an der Börse darstellt», erklärt Aerni.

Diesem Druck, Neugeld zu bolzen, will man sich bei Pictet nicht aussetzen. Die 1805 gegründete Bank funktioniert noch immer unter der Leitung eines Partnergremiums, das sich – vermutlich wie vor Jahrzehnten – regelmässig zu Sitzungen trifft; manchmal mit und manchmal ohne Agenda, aber immer mit dem Ziel, in der Entscheidungsfindung einen Konsens zu erzielen.

Familiäres Zusammenspiel

Noch heute vergleichen die Partner ihren Umgang miteinander als «familiäres Zusammenspiel», wie es schon in den Ursprüngen von Pictet existierte.

Das Festhalten an Traditionen wird auch den neuen Mitarbeitern eingeimpft, wenn sie kurz nach ihrem Arbeitsantritt nach Genf an den Hauptsitz reisen. Dort nehmen sie an einem Ausbildungsgang teil, der profanerweise «la classe» heisst, und wo sie mit den Werten und Tugenden der Bank vertraut gemacht werden. «Viele Mitarbeiter sind dabei überrascht, dass sich der längste Kurs um die Geschichte und Kultur von Pictet dreht», sagt Aerni und deutet damit an, dass andere Banken heute vermutlich weniger Gewicht auf solche Aspekte legen.

Paradoxie zwischen Tradition und Innovation

Pictet deswegen als zurückgebliebenes Institut zu taxieren, wäre indessen falsch. Vielmehr balanciert das Unternehmen auf einer «Paradoxie von Tradition und Innovation», wie es der geschäftsführende Teilhaber Nicolas Pictet formuliert. Nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund, dass die 212-jährige Bank im Vergleich zur Konkurrenz schon seit langer Zeit eine der modernsten IT-Plattformen in der Branche besitzt.

«Digitalisierung heisst bei Pictet, eine globale Plattform zu unterhalten, mit der die Mitarbeiter an allen 26 Standorten auf der Welt von der Kundenbetreuung (Customer-Relation-Management, CRM), den Anlagelösungen bis hin zum Reporting und allen anderen Prozessen, die es laufend zu erneuern gilt, arbeiten können – ohne dabei Abstriche an der Vertraulichkeit zu machen», unterstreicht Aerni.

Beratung wird teuer

Digitalisierung findet bei Pictet in dreifacher Weise statt: erstens an der Schnittstelle zum Kunden, etwa mit Online-Applikationen, zweitens über Big-Data- und Business-Analytics-Anwendungen, die zu einem besseren Investmentprozess verhelfen sollen, und last but not least in internen Prozessen, wo sich dank der Digitalisierung zahlreiche Abläufe im Operations Bereich effizienter und dadurch kostengünstiger gestalten lassen – nicht zuletzt aber auch in der Compliance.

«Gerade weil die Kundenbetreuung aufgrund verschiedener Einflüsse immer teurer wird, sind Einsparungen über die Digitalisierung unumgänglich», sagt der Pictet-Manager.

Nicht alles auf Fintech setzen

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