Credit-Suisse-Präsident Urs Rohner steht vor Entscheidungen mit grösster Tragweite. Dabei steht sogar die Trennung von CEO Tidjane Thiam zur Debatte, wie es aus seinem Umfeld heisst. Was dann?

Urs Rohner ist als Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse (CS) bislang nicht als besonders starke Figur aufgefallen. Den grössten Dienst für die zweitgrösste Bank der Schweiz erwies der heute 60-Jährige ehemalige Anwalt, als er vor mehr als vier Jahren Tidjane Thiam zum Nachfolger von Brady Dougan kürte. Auch wenn sich dies im Aktienkurs der CS nicht zeigt: Thiam hat das Institut erfolgreich restrukturiert.

Nun haben sich aber die Dinge dermassen überstürzt, dass der inzwischen 57-Jährige CEO für Rohner in den Mittelpunkt von kapitalen Entscheidungen rückt.

Thiams Zukunft steht auf dem Spiel

Denn auch mit Abstand zu den Enthüllungen um den Nachbarsstreit zwischen Thiam und Iqbal Khan, dem künftigen Wealth-Management-Chef der UBS, sowie zur Bespitzelungsaffäre, die vergangene Woche bekannt wurde, ist klar: Egal, welche Ergebnisse die von Rohner angeordnete Untersuchung liefern wird – Thiams Zukunft bei der CS steht auf dem Spiel.

Wie Personen aus dem Umfeld Rohners gegenüber finews.ch erklärten, ist eine Trennung von Thiam ein durchaus wahrscheinliches Szenario. «Rohner und der Verwaltungsrat werden am Ende jenen Entscheid fällen, welcher der CS sowie ihren Aktionären und Stakeholdern am meisten nützt», so eine dem Verwaltungsrat nahe stehende Person – auch in Bezug auf den bereits entstandenen Reputationsschaden für die CS.

Zwei Fragen klären

Das Wort ‹Trennung› will dabei niemand in den Mund nehmen. Schliesslich müssen die Ergebnisse der Untersuchung abgewartet werden. Die Ermittlungen sollen vor allem auf zwei Fragen je eine Antwort liefern: Wer hat die Beschattung Khans durch Privatdetektive angeordnet? Und wer hat davon gewusst?

Nüchtern betrachtet, bleibt die ‹Affäre Khan› so oder so an Thiam hängen. Selbst wenn er weder die Anordnung zur Bespitzelung gegeben noch davon gewusst haben sollte, werden der Krach mit Khan an der Party in seinem Haus und die Eskalation mit den Privatdetektiven seine Integrität als CEO stets in Frage stellen.

Umgekehrt muss man auch die Frage stellen: Genügt es, einen Skandal dieser Tragweite zu begraben, indem Rohner und der Verwaltungsrat einen Subalternen innerhalb der CS als Schuldigen entlassen?

Die CS hat viel zu verlieren

Rohner müsse dabei nicht nur die Befindlichkeiten in der Schweiz berücksichtigen, heisst es weiter. Die CS habe als global tätige Universalbank und als sechstgrösster Vermögensverwalter der Welt auch im Ausland einiges zu verlieren.

Zudem sehe sich der CS-Präsident mit den drängenden Fragen eines starken Aktionariats konfrontiert; darunter sind mit dem norwegischen Staatsfonds und dem Asset Manager Blackrock potenteste Investoren überhaupt.

Einen sauberen und nachvollziehbaren Strich unter die Affäre zu ziehen, könnte somit zum persönlichen Vermächtnis Rohners bei der CS werden. Seine Amtszeit im Verwaltungsrat endet offiziell 2021.

Seine Lösung wird die Beurteilung seine Präsidiums beeinflussen

Ihm (Rohner) sei bewusst, so eine Person aus seinem Umfeld, dass die nächsten Wochen und Monate «für die Bewertung seiner Amtszeit als Präsident von enormer Wichtigkeit sind.»

Sollte Thiam seinen Posten bei der CS tatsächlich räumen müssen, stellt sich umgehend die Frage, wer ihn ersetzen könnte. Aus der Konzernleitung kämen CS-Schweiz-Chef Thomas Gottstein sowie die Risikochefin Lara Warner in Frage.

Beide Personen wurden bereits als mögliche Nachfolger gehandelt. Doch Gottstein scheint sich in seiner Rolle als Schweiz-Chef sehr wohl zu fühlen, und Warner hängt der nicht unwesentliche Makel an, dass sie innerhalb der CS noch nie oberste Verantwortung für einen Bereich getragen hat, der für die Bank Geld verdient.

Der dritte Mann: Eric Varvel

Was die CS nach einer solchen Affäre an der Spitze vor allem bräuchte, wäre eine Person, die nicht nur absolut integer ist, sondern die Bank sowohl nach innen wie nach aussen repräsentieren kann. Beobachter bringen darum bereits einen dritten Namen ins Spiel: Eric Varvel.

Der derzeitige Chef Asset Management und USA-Präsident ist ein CS-Urgestein und sass bereits von 2008 bis 2014 in der Konzernleitung. Er war Co-Leiter der Investmentbank und CEO Asien-Pazifik und davor auch Chef für Europa, den Nahen Osten und Afrika. Der Mormone wurde bereits einmal als CEO gehandelt und blieb der Bank sogar treu, nachdem er durch das Revirement unter Thiam in der Konzernleitung überzählig geworden war.

Ob Varvel in Rohners Überlegungen bereits eine Rolle spielt, ist finews.ch vorläufig nicht bekannt.

 

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.62%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.56%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.2%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.09%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.54%
pixel