Boris Collardi und Pictet: das kann nicht gut gehen. Dieses Fazit wurde schon vor Collardis Eintritt in die noble Genfer Privatbank gezogen und stellte sich nun als richtig heraus. Collardi lief unter Senior Partner Renaud de Planta auf.

Der Anfang vom Ende von Boris Collardi als Teilhaber der Genfer Privatbank Pictet kam schon im Herbst 2019. Vor zwei Jahren übernahm Renaud de Planta das Amt des Senior Partners im siebenköpfigen Leitungsgremium der über 215 Jahre alten, noblen Privatbank.

Und unter de Planta wurden, so beschreiben es mit den Vorgängen vertraute Personen gegenüber finews.ch, einige von Collardi angestossenen Wachstumsoffensiven im Wealth Management wieder umgewälzt oder nur teilweise und langsam umgesetzt.

Nur so viel Bank wie nötig

De Planta ist kein klassischer Private Banker. Seine Domäne ist das risikoarme Asset Management. Seine Strategie mit Pictet bestehe im Wesentlichen darin, «nur so viel Bank zu sein wie nötig», wie es eine Person beschreibt. Sprich: Kunden erhalten Sicherheit und Diskretion.

Pictet betreibt gemäss Kennern das Wealth Management im Prinzip wie ein «Lender of last resort»: Die vermögenden Kunden vertrauen Pictet ihr Geld an, um es in Sicherheit zu wissen. «The Fortress» nenne de Planta die Bank – eine Festung in einer unsicheren Welt. Ihre riskanteren Geschäfte macht die anspruchsvolle Klientel lieber bei Banken wie Goldman Sachs.

Anpassungsdruck löste gewisse Schritte aus

Collardi hätte im Wealth Management von Pictet eine neue Strategie prägen sollen. Offenbar waren die Kräfteverhältnisse im Jahr 2017 unter Nicolas Pictet als Senior Manager noch anders gewesen, als die Partner beschlossen hatten, Collardi zu holen. Schon unter Jacques de Saussure hatte Pictet im Jahr 2014 mit der Umwandlung in eine Kommandit-Aktiengesellschaft eine Revolution gewagt.

In der sich rasch verändernden Finanz- und Wirtschaftswelt musste sich auch die konservativste Bank der Schweiz anpassen, modernisieren und eine internationale Wachstumsstrategie einschlagen, um die Zukunft zu sichern.

Collardis Dynamik

Wer schien dafür besser geeignet zu sein als Collardi, der als CEO von Julius Bär während zehn Jahren eine Dynamik und einen Mut zum Risiko an den Tag gelegt hatte und die lange still gestandene Zürcher Privatbank zum internationalen Wealth Manager und dominanten Asien-Player formte?

Mit nur 43 Jahren war Collardi im Jahr 2018 im Olymp im Schweizer Banking angekommen. Dem Ruf aus Genf konnte der italienischstämmige Jungbanker nicht widerstehen. Eine Partnerschaft bei Pictet gilt als Krönung und verspricht immensen Reichtum. Und Collardi war von den Pictet-Partnern zugesichert worden, dass er eine moderne Private-Banking-Strategie umsetzen könne und dafür alle Mittel bereitstünden.

Keine Rückendeckung

Wenn man den Pictet-kritischen Stimmen glaubt, konnte Collardi praktisch nichts davon umsetzen. Er sei im von de Planta dominierten Partnergremium zunehmend aufgelaufen. Im «Salon», wo sich die Pictet-Partner seit über 200 Jahren mehrmals wöchentlich treffen und alle Entscheide einstimmig gefällt werden sollen, habe Collardi keine Rückendeckung gehabt.

Pictet selber widerspricht dem, und das Rekord-Halbjahresergebnis scheint der Privatbank recht zu geben: In Asien sei Collardis Ausbau erfolgreich gewesen, ebenso wie in Zürich, wo Pictet nach einem Millionen verschlingenden Ausbau im Leuenhof an der Bahnhofstrasse residiert. Auch in der IT und im Bereich Operations, wo Collardi zuletzt die Verantwortung hatte, verfüge Pictet nun über eine hochmoderne Infrastruktur. Auch im Asset Management und dem Geschäft mit alternativen Anlagen läuft es so gut wie nie.

Nicht widersprochen wird bei Pictet aber der Interpretation, dass unterschiedliche Auffassungen und verschiedene Mindsets zum frühen Ausscheiden Collardis geführt haben.

Er musste realisieren, dass ihm als «Secondo» und jovialen Menschen der Zutritt zum Genfer Geldadel, «wo die Banquiers die Kravatte nicht mal zum Schlafen ablegen», immer verwehrt bleiben würde.

Das Finma-Verfahren

Bei genauerer Betrachtung hatte sich Collardis Abgang schon länger abgezeichnet. Den Anfang vom Ende machte, wie eingangs beschrieben, die Nomination de Plantas zum Senior Manager, womit sich die Kräfteverhältnisse dramatisch veränderten.

Im Frühjahr 2020 geschahen dann zwei Dinge: Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) stellte bei Julius Bär unter CEO Collardi schwere Mängel in der Geldwäschereibekämpfung fest und leitete eine Untersuchung zu den Verantwortlichkeiten ein. Collardi stand als Partner von Pictet, einer Bank, die immer auf höchste Diskretion und strengste Compliance-Richtlinien geachtet hatte, unter enormem Druck. Collardi kam schliesslich mit einer Rüge davon, eine strafrechtliche Untersuchung in Zürich wurde eingestellt.

Von der Bildfläche verschwunden

Praktisch gleichzeitig brach die Corona-Pandemie aus, welche die Reisetätigkeit von Bankern lahm legte. «Von da an war Collardi von der Bildfläche verschwunden», sagte ein Beobachter gegenüber finews.ch. «Man wusste zwar, er ist noch bei Pictet. Aber sein Wirken war unsichtbar.»

Collardi musste im Verlaufe des letzten Jahres klar geworden sein, dass er bei Pictet am falschen Ort ist. finews.ch beschrieb im Herbst 2020, wie die Partner ihn beim Aufbau des Geschäftes mit Strukturierten Produkten ausgebremst hatten.

Collardi wollte nach dem Muster bei Julius Bär ein margenstarkes Produktegeschäft aufziehen und holte dafür Valentin Vonder Mühll, den langjährigen Julius-Bär-Handelschef mit Strukis aus Zürich nach Genf. Geplant war, dass Pictet selber Produkte emittieren würde, doch unter de Planta wurde das Vorhaben gestoppt. Vonder Mühll warf das Handtuch und ging.

Ein Offering, das der Pictet-Philosphie widerspricht

Eine weitere Personalie ist in diesem Zusammenhang wichtig: Collardi hatte während seiner Pictet-Zeit über 100 Leute geholt, eine der ersten war Pamela Hsu Phua gewesen. Die frühere Intermediaries-Chefin von Julius Bär in Asien wechselte 2019 mit einem ganzen Team zu Pictet.

Von Collardi erhielt sie den Auftrag, für reiche Kunden und Family Offices ein Offering aufzubauen, das den üblichen asiatischen Bedürfnissen entspricht und sich mit anderen Schweizer Privatbanken messen lässt.

Die Grundpfeiler dieses Offerings sollten Lombardkredite, Produkte und Advisory sein. Die Bank bietet in Asien nun zwar Lombardkredite und Advisory an, aber das gesamte Family Office Angebot ist nicht aufgebaut worden. Auch in diesem Punkt konnte sich Collardi nicht im Partnergremium durchsetzen.  

Unfähig zur strategischen Weiterentwicklung

Hsu Phua warf diesen Frühling bei Pictet das Handtuch und wechselte zur VP Bank, wo sie nun Asien-CEO ist.

Den dreijährigen Abstecher Collardis als blosses Missverständnis abzutun, wäre tatsächlich eine grobe Untertreibung. Die von mehreren Personen gegenüber finews.ch beschriebenen Vorgänge zeichnen die Genfer Pictet als eine Privatbank, die zwar erfolgreich ist, sich aber mit einer strategischen Weiterentwicklung schwertut, da ihr dabei auch die 200 Jahre alten Traditionen im Wege stehen.

Die Kosten der Episode Collardi dürften erheblich sein. Nicht nur wurden Dutzende von Bankern unter sich als falsch herausstellenden Versprechen zu Pictet geholt. Auch die Kunden, welche mit den Beratern nach Genf wechselten, erhielten schliesslich nicht das in Collardis Plänen vorgesehene Angebot.

Er selber, so heisst es, sei nun wieder bereit, sich in neue Projekte zu stürzen. Dynamische und mutige Banker wie er können überall gebraucht werden – nur nicht bei Pictet in Genf.

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