Die Genfer Privatbank Pictet will ihre Handelserträge steigern. Recherchen von finews.ch zeigen, dass dies nun nicht so geschieht, wie es Boris Collardi vorschwebte.

Die 215 Jahre alte Genfer Privatbank Pictet war sich zu nobel, um den Anfang August erfolgten Start ihrer Multi-Emittenten-Plattform für Strukturierte Produkte der Öffentlichkeit mitzuteilen.

Dabei ist diese Plattform ein nicht unwesentlicher Schritt für Pictet: Einerseits bedeutet die Inbetriebnahme den aktiven Einstieg in das Geschäft mit Strukturierten Produkten. Und zweitens dürfte sich das Neugeschäft in steigenden Erträgen niederschlagen. Ein Pictet-Sprecher bestätigte gegenüber finews.ch den Start der Plattform und ergänzte, es seien mehrere renommierte, globale Emittenten an Bord.

Strukis als Ertragstreiber

Den grossen Reibach in diesem Jahr hat Pictet aber zunächst verpasst. Den haben im von Börsenturbulenzen geprägten ersten Semester 2020 Konkurrenten wie Julius Bär, die Zürcher Kantonalbank (ZKB) oder auch die Credit Suisse gemacht.

Deren Erträge schossen im ersten Semester förmlich in die Höhe. Julius Bär machte auch keinen Hehl aus der Ursache: Der Handel mit Strukturierten Produkten und Derivaten. Auch CS und ZKB gehören zu den grossen Playern im «Struki»-Geschäft, was sich in Marktbedingungen wie im letzten Halbjahr auszahlte.

Pictet schlug sich im Corona-Halbjahr auch beachtlich und steigerte die Erträge um 6 Prozent. Doch der Umsatztreiber aus dem Handelsgeschäft, wie ihn Bär und ZKB auswiesen, fehlte.

Nicht selber Emittentin

Und es fehlt weiterhin ein wichtiges Element im Struki-Geschäft von Pictet, damit dieses zur Ertragsrakete wird: Pictet könnte die Plattform selber als Emittentin nutzen, tut es aber nicht. Der Sprecher bestätigt, vorläufig stelle die Bank die Plattform nur Drittanbietern zur Verfügung. Nach der Publikation des Artikels ergänzte Pictet, sie werde sich zu einem späteren Zeitpunkt als Emittentin betätigen.

Wann das sein wird, ist noch offen. Wie finews.ch von gut informierten Kreisen erfahren hat, war es Boris Collardi gewesen, der den Plan, Pictet Emittentin werden zu lassen, kurz nach seinem Start bei der Genfer Privatbank im Frühjahr 2018 ins Partnergremium getragen hat. Ziel: die Handelserträge von Pictet mit Strukturierten Produkten zu steigern.

Der heute 46-Jährige Banker hatte während seiner knapp neun Jahre als CEO von Julius Bär das Struki-Geschäft der Zürcher Privatbank sorgsam gepflegt. Denn es lieferte über Jahre hinweg sehr anständige Gewinne ab. Philipp Rickenbacher, der dieses Geschäft zwischen 2009 und 2016 leitete, ist heute CEO von Julius Bär.

Der Struki-Aufbauer kam von Julius Bär

Bei Pictet nahm Collardis Plan zunächst Formen an. Im November 2018 startete Valentin VonderMühll bei den Genfern. Seine Rolle: Global Head of Derivatives Trading. Er kam von Julius Bär, wo er zuletzt Handelschef mit Strukturierten Produkten war. VonderMühll ist einer der profiliertesten Schweizer Banker in diesem Geschäft. Er war seit 1994 sowohl in der Entwicklung tätig als auch im Handel.

Collardi hatte VonderMühll geholt, um das Geschäft bei Pictet aufzubauen, wie die informierten Kreise gegenüber finews.ch sagten. Doch der Aufbau verlief zäh. Offenbar fand das ursprüngliche Vorhaben, dass Pictet selber Derivate produziert und emittiert, im Partnergremium nicht die volle Zustimmung. Entnervt musste VonderMühll die Übung in diesem Frühjahr abbrechen und Pictet verlassen.

«Sell Side» ist lukrativer

Der Grund: Collardi drang bei den Partnern nicht durch. Die Regeln im Partnergremium von Pictet sind so, dass alle Entscheide einstimmig gefällt werden müssen.

Das Tauziehen endete in einem Kompromiss: Pictet betreibt eine Plattform für Drittanbieter, betätigt sich selber aber nicht als Emittentin. Damit bleibt die Genfer Privatbank auf der «Buy Side», während die «Sell Side» im Geschäft mit Strukturierten Produkten die deutlich lukrativere ist.

VonderMühll nahm gegenüber finews.ch keine Stellung und Pictet äusserte sich zu der Personalie nicht und gab auch zu Collardis Rolle beim Aufbau des Struki-Geschäftes keinen Kommentar ab.

Stellungnahme von Pictet

Die Ereignisse illustrieren aber, dass Collardis Vorstellungen für Pictet mit denen der anderen Partner zumindest in Teilen auseinandergehen. Während Collardis Managementinstinkte bei Julius Bär der Gewinnsteigerung dienten und er dort weder in der Geschäftsleitung noch im Verwaltungsrat auf grosse Widerrede stiess, sind die Verhältnisse und Interessen bei Pictet ganz andere.

Hat man Collardi zu dem Zweck zum Partner gemacht, um spezifisch das Wealth Management zu dynamisieren, setzt man ihm in anderen Bereichen der Bank Grenzen. Das Handelsgeschäft bei Pictet verantwortet Bertrand Demole, der bereits seit 2001 bei der Bank tätig ist und einen der verbliebenen Familienstämme der Traditionsbank vertritt.

Pictet hielt in einem Statement fest: «Wir widersprechen der Grundprämisse, die hier unterstellt wird. Unsere Partner haben die Pläne für dieses Geschäft gemeinschaftlich entwickelt und auch gemeinschaftlich über die Geschwindigkeit des Ausbaus entschieden. Es ist nicht zutreffend, dass einzelne Partner sich nicht durchgesetzt hätten.»

Collardis Stellung im Pictet-Partnergremium ist zudem geschwächt, seit die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht bezüglich der Missstände bei der Geldwäschereibekämpfung bei Julius Bär auch eine Ausweitung der Untersuchung auf mögliche Verantwortliche in Aussicht gestellt hat.

 

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