Die Konkurrenz fürchtet schon länger, dass der charismatische Pictet-Partner Boris Collardi die besten Private Banker abwerben will. Die Angst ist durchaus begründet, wie sich jetzt zeigt.

Des einen Leid ist des anderen Freud. Unter dem Eindruck von Abgängen und den Korruptions-Skandale um die staatlichen Ölkonzerne Petrobras in Brasilien sowie PDVSA in Venezuela baut die Zürcher Bank Julius Bär ihr Lateinamerika-Geschäft um. Wie finews.ch recherchierte, nutzt deren früherer Chef Boris Collardi die damit verbundene Verletzlichkeit geschickt aus: Der Pictet-Partner versuche derzeit verstärkt, Lateinamerika-Banker zur Genfer Privatbank zu lotsen, berichteten Kenner des Zürcher Traditionshauses.

Und nicht nur Bär-Banker können offenbar mit einem Anruf des umtriebigen Romands rechnen. Wie die Agentur «Bloomberg» von diversen Quellen erfahren haben will, meldete sich Collardi auch bei Kundenberatern der Credit Suisse, bei EFG International, der HSBC und Lombard Odier persönlich am Telefon.

Laut der Agentur brüsten sich Swiss Private Banker schon untereinander damit, einen Anruf aus der Pictet-Zentrale erhalten zu haben.

Fokus auf Asien

Damit scheinen die jüngsten Worte von Pictet-Teilhaber Renaud de Planta eingermassen überholt, der jüngst erklärte, es sei nicht der Stil von Pictet, «gezielt Mitarbeiter abzuwerben». Einer der Partner der grössten Genfer Privatbank ist sich ganz offensichtlich nicht zu schade dazu.

Neben Lateinamerika liegt der Fokus dabei auf Asien. Im Vermögensverwaltungs-Markt mit dem weltweit meisten Potenzial kennt sich Collardi bestens aus; bei Julius Bär hat er die Region einst zum zweiten Heimmarkt der Bank aufgebaut. Laut dem Bericht der Agentur könnte Pictet dort in den nächsten Jahren mehrere Dutzend neue Kundenberater einstellen.

Wie bei Julius Bär in Lateinamerika kann Collardi dabei die Verletzlichkeit von Konkurrenten nutzen. Bei der Credit Suisse etwa ist der sehr erfolgreiche Asienchef im Private Banking, Francesco de Ferrari, letzten August abgegangen. Einen Chefwechsel gab es kürzlich auch bei der anglochinesischen Grossbank HSBC, und Ende 2017 auch bei der Führung von Lombard Odier in Fernost.

Julius Bär muss sparen

Besonders verwundbar gegenüber Fischzügen Collardis ist aber Julius Bär. Nicht nur wurde fast die Hälfte der Kundenberater dort noch unter seiner Ägide eingestellt und dürfte ihm deshalb Sympathien entgegenbringen. Am (gestrigen) Dienstag gab die Privatbank auch noch bekannt, dass sie verstärkt sparen will.

In Bearbeitung ist dabei ein neues Bonusmodell, das Kundenberater vorab für Neugeld belohnen soll. Julius Bär will nach eigener Aussage damit die besten Talente fester an sich binden. Anderseits riskiert das Institut durchaus, Berater mit grossen Büchern, die bisher allein am Bestand gut verdienten, zu vergraulen.

Die Genfer Pictet, die nicht wie die börsenkotierte Julius Bär Quartal für Quartal unter Ergebnisdruck steht, könnte solchen Kräften eine attraktive Heimat bieten.

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