Nur wenige Schweizer Unternehmer haben es aus einfachsten Anfängen so weit gebracht wie er: Der Ringier-Verwaltungsrat und frühere UBS-Berater Claudio Cisullo im Gespräch mit finews.ch über sein Beziehungsnetz, seine Investments, was er international anstrebt, und wie es sich anfühlt, in der Liste der 300 reichsten Schweizer zu erscheinen.


Herr Cisullo, Sie figurieren seit kurzem in der Liste der 300 reichsten Schweizer. Was haben Sie unternommen, um in diese exklusive Auswahl zu kommen?

Ich habe definitiv nichts dazu beigetragen. Offen gestanden war das keine grosse Freude, mich darin zu sein. Aber ich wäre ein schlechter Verwaltungsrat eines der wichtigsten Medienhäuser der Schweiz, wenn ich mich anmassen würde, einem Journalisten zu sagen, was er schreiben darf und was nicht – ausser es handelt sich um Unwahrheiten.

Stimmen denn die Angaben zu Ihrem Vermögen (100 bis 150 Millionen Franken)?

Ich gehe grundsätzlich davon aus, dass gute Journalisten seriös recherchieren.

Sie stammen aus einfachsten Verhältnissen und haben es als Unternehmer ausgesprochen weit gebracht. Darüber hinaus sind Sie ein einflussreicher Berater, Verwaltungsrat und mit Gott und der Welt vernetzt. Wie bringt man das zustande?

Wenn man im Aargauischen Hägglingen bei Wohlen geboren und aufgewachsen ist, fängt man sozusagen schon bei Null an. Oder umgekehrt gesagt: Man muss sich auf die Hinterbeine stellen, um nach oben zu kommen – was man mir oft genug negativ auslegt, insbesondere von jenen Leuten, die mich gar nicht persönlich kennen.

...dass Sie nämlich geradezu verbissen den Weg nach oben suchen?

Dabei habe ich eigentlich noch nie Networking betrieben. Das ist nicht mein Stil. Ich glaube, die Leute spüren es, wenn sie von anderen Personen «benetzwerkt» werden und wenden sich ab.

Jetzt stapeln Sie aber sehr tief.

Zugegeben, ich habe die Gabe, auf Menschen zuzugehen. Das spüren die Leute und tauschen sich gerne mit mir aus. Aber ich suche solche Gelegenheiten nicht, um mein Beziehungsnetz auszubauen.

«Je mehr man macht, beruflich wie privat, desto interessanter wird man für andere»

Ich bestreite aber auch nicht, dass sich mit der Zeit eine Kontakt-Spirale ergibt. Je mehr man macht, beruflich wie privat, desto interessanter wird man für andere. Bei aller Skepsis bezüglich meiner Person geht auch häufig vergessen, dass ich extrem früh international aufgestellt war.

Wie meinen Sie das?

Ich habe im Oktober 1984, also gerade mal 20-jährig, meine erste Firma Panatronic IT gegründet und 1989 eine Niederlassung in Taiwan eröffnet. Dann folgte Japan, zuvor waren wir bereits in Deutschland und Österreich, später kamen auch noch Spanien und die USA hinzu. Ich bin also seit vielen Jahren international unterwegs und verfüge über entsprechend viel Erfahrung.

Was wollten Sie eigentlich als Kind werden?

Elektroniker. Dieser Beruf hat mich fasziniert. Doch auf Grund meines einfachen Elternhauses waren meine Möglichkeiten begrenzt. Mein Vater war 1957 als Plattenleger aus Italien in die Schweiz eingewandert, meine Mutter war ihm zwei Jahre später gefolgt und arbeitete in einer Fabrik.

«Vergiss nie, woher Du kommst»

Ich war ein ausgesprochen schlechter Schüler. Mein Leben fand vor allem auf dem Fussballplatz statt. Für Fussball hätte ich alles hergegeben, bis ich mit 16 Knieprobleme kriegte. Das zwang mich zum Aufhören. Nachher waren Ausgehen und Autofahren angesagt. Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen: Ich habe Steuerungstechniker gelernt.

Vom Steuerungstechniker zum Unternehmer und Multi-Verwaltungsrat ist es ein weiter Weg. Wenn man von einem beruflichen Erfolgskonzept sprechen möchte, was wären die Bestandteile dafür?

Hingabe, Offenheit, bodenständig sein, keine Allüren haben. Wenn ich von meinem Vater etwas gelernt habe, dann ist es der Vorsatz «Vergiss nie, woher Du kommst und schaue immer bei dem, was Du machst, dass beide Parteien Freude daran haben.» Mein Vater, der vor 21 Jahren verstarb, war kein Geschäftsmann, dafür ein ehrlicher Mensch, der mir auch beigebracht hat, nichts schleifen zu lassen, zum eigenen Wort zu stehen und zu liefern. Es wäre schön, wenn er noch da wäre und sehen könnte, was aus seinen Ratschlägen geworden ist.

War es für Sie nie ein Problem, nicht studiert zu haben?

Nein, weil ich mich ja nie bewerben musste. Mein Leistungsausweis als Unternehmer war immer mehr wert als jeder Universitätsabschluss. Trotzdem habe ich später verschiedene Weiterbildungen absolviert, auch an der Hochschule St. Gallen, um die Theorie besser zu verstehen – die praktische Erfahrung besass ich ja bereits.

«Ich schätze Oswald Grübel sehr, selbst wenn ich nicht immer seiner Meinung bin»

Die im Beschaffungs-Management tätige Service-Company Chain IQ, die ich vor zwei Jahren gründete, ist das 26. Unternehmen, das ich auf den Weg gebracht habe. Ich hatte oder habe noch Firmen in der Reisebranche, im Konsumgüter-Bereich sowie in der Beratung, im Sale-and-lease-back von Immobilien, im Body-Leasing (Arbeitnehmer-Überlassung) und in der Informatik sowie einen Wasserpark in Zypern.

Den grossen medialen Durchbruch haben Sie jedoch erst vor sechs Jahren mit dem Verkauf einiger Ihrer Firmen an die Swisscom sowie mit Ihrem späteren Einstieg als Berater bei der UBS geschafft. Warum ging plötzlich alles so schnell?

Mit der Swisscom und der UBS war ich direkt und indirekt schon früher in Kontakt. Nach dem Verkauf meiner Firmen Panatronic IT, Ecco Trust und IT Services + Logistik entsprach es einer gewissen Logik, dass ich im Verwaltungsrat der Swisscom IT Service Einsitz nahm.

Im Fall der UBS kannte ich den damaligen CEO Oswald J. Grübel schon aus seiner früheren Tätigkeit bei der Credit Suisse. Wir lernten uns bei einem Kunden-Dinner kennen und verstanden uns auf Anhieb. Wir haben einen ähnlichen Werdegang, haben es beide aus bescheidenen Verhältnissen nach oben geschafft. Ich schätze Oswald Grübel sehr, selbst wenn ich nicht immer seiner Meinung bin.

Diese Bekanntschaft zu Oswald Grübel genügte dann, um bei der UBS an das ganz grosse Industrialisierungsmandat zu kommen?

Nein, das reichte natürlich nicht! Ich erhalte laufend Anfragen für Verwaltungsrats- oder Beratungsmandate. Aber die meisten lehne ich ab, weil ich gar nicht genügend Ressourcen habe oder es mich nicht interessiert. Als die UBS auf mich zukam, hatte ich gerade beschlossen, nicht mehr operativ in meinen Firmen tätig zu sein. Ich hatte folglich freie Kapazität. Insofern kam dies zum richtigen Zeitpunkt.

Was genau war Ihre Funktion bei der UBS?

Oswald Grübel wollte keinen zusätzlichen Berater, solche hatte er in der UBS schon genug, und die mag er ohnehin nicht. Er wollte jemanden, der eine Aussensicht einnimmt und total unabhängig ist, auch finanziell.

«Den Bankern muss man ja nicht erklären, wie man Banking macht»

Ich habe dann ein IT-Advisory-Board zusammengestellt und danach das Industrialisierungs-Board, bei dem ich den Vorsitz hatte. Den Bankern muss man ja nicht erklären, wie man Banking macht, sondern anderes Know-how einbringen.

Dieser Industrialisierungsprozess scheint bei der UBS heute kein Thema mehr zu sein. Ist alles versandet?

Überhaupt nicht. Die UBS hat bewiesen, dass sie sich verändern kann. Mehr noch, sie hat eine internationale Führungsrolle auf diesem Gebiet übernommen. Heute nutzen beispielsweise die Berater der britischen Barclays Bank den Industrialisierungs-Prozess der UBS als Blaupause für ihre Transformation. Und die UBS selber arbeitet weiterhin fleissig an den einzelnen Projekten.

Sie sind draussen, seit Sie vor zwei Jahren die weltweit tätige Firma Chain IQ lanciert haben. Das Unternehmen übernimmt für Grosskonzerne das Beschaffungswesen. Die UBS war Ihre erste Kundin. Vor Ihrem Ausstieg bei der Bank haben Sie sich also gleich noch einen Milliarden-Auftrag geangelt.

Im Rahmen des Industrialisierungsprozesses hat die UBS insgesamt 127 Initiativen definiert. Das Beschaffungswesen war eine davon, bei der man sämtliche Varianten intern wie extern geprüft hat. Dabei kam man zum Schluss, dass eine externe, und unternehmerisch getriebene Lösung das Beste sei. Denn der Einkauf von Material und Dienstleistungen, die nicht zum Kerngeschäft gehören, ist für kein Unternehmen strategisch. Das lässt sich auslagern.

«We are building the airplane in the air – was ziemlich sportlich ist»

Uns war von Anfang an klar – auch aus meiner jahrelangen Erfahrung –, dass eine unabhängige Firma nicht nur für die UBS arbeiten sollte, sondern auch für andere Kunden, um Synergien auszuschöpfen, bessere Lieferantenpreise auszuhandeln und die entsprechenden Skalierungseffekte zu erzielen. Darum ist Chain IQ entstanden.

Wer steht hinter der Firma?

Ich bin der grösste Investor, zudem sind ein paar Privatpersonen und Family Offices beteiligt – insgesamt sechs an der Zahl.

Wie viele Kunden hat Chain IQ inzwischen?

Wir sind wie gesagt erst vor zwei Jahren operativ gestartet – genau am 1. Mai 2014. Wir sind heute auf drei Kontinenten tätig. Ein Outsourcing-Prozess braucht vom allerersten Gespräch bis zur Vertragsunterzeichnung zwei bis fünf Jahre Zeit. Ich sage immer: «We are building the airplane in the air» – was ziemlich sportlich ist.

Trotzdem haben wir bereits eine schöne Auftragspipeline – neben der UBS etwa den Baukonzern Implenia, den Daten- und Informationslieferanten Thompson Reuters und ganz neu einen der grössten amerikanischen Vermögensverwalter. Firmen aus der Finanzbranche machen etwa 25 Prozent unseres Portefeuilles aus.

Was bezieht ein Finanzinstitut bei Chain IQ?

Wir sind eine Dienstleistungsfirma. Wir verhandeln und handeln im Namen unserer Kunden. Im Prinzip alles, was nicht zum Kerngeschäft gehört, und das ist bei einer Bank eine Menge. Das reicht vom Arbeitsplatz, den Geschäftsreisen, der Autoflotte über die IT-Hardware und Software bis hin zur Telekommunikation, dem Consulting, der Logistik und dem Marketing.

«Mein Beziehungsnetz reicht weit bis nach Asien»

Ein Bauunternehmen beispielsweise hat andere Bedürfnisse: Dieses beschafft den Beton und die Kräne selber. Das machen wir nicht, weil das nicht in unsere Kompetenz fällt. Wir übernehmen den ganzen Rest.

Welchen Umsatz erzielt Chain IQ?

Wir reden nur vom Einkaufsvolumen – dem «managed spend» – der Firmen, und dieses beträgt derzeit knapp 9 Milliarden Franken. Mit Surbana Jurong, einem Landentwickler aus Singapur, haben wir soeben eine neue Zusammenarbeit vereinbart. Die Firma gehört dem Singapurer Staatsfonds Temasek Holdings.

Offensichtlich gibt es nicht nur das «Blocher-Prinzip», sondern auch die «Cisullo-Methode». Wie gehen Sie vor, um im Ausland an so hochkarätige Aufträge zu gelangen?

Mein Beziehungsnetz reicht weit bis nach Asien. Ich war ja mit meinen früheren Firmen auch schon in der Region tätig. Wichtig ist, dass man den entscheidenden Personen vorgestellt wird, so dass man auf oberster Stufe verhandeln kann.

Seit der Gründung von Chain IQ haben wir rund 80 bedeutende Kundengespräche global geführt und weltweit 25 Absichtserklärungen unterzeichnen können; auf drei Kontinenten: Europa, Amerika und Asien. Nun prüfen wir jeden Business Case einzelnen. Kommen alle 25 Vereinbarungen zustande, gehen wir von einem Einkaufsvolumen von mindestens 25 Milliarden Franken aus.

Die UBS ist bereits an Bord. Haben Sie auch schon mit der Credit Suisse gesprochen?

Wir sprechen mit vielen Firmen in der Schweiz.

Ihre Projektionen weisen nachgerade auf einen Börsengang hin. Wann ist der geplant?

Wir sollten zuerst einmal unsere Hausaufgaben machen. «Börse» tönt immer gut, um Kasse zu machen. Doch das steht für mich nicht zur Diskussion. Ich habe das gar nicht nötig. Mir geht es darum, eine global erfolgreiche Firma auf die Beine zu stellen.

«Mein Family Office CC Trust prüft jährlich mehr als 100 Beteiligungen»

Der wirtschaftliche Umbruch in der Welt führt permanent dazu, dass Hunderttausende Jobs verschwinden. Mit dem Outsourcing sorgen wir dafür, dass auch wieder neue Arbeitsplätze entstehen. Outsourcing ist heute ein «No-Brainer». Und die Börse – ehrlich gesagt, ich wüsste nicht, was der Vorteil eines Börsengangs wäre. Kapital ist in meinem Umfeld genügend vorhanden – für eine gute Sache bekommen Sie immer Geld.

Wie legen Sie persönlich Ihr Vermögen an?

Rund 90 Prozent, des Kapitals, das ich investiere, habe ich in Private Equity angelegt, also in Firmen, die nicht kotiert sind, und wo ich mich auch einbringe. Die restlichen zehn Prozent lasse ich traditionell verwalten

Bevorzugen sie gewisse Branchen für ihre Private-Equity-Engagements?

Nein, ich bin breit gefächert. Je breiter, desto besser. Gutes Unternehmertum ist branchenunabhängig. Mein Family Office CC Trust prüft jährlich gut 100 Beteiligungen; grundsätzlich keine Startups, sondern Wachstumsfinanzierungen.

Fintech ist derzeit das grosse Schlagwort. Mischen Sie als Investor oder Business Angel da auch mit?

Nein, gar nicht. Erstens fehlt mir die Zeit dafür, weil dies eine grosse Hingabe erfordert, und zweitens glaube ich, dass es einige Leute gibt, die das besser können als ich.

Worauf achten Sie persönlich bei ihren Firmeninvestments?

Immer zuerst auf die Menschen, die dahinter stehen. Dann, wie ein Unternehmen organisiert ist. Ich war in meiner beruflichen Laufbahn bisher in etwa 130 Firmen-Transaktionen involviert. Ich weiss, wovon ich spreche. Ich laufe auch gerne durch eine Firma, schaue mir die Büros, Lager und Produktionseinrichtungen an.

Ich spüre schnell von meinem Bauchgefühl her, wie die Stimmung ist. Klar, ich nehme mir auch die Finanz-Kennzahlen sehr genau vor. Und am Ende des Tages verbinde ich mein Gespür mit dem Rationalen. Und da ist enorm viel Intuition im Spiel.

Und damit sind Sie bislang gut gefahren?

Ich könnte nicht besser klagen.


Der bald 52-jährige Schweizer Claudio Cisullo ist Unternehmer und Investor. Bereits im Alter von 20 Jahren gründete der Sohn italienischer Einwanderer seine erste Firma im IT-Bereich. Über die Jahre kamen weitere Gesellschaften hinzu, die er zum Teil wieder verkaufte. Auf Grund seiner unternehmerischen Kompetenz wurde er 2013 in den Verwaltungsrat des Schweizer Medienkonzerns Ringier gewählt, über den er auch in den Aufsichtsgremien des Joint-Ventures Ringier Axel Springer Medien Schweiz und der Vermarkungsfirma Admeira (mit Swisscom und SRF) Einsitz nimmt.

Eine ebenfalls wichtige Funktion hatte er von 2010 bis 2014 im Rahmen des Industrialisierungs-Prozesses der Schweizer Grossbank UBS inne, wo er als Berater aktiv war. Aus diesem Mandat ergab sich 2014 die Gründung der Firma Chain IQ, die bei global tätigen Unternehmen das gesamte Beschaffungswesen übernimmt.

Zudem wurde er kürzlich in den Verwaltungsrat des New Yorker Think Tanks Center for Global Enterprise berufen. Cisullo lenkt seine zahlreichen Aktivitäten über sein Family Office CC Trust Group und gehört mit einem Vermögen von 100 bis 150 Millionen Franken seit Ende 2015 zu den 300 reichsten Schweizern. Er hat aus erster Ehe drei erwachsene Töchter und einen Enkel.

Im zweiten Teil des Interviews mit finews.ch wird Claudio Cisullo auf seine verlegerischen Engagements eingehen.

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.35%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.77%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.83%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.41%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.64%
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