Bankier-Urgestein Konrad Hummler lag mit seiner Meinung auch schon falsch, wie er im Interview mit finews.ch einräumt. Künftig will er mehr nach dem Lustprinzip leben, und es ist ihm egal, ob man ihn liebt oder nicht. 


Herr Hummler, als Unternehmer, Bankier und Investor haben Sie schon immer gern «zur Feder» gegriffen. Woher kommt dieses Bedürfnis?

Schreiben ist meine Leidenschaft und ist auch zur Gewohnheit geworden. Ja, sogar zur Notwendigkeit: Was ich à fond verstehen will, muss ich zu Papier bringen. Schreiben bewahrt mich vor Oberflächlichkeit und Inkonsistenz.

Mit Ihrem legendären Anlagekommentar zu Wegelin-Zeiten haben Sie es sozusagen zu «Weltruhm» gebracht. Was waren die Highlights aus dieser Publikationsreihe?

Ganz bestimmt die Erklärung und Vorhersage der Technologieblase unter dem Titel «Der Krieg der Spermien» oder die Beschreibung der die Finanzkrise verursachenden Investmentvehikel wie CDS und SPV mit der Bratwurst-Parabel. Diese schaffte es unter dem Titel «sausage factory» bis ins «Wall Street Journal».

Geradezu historisch bleibt Ihr seinerzeitiger Aufruf, «sich geschäftlich von den USA» zu verabschieden. Würden Sie das heute wieder schreiben?

Es ging dabei einzig um die ungelöste Erbschaftssteuer-Problematik zwischen den USA und vielen Ländern, darunter die Schweiz.

«Ich stand während sechs Jahren unter einem strikten Konkurrenzverbot»

Sie ist nach wie vor ungelöst und könnte einmal Steuerforderungen ungeahnten Ausmasses auslösen.

Sie haben nach der Gründung Ihrer Beratungsfirma M1 mit der «bergsicht» erneut eine regelmässige Publikation ins Leben gerufen. Warum?

Viele Leser des «Anlagekommentars» baten mich inständig, das Schreiben nicht aufzugeben. So riefen wir dann eben das Bezahlmedium «bergsicht» ins Leben.

Es war unter anderem auch wirtschaftlich interessant, aber befriedigte darüber hinaus natürlich auch meine Schreiblust.

Nach welchen Gesichtspunkten haben Sie bei der «bergsicht» Ihre Themen ausgewählt, und auf welche haben Sie die stärksten Reaktionen erhalten?

Zunächst: Keine Anlagethemen im engeren Sinne. Ich stand ja während sechs Jahren unter einem strikten Konkurrenzverbot. Stark divergierende Meinungen zu jener von Notenstein/Raiffeisen hätten als Verletzung dieses Konkurrenzverbotes aufgefasst werden können.

«Wir glauben niemandem, wir glauben nichts, wir trauen allen alles zu»

Also konzentrierten wir uns bei der Firma M1 auf übergeordnete Themen mit strategischer Relevanz. Am meisten Aufmerksamkeit erntete gewiss die sehr frühzeitige Bearbeitung der Blockchain-Thematik.

Verfolgte die «bergsicht» eine politische Absicht?

Unser Leitspruch war und ist: «Wir glauben niemandem, wir glauben nichts, wir trauen allen alles zu». Unsere Skepsis trifft das Politische und die Politiker schlechthin, welcher Couleur sie auch immer angehören.

Man liebt uns in jenen Kreisen und den Dunstkreisen wie Avenir Suisse oder Economiesuisse deshalb nicht. Aber das ist mir egal; weder muss ich gewählt werden noch stehe ich in irgendwelchen Abhängigkeiten.

Ist es auch vorgekommen, dass Sie feststellen mussten, dass Sie mit Ihrer Meinung falsch lagen?

Eine Lagebeurteilung kann nie vollständig richtig sein; die Verhältnisse sind zu komplex und dynamisch und unser Intellekt ist zu begrenzt. Ja, natürlich lag ich auch falsch.

Ein Beispiel?

Zu Beginn, das heisst im Jahr 2013, glaubte ich noch, wegen der Geldmittelaufblähung vor unmittelbarer Inflationsgefahr warnen zu müssen. Das griff zu kurz.

«Ich möchte jetzt von der Pflicht zur Kür wechseln»

Später korrigierte ich diese Auffassung infolge der Erkenntnis, dass der Technologieschub hohe Produktivitätsgewinne in der gesamten Wertschöpfungskette erzeugt und durch Plattformen ein enormer Angebotsschub von bis anhin ungenutzten Aktiven entsteht. Und deshalb vorderhand kaum Inflationsdruck aufkommen kann.

Jetzt stellen Sie die «bergsicht» ein. Schade. Sind Ihnen die Ideen ausgegangen?

Überhaupt nicht. Aber ich möchte jetzt von der «Pflicht» zur «Kür» wechseln. Das heisst keine strenge Periodizität mehr und dann und wann auch Themen, die ausserhalb des engeren Interessensgebiets von Finanzmärkten, Volkswirtschaft und Politik stehen.

Schreiben Sie bereits an Ihren Memoiren?

Nur keine Biographie, da bin ich zu wenig wichtig. Aber die eine oder andere episodische Aufzeichnung aus meinem Leben – warum nicht? Es gäbe schon das eine oder andere zu erzählen.

Sollten Unternehmensführer, namentlich Bankiers, generell zur Feder greifen?

Bei unseren Recherchen rund um die Digitalisierung haben wir herausgefunden, dass Powerpoint bei Amazon verpönt ist. Jeff Bezos setzt auf schriftlich ausformulierte Memos als Vorbereitung auf eine Sitzung der Geschäftsleitung. Vermutlich kein schlechter Ansatz.

«Weniger Verpflichtungen, mehr Lustprinzip»

Wer schreibt, muss auch denken. Insofern wäre das schon eine Option.

Sie haben seit einigen Monaten das Pensionsalter erreicht, wo setzen Sie künftig Ihre (beruflichen wie persönlichen) Prioritäten?

Ich suche keine grundsätzlichen Veränderungen, nur graduelle: etwas weniger Verpflichtungen, etwas mehr Lustprinzip. Aber die seit je gültige Konstante bleibt: Neugierig sein!

Am 12. Dezember 2018 ist mit der «bergsicht» Schluss, allerdings mit einer grandiosen Veranstaltung in Zürich. Was dürfen wir erwarten?

Ich werde die letzte «bergsicht» unter dem Titel «Was ist, was bleibt» vorstellen. Sechs Megatrends, die ich in den vergangenen Ausgaben aufgearbeitet hatte und die Bestand haben. Was bedeuten sie mittel- und langfristig? Worauf müssen wir uns einstellen?

«Kurt legt das zuvor nie offen»

Und dann wird Kurt Aeschbacher gesprächsweise den Kehraus moderieren – da ist noch völlig offen, was die Themen sein werden. Kurt legt das zuvor nie offen.


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Konrad Hummler trat nach seinem Studium der Rechtswissenschaften in die Schweizerische Bankgesellschaft (UBS) ein, wo er zum Stab von Robert Holzach gehörte. Später, 1989, übernahm er mit Partnern die St. Galler Privatbank Wegelin, die in den Wirren des US-Steuerkonflikts zum Teil an die Raiffeisen-Gruppe verkauft und zum andern aufgelöst wurde. Nach dieser Zäsur erfolgte ein Neubeginn in Form der Firma M1, eines Think Tanks für strategische Zeitfragen. Heute hat Hummler verschiedene Mandate, seit kurzem auch wieder eines in der Finanzbranche: Er ist Verwaltungsratspräsident der Private Client Bank in Zürich.

 

 

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