In wenigen Monaten will die Schweizer Börsenbetreiberin SIX eine ambitionierte Handelsplattform für digitale Vermögenswerte lancieren. SIX-Manager Thomas Zeeb verrät gegenüber finews.ch die wichtigsten Einzelheiten.


Herr Zeeb, wie weit sind Sie beim Aufbau der SIX Digital Exchange (SDX), Ihrer Handelsplattform für digitale Vermögenswerte in der Schweiz?

Wir werden in diesem Spätsommer ein Pilotprojekt durchführen, und die ersten Dienste dürften Anfang 2020 live gehen. Wir beginnen mit so genannten nativen digitalen Anwendungen, also mit der Einführung neuer Token und einem Service für Initial Digital Offerings (IDO).

Um welche Token wird es sich dabei handeln?

Wir haben eine Reihe von Unternehmen, die tokenisierte Strukturierte Produkte und entsprechende Immobilienfonds auf den Markt bringen wollen. Aber es könnte auch unser eigener IDO sein.

«Sie können nicht einfach ein ICO-Whitepaper erstellen, es ein wenig aufpeppen und dann starten»

Ob wir mit Optionsscheinen, Strukturierten Produkten oder Fonds beginnen, entscheiden unsere Kunden. Das stimmen wir derzeit mit unseren Nutzern ab.

Welche Hürden müssen Token-Emittenten nehmen?

Ein IDO muss ähnliche Standards erfüllen wie ein gewöhnlicher Börsengang (Initial Public Offiering, IPO). Sie können nicht einfach ein ICO-Whitepaper erstellen, es ein wenig aufpeppen und dann starten. Als Infrastruktur-Anbieter wollen wir sicherstellen, dass wir einen Standard setzen, und dass die Regeln für den Anlegerschutz eingehalten werden.

Wie soll das Projekt nach der Anfangsphase weiterlaufen?

Wir wollen in der Lage sein, existierende Wertpapiere (Aktien, Anleihen, Fonds) zu tokenisieren. Vielleicht wird der Token eines Tages die Aktie ersetzen.

Bis wann soll das geschehen?

Existierende Wertpapier zu tokenisieren, sollten wir bis 2021 können. Voraussetzung dafür ist, dass ein angemessenes regulatorisches Umfeld vorhanden ist.

«Der Fehler beim Handel mit Kryptowährungen besteht darin, nicht zu wissen, wer hinter den Trades steckt»

Ob wir dieses Umfeld bis dahin haben, wird entscheidend sein. Wenn wir die ersten Tests Anfang nächsten Jahres durchführen, bauen wir zusammen mit dem Regulierungsdialog eine Brücke zum zweiten Teil. Dann wird die Magie wirklich zu wirken beginnen.

Wie aktiv sind die Banken – Ihre Mitglieder – in diesem Prozess?

Da gibt es grosse Unterschiede. Einige Banken sind traditionell keine First Mover. Sie warten lieber und schauen, wie es den andern läuft. Manche Häuser wiederum wollen an vorderster Front stehen und die Veränderungen beeinflussen.

Einige Unternehmen haben bis zu 20 Personen eingestellt, um mit unseren Mitarbeitern zu arbeiten, und um parallel dazu ihre eigene Organisation zu entwickeln.

Warum handelt die SDX eigentlich nicht selber mit Kryptowährungen?

Der fatale Fehler beim Handel mit Kryptowährungen besteht darin, nicht zu wissen, wer hinter den Trades steckt, und woher die Münzen kommen. Wir tragen die Verantwortung dafür, dass ein angemessene Verfahren zur Bekämpfung der Geldwäsche und zur Überwachung von Transaktionen eingeführt wird, wie dies in der traditionellen Welt heute bereits üblich ist.

«Es gibt tatsächlich Märkte für bestimmte Produkte, die weit über das hinausgehen, was eine Börse tut»

So wie Bitcoins derzeit aufgebaut und gehandelt werden, würde dies die Kriterien für die SDX nicht erfüllen.

Vermögende Kunden zeigen jedoch ein erhebliches Interesse an der Kryptobranche.

Es wird immer Investoren für risikoreiche Anlagen geben. Und es gibt tatsächlich auch Märkte für bestimmte Produkte, die weit über das hinausgehen, was eine Börse tut.

Ist es denkbar, dass die SDX irgendwann in Betracht zieht, sich mit einer Krypto-Börse zu verbinden?

Weltweit gibt es verschiedene Initiativen, die darauf hinarbeiten, einen legitimen Liquiditätspool für Krypto-Währungen zu schaffen.

«Wir haben in diesem und im vergangenen Jahr einen bedeutenden zweistelligen Millionenbetrag investiert»

Wenn der Markt für die heutigen Krypto-Währungen legitimiert werden kann, können wir durchaus die notwendige Konnektivität zwischen unseren jeweiligen Infrastrukturen herstellen.

Wie viel gibt die SIX für den Aufbau der SDX aus?

Wir haben in diesem und im vergangenen Jahr einen bedeutenden zweistelligen Millionenbetrag investiert. Der finale Preis hängt von zahlreichen Faktoren ab, darunter die regulatorischen Anforderungen, neue Kundennutzungsfälle, und wie lange wir die SDX halbfertig halten müssen, um in den Handel zu kommen, sowie vom Zeitpunkt der Rentabilität einsetzt.

Haben Ihre Kunden nicht aufgrund von Legacy-Plattformen Probleme da mitzuhalten?

Der Übergang zu einer digitalen Infrastruktur, zumindest wie wir sie uns vorstellen, repliziert nicht alte Prozesse mit neuen Technologien, sondern will Prozesse deutlich verändern, Risiken reduzieren und die Liquidität unserer Kunden erhöhen.

Das wiederum schafft einen attraktiven «Business Case» für unsere Kunden.

Die SDX hat derzeit rund 70 Mitarbeiter. Wie viele kommen 2019 noch hinzu?

Die Zahl wird auf 100 Mitarbeiter steigen, da wir mit den Vorbereitungen für den Betrieb ab 2020 beginnen.

Was bedeutet das jüngste Joint-Venture zwischen Ihrem Konkurrenten Deutsche Börse, Sygnum und der Swisscom aus Ihrer Sicht?

Ausgehend von dem, was wir im Moment wissen, erwarte ich keine signifikanten Auswirkungen. Ich sehe diese Gemeinschaftswerk eher als ein Teilnehmer unserer Infrastruktur.

«Soweit wir wissen, steht Sygnum in erster Linie im Wettbewerb mit anderen Banken, nicht mit uns»

Die Wahrscheinlichkeit, dass Sygnum ein Kunde der gesamten Marktinfrastruktur von SDX wird, ist sogar sehr hoch, denn dort wird das Gemeinschaftsunternehmen seine Liquidität finden.

Wäre es nicht sinnvoller gewesen, mit aufstrebenden Krypto-Banken wie Sygnum zusammenzuarbeiten?

Ich denke, wir müssen hier unterscheiden zwischen dem, was ein Infrastrukturanbieter wie die SIX/SDX macht, und dem, was die Marktteilnehmer bei der Nutzung dieser Infrastruktur tun wollen.

Soweit wir wissen, steht Sygnum in erster Linie im Wettbewerb mit anderen Geschäftsbanken, nicht mit uns. Unsere Aufgabe ist es, die Infrastruktur bereitzustellen und den Zugang zu sichern, sofern die Mitgliedschaftskriterien erfüllt sind.

«Da liegt das Potenzial und letzlich auch die grosse Faszination am Ganzen»

Wir schaffen nicht nur eine neue Anlageklasse, sondern auch einen neuen Markt.

Was sollten die Banken bei der Vorbereitung auf die SDX tun?

Wir tragen die Verantwortung als Infrastrukturanbieter und kommunizieren unseren Kunden: «Prüfen Sie dieses Angebot und denken Sie darüber nach, was es für Ihr Unternehmen bedeuten könnte.»

So sollten sich kreative Kräfte entwickeln und freisetzen können, damit unsere Mitglieder und andere Marktteilnehmer wie Fintechs zusammenarbeiten können, um neue Produkte auszudenken. Da liegt das Potenzial und letzlich auch die grosse Faszination am Ganzen.

Redaktionelle Mitarbeit: Jeffrey Vögeli


Thomas Zeeb ist Leiter des Bereichs Securities and Exchange der SIX. Er kam vor fast elf Jahren von Clearstream, einem Post-Trading-Dienstleister, wo er für Vertrieb, Beziehungen, Kundenservice und Marketing in Europa verantwortlich war, zum Schweizer Börsendienstleister. Der gebürtige Kanadier begann seine Karriere in der Finanzbranche bei der Deutschen Bank in Frankfurt und war neun Jahre bei BNY Mellon in London. Im vergangenen Jahr wurde er in das Top-Management der SIX befördert.

 

Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
Welche Schweizer Privatbank bietet an der Börse nun das grösste Potenzial?
  • Julius Bär, weil der Kurs seit dem Signa-Debakel genügend gesunken ist.
    20.18%
  • Vontobel, weil das Unternehmen 2024 die Wende im Asset Management schaffen wird.
    8.75%
  • EFG International, weil die Bank keinerlei interne Probleme bekundet und stark wächst.
    14.96%
  • UBS, weil die Grossbank auch als Privatbank enormes Potenzial bietet.
    46.45%
  • Banque Cantonale Vaudoise, weil sie unter den Kantonalbanken ein grosses Private Banking anbietet.
    9.65%
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