Weil der Corona-Lockdown den Kapitalbedarf verstärkt hat, profitieren auch die Mikrofinanz-Anbieter. Remo Oswald, Managing Partner von Enabling Qapital, sagt im Interview mit finews.ch, was das fürs Startup bedeutet.


Herr Oswald, Enabling Qapital ist ein noch sehr junger Mikrofinanz-Manager, der Start erfolgte vergangenen Mai. Und doch verwaltet Ihr bereits einen Fonds mit über 80 Millionen Dollar Vermögen. Haben Sie Starthilfe erhalten?

Ja, wir sind sehr gut gestartet. Im Enabling Microfinance Fund, als dessen Berater wir tätig sind, waren bereits 85 Millionen Dollar. Wir haben zudem Zusagen von über 50 Millionen Dollar Kapital, die wir über die nächsten sechs Monate abrufen können. Damit haben wir die Mindestgrösse bereits erreicht, die wir haben müssen, um in der obersten Liga der Mikrofinanz-Manager mitspielen zu können.

Wie kam es, dass der Enabling Microfinance Fund von Blue Orchard zu euch Newcomern wechselte?

Diesen Fonds gibt es bereits seit zwölf Jahren, und er hat einen sehr guten Track Record, was die Rendite betrifft. Bezüglich Grösse ist der Fonds aber nie über die 100-Millionen-Marke hinausgekommen. Dadurch kam der Fonds kaum je auf den Radar einer breiteren Investorenschaft. Die Anlegerschaft bestand lange praktisch nur aus namhaften Stiftungen in Liechtenstein. Weil das Asset-Management-Mandat immer an Externe vergeben worden war, stand der Fonds in einer Abhängigkeit, was suboptimal ist, um sich im Wettbewerbsumfeld zu positionieren. Die Zusammenarbeit, die wir nun eingegangen sind, stellt eine voll integrierte Lösung dar.

Darum die Wahl des Namens Enabling Qapital?

Genau.

Sie sind eine weitere Kooperation eingegangen mit einem Zuger Asset Manager...

Ja, mit Woodman. Dabei handelt es sich eigentlich um ein Family Office, allerdings hat man intern ein hoch professionelles Asset Management aufgebaut, das die gesamte Wertschöpfungskette abdeckt. Wir beziehen Service-Dienstleistungen von Woodman wie Legal, Risk und Portfoliomanagement.

Die Schweiz scheint sich zu einem Mikrofinanz-Hub zu entwickeln: Responsability, Blue Orchard, Symbiotics und jetzt Enabling Qapital. Wie kommt das?

Das ist richtig, und darauf darf die Schweiz durchaus stolz sein. Die Mikrofinanz-Initiative startete vor rund 20 Jahre die Uno in Genf. Daraus entstand Blue Orchard, später spaltete sich in Genf Symbiotics ab.

«Die Corona-Auswirkungen waren deutlich und mehrschichtig »

Auch Bamboo Capital, eine Mikrofinanz-Investment-Plattform, ist in Genf ansässig. Responsability entstand aus der Credit Suisse, und wir bei Enabling Qapital haben unsere Mikrofinanz-Karriere bei Blue Orchard gestartet.

In einem anderen Markt hätte es ein Mikrofinanz-Startup wohl deutlich schwerer?

Ja, dass das Thema Mikrofinanz bereits so gut etabliert ist, hilft uns enorm. Bei Enabling Qapital verfügen praktisch alle unserer 16 Mitarbeiter über eine langjährige Erfahrung. In den Anfangsjahren von Mikrofinanz haben wir die Investoren vor allem ausgebildet und für das Thema sensibilisiert. Mikrofinanz war zwar kein Fremdwort, aber man hatte Berührungsängste. Das hat sich geändert. Die Asset-Klasse ist inzwischen professionalisiert, und sie hat über Jahre hinweg die Return-Versprechen gehalten.

Das Mikrofinanz-Wachstum liegt etwa bei 15 Prozent – und das war auch die Prognose für das Jahr 2020 gewesen. Hat die Coronakrise das Wachstum bislang beeinträchtigt?

Ja, die Auswirkungen waren im ersten Halbjahr recht deutlich und mehrschichtig: Das Wachstum verharrte bei Null. Aber die Prognosen für das zweite Halbjahr 2020 liegen bereits wieder bei 15 Prozent.

«Es lässt sich ein schönes Mikrofinanz-Portfolio aufbauen»

Das heisst, der eigentliche Stillstand, in den auch der Corona-Schock im vergangenen Februar und März auch den Mikrofinanz-Bereich versetzt hatte, löste sich noch im ersten Semester wieder auf und die Voraussetzungen sind im Prinzip noch besser geworden.

Wie das?

Wer als Investor heute über frisches Kapital verfügt, kann unter den Mikrofinanzinstituten nun «Cherry Picking« betreiben, also beispielsweise solche auswählen, die weniger im Tourismus exponiert sind, sondern in der lokalen Wirtschaft aktiv sind. Ausserdem hat sich das Zinsniveau grundsätzlich verbessert, weil nach dem Lockdown der Kapitalbedarf wieder höher ist. Es lässt sich derzeit ein schönes Mikrofinanz-Portfolio aufbauen.

In welchen Regionen sind Sie tätig?

Wir verfügen über Büros in Ecuador, in Kenya, in der Kaukasus-Region und in Pakistan – also in allen relevanten Mikrofinanz-Regionen. Dort arbeiten wir nun vornehmlich mit Instituten zusammen, die wenig Aussenhandel oder Tourismus finanzieren, sondern lokale Geschäfte und die Landwirtschaft. Geografisch sind wir in jedem Land tätig, dessen Pro-Kopf-Einkommen unter der Marke von 10'000 Dollar im Jahr liegt. Das trifft auf rund 50 Länder zu, in denen wir aktiv sind. 

Die lokale politische Entwicklung hat einen grossen Einfluss auf die Entwicklung eines Mikrofinanz-Portfolios. Wie managen Sie diese Risiken?

Die Hälfte unserer 16 Mitarbeiter ist vor Ort stationiert und verfügt über Jahre der Mikrofinanz-Expertise. Sie sind lokal vernetzt im Banken- und Kreditsystem. Eine der wichtigsten Tätigkeiten besteht darin, Informationen für unsere Datenbank zu sammeln, auf deren Basis wir die Anlageentscheide treffen.

Mikrofinanz hat auch durch die anhaltenden Negativzinsen Auftrieb. Woher kommt nun die grössere Nachfrage: Von Investoren, die einen positiven Impact bewirken möchten oder von Investoren, die nach einer stabilen Renditequelle suchen?

Der ESG-Boom betrifft natürlich auch die Mikrofinanz-Manager: Wir sind das «S», decken im ESG-Universum also die soziale Komponente ab und tauchen entsprechend in den ESG-Screenings auf. Das ist zweifelsohne ein Treiber.

«Mikrofinanz ist per se nachhaltig»

Gleichzeitig stellt das Tief- und Negativzinsniveau für Pensionskassen eine gewaltige Herausforderung dar. Weil Mikrofinanz einen Zinsaufschlag verspricht, wir sprechen in Franken von einer Rendite von 3 Prozent, und die Marktkorrelation sehr tief ist, ist dies eine attraktive Anlageklasse.

Im ESG-Bereich laufen Regulierungsbestimmungen, um «Green Washing» zu verhindern. Gibt es im Mikrofinanz-Bereich feste und unabhängig geprüfte Kriterien?

Da ESG ein Filterkriterium für die Anlagewelt darstellt, versucht sich jede Bank und jeder Asset Manager so aufzustellen, dass er den ESG-Filter-Test besteht. Mikrofinanz ist vor 20 Jahren so konstruiert worden, dass es per se und durch die Wertschöpfungskette hindurch nachhaltig ist. Mikrofinanz kann nur so funktionieren.

Stellt Mikrofinanz nicht auch gezielte Entwicklungshilfe für einen lokalen Finanzsektor dar, indem ein Wirtschafts- und Kreditzyklus aufgebaut wird?

Ja und das ist im Prinzip auch gut so. Denn es spiegelt die Entwicklung einzelner Kleinst- und Kleinunternehmer, die ihre Kreditsummen mit der positiven Entwicklung ihres Geschäftes jeweils erhöhen: Von anfänglich 500 bis 1'000 Dollar bis zu Beträgen im fünfstelligen Bereich. Das ist jeweils der Zeitpunkt, an dem der Kreditnehmer nicht mehr Mikrofinanz benötigt, sondern Zugang zu einem lokalen Bankkredit erhält. Insofern entwickelt Mikrofinanz jeweils auch eine lokale Finanzmarktinfrastruktur. Hat sich dies eingestellt, muss man sich einen neuen Markt suchen.

Wo liegen derzeit die neuen Mikrofinanz-Märkte?

Ein Beispiel ist Myanmar, das bis vor zwei Jahren noch wegen Sanktionen für Mikrofinanz nicht zugänglich war, jetzt aber sehr interessante Bedingungen und Chancen bietet.

Mikrofinanzinstitute verlangen je nach Region Zinsen von bis zu 35 Prozent für einen Kredit. Die Rendite eines Mikrofinanzfonds liegt bei rund 3 Prozent. Gibt es Möglichkeiten, beispielsweise technologischer Art, die Transaktionsverluste zu mindern?

Man darf nicht vergessen, dass die Kredite oftmals in lokalen Währungen vergeben werden, die hohe Inflationsraten aufweisen. Das macht einen guten Teil dieser Differenz zu einer Fondsrendite aus, die in Dollar ausgewiesen wird. Der weitaus grösste Teil der übrigen Transaktionsverluste fällt bei den lokalen Mikrofinanzinstituten an, wo die Arbeit sehr personalintensiv ist. Der hohe Zins bedeutet demnach nicht, dass viel daran verdient wird, sondern dass die Kosten für eine einzelne Kreditvergabe und die Begleitung des Kunden hoch sind. Eine Studie der Weltbank hat aufgezeigt, dass weniger die Zinslast entscheidend für den geschäftlichen Erfolg eines Mikrokredit-Empfängers ist als die enge Begleitung durch das Institut.


Remo Oswald ist Managing Partner von Enabling Qapital. Der Mikrofinanz-Manager wurde im Mai von ehemaligen Mitarbeitern von Blue Orchard gegründet. Stationen Oswalds waren unter anderem auch GAM, BZ Bank, Horizon21 sowie Lombard Odier. 

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