Der frühere Unternehmensberater Pål Erik Sjåtil will die in London beheimatete und auch in Zürich ansässige Firma Lightrock weltweit zur Nummer eins im Impact Investing machen. Er glaubt dabei nicht, dass die Anleger altruistischer geworden sind, sondern dass seine Finanzierungslösungen einfach enorm attraktive Investitionschancen bieten. 


Herr Sjåtil, zunächst einmal, wie lautet Ihre Definition von Impact Investing?

Impact Investing bedeutet im Wesentlichen, zielgerichtet in eine bessere Zukunft zu investieren. Die Absicht dahinter ist, neben einer finanziellen Rendite eine positive, messbare und langfristige Wirkung auf Gesellschaft und Umwelt zu erzielen. Der Investor verpflichtet sich, die Wirkung der Investitionen zu messen und darüber Rechenschaft abzulegen.

Schlagwörter wie «Impact» und «positive Wirkung» klingen recht abstrakt und sind in vielen verschiedenen Bereichen möglich – auf welche konzentrieren Sie sich?

Wir stellen denjenigen Unternehmen Kapital zur Verfügung, die mit innovativen Geschäftsmodellen dazu beitragen, die drängendsten Herausforderungen unserer Welt zu lösen. Dabei konzentrieren wir uns auf drei Hauptthemen: Mensch, Planet und Produktivität respektive Technologie für den guten Zweck; also «people, planet and productivity/tech for good».

«Togetherall ist eine rund um die Uhr verfügbare Online-Community für Menschen mit psychischen Problemen»

Innerhalb dieser Themen investieren wir in Unternehmen, die skalierbare, oft technologiegetriebene Lösungen in Sektoren wie Bildung, Gesundheit, erneuerbare Energien und Nahrungsmittel entwickelt haben.

Können Sie ein Unternehmen nennen, das Sie persönlich besonders inspirierend finden?

Es ist schwer, nur eines auszuwählen. Aber ich würde Togetherall hervorheben, ein Unternehmen, dessen Dienstleistungen während der Pandemie unglaublich wichtig geworden sind.

Was macht dieses Unternehmen?

Togetherall ist eine rund um die Uhr verfügbare, sichere Online-Community für Menschen mit psychischen Problemen. Auf die eine oder andere Weise haben wir alle erlebt, wie die Zahl der Menschen, die gestresst, ängstlich oder niedergeschlagen sind, in Zeiten von Covid-19 dramatisch zugenommen hat.

«Damals, 2007, gab es den Begriff Impact Investments noch gar nicht»

Das Unternehmen kombiniert psychologische Expertise, innovative Technologie und eine sichere Community, um den Nutzern rund um die Uhr Kurse und persönliche Unterstützung anzubieten. Während des ersten Lockdowns in Grossbritannien hat Togetherall eine verdoppelte Zunahme an Nutzern verzeichnet.

Warum haben Sie sich persönlich entschieden, ins Impact Investing einzusteigen?

Das Zusammenspiel von Wachstum, Technologie und Impact finde ich äusserst faszinierend. Ich bin überzeugt, dass dieses in Zukunft noch wichtiger werden wird. Und ich wage zu behaupten, dass früher oder später alle Investitionen nach ihrem positiven oder negativen Einfluss auf diese Welt beurteilt werden.

Ich freue mich darauf, diese Entwicklung in meiner neuen Rolle voranzutreiben und zu einer nachhaltigeren Form des Kapitalismus beizutragen.

Mit Ihrem Unternehmen wollen Sie ein weltweit führender Anbieter im Impact Investing werden. Wo steht Lightrock heute?

Die Impact-Investment-Aktivitäten von Lightrock begannen 2007 – damals gab es den Begriff «Impact Investments» noch gar nicht. Lightrock gehörte somit zu den Pionieren. Heute verwalten wir ein Portfolio von mehr als 60 wachstumsstarken Unternehmen weltweit.

«Einige unserer Portfoliounternehmen sind inzwischen Unicorns geworden»

Das ist eines der grössten impact-orientierten Wachstumsportfolios in Europa, Lateinamerika und Indien. Einige unserer Portfoliounternehmen sind inzwischen zu «Unicorns» geworden, wie CMR Surgical, das Minimal Access Surgery dank Robotik mehr Menschen zugänglich macht, oder Lilium, ein nachhaltiges Luftfahrtunternehmen.

Welche Beträge investieren Sie üblicherweise?

Wir bieten direktes privates Beteiligungskapital für Unternehmen in der Wachstumsphase. Normalerweise liegen unsere Investitionen in der Höhe von 20 bis 75 Millionen Dollar. Sie können aber auch bis zu 100 Millionen Dollar betragen.

Inwiefern hat die Corona-Pandemie die Aussichten für Impact Investing verändert?

Sie erwarten wahrscheinlich, dass uns die Pandemie zurückgeworfen hat, wie die meisten Unternehmen weltweit. Das war aber nicht der Fall. Bis jetzt hat die Pandemie einen positiven Effekt auf Impact Investitionen gehabt.

Wie überraschend!

Finden Sie das wirklich? Tatsächlich hat die Covid-19-Krise vollends sichtbar gemacht, wie wichtig ein überlegter Einsatz von Kapital wirklich ist. Erste Branchenanalysen weisen darauf hin, dass ESG-Investitionen – eine weitere Form des nachhaltigen Investierens – während des Covid-19-Marktcrashs stabiler waren. Die Pandemie hat das Anlegerinteresse an Impact Investitionen auf der ganzen Welt weiter gefördert.

«Bekanntlich trifft eine Krise die Schwächsten leider immer am stärksten»

Als die Pandemie die verschiedenen Regionen erreichte, begannen wir, noch enger mit unseren Unternehmen zusammenzuarbeiten. Gemeinsam mit ihrem Management konzentrierten wir uns auf die Stabilisierung des Betriebs und der Finanzen.

Sind es also die stabilen und innovativen Unternehmen, die die Krise überleben?

Nicht nur überleben. Ja, die Geschäftsmodelle der meisten unserer Portfoliofirmen haben sich mittelfristig als sehr widerstandsfähig gegenüber der Pandemie erwiesen. Was aber noch interessanter ist: In einer Post-Covid-Welt steigt die Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen dieser Unternehmen sogar noch.

Haben Sie ein Beispiel für diese These?

Smartcoin ist ein indisches FinTech-Unternehmen, das über seine App Mikrokredite anbietet. Es hilft unterversorgten Teilen der Bevölkerung wie Arbeitern, Kleinunternehmern und jungen Berufstätigen. Bekanntlich trifft eine Krise die Schwächsten leider immer am stärksten. Das gilt auch für diese Menschen.

«Man kann auf seine Rendite fokussiert sein und trotzdem selbstlose Ziele verfolgen»

Als der wirtschaftliche Schock der Pandemie sie zu lähmen drohte, beschleunigte Smartcoin jedoch die Umsetzung einer Reihe von technologischen Änderungen und Innovationen, um ihnen den Zugang zu Krediten zu erleichtern. Gleichzeitig stellten sie die Leistungsfähigkeit des Unternehmens sicher. Das Ergebnis: Im Vergleich zum Vorjahr konnte Smartcoin ein immenses Wachstum verzeichnen – nicht ein doppeltes, sondern ein dreifaches.

Woran lag das?

Ich denke, das liegt vor allem an den technologieorientierten, skalierbaren Modellen unserer Portfoliounternehmen – viele nutzen Innovationen im Bereich der Digitalisierung und Künstlichen Intelligenz. Oft haben sie Innovationen in Sektoren, die jetzt in den Fokus gerückt sind, bereits umgesetzt und skaliert und sind nun in der Lage, mit dem Nachfragesprung sofort mitzuziehen.

Wir haben auch festgestellt, dass Investoren – sowohl private als auch institutionelle – zunehmend daran interessiert sind, Kapital in solche zukunftssicheren High-Impact-Unternehmen zu lenken.

Werden Investoren somit altruistischer?

Nun, das ist das Schöne an Impact Investments: Man kann auf seine Rendite fokussiert sein und trotzdem selbstlose Ziele verfolgen. Und, um auf Ihre Frage zu antworten: Nein, die Investoren sind nicht einfach altruistischer geworden.

«Ich habe mich schon immer leidenschaftlich für Investments interessiert»

Ich denke, es liegt zum einen daran, dass Investoren erkennen, dass diese Modelle pragmatische Lösungen bieten und Kapital benötigen, aber auch einfach daran, dass sie attraktive Investitionsmöglichkeiten sind.

Zum Schluss noch eine persönliche Frage: Sie haben den grössten Teil Ihrer Karriere beim Unternehmensberater McKinsey verbracht. Was hat Sie zu Ihrer beruflichen Neuorientierung bewogen?

Ich habe mich schon immer leidenschaftlich für Investments interessiert. Bei McKinsey betreute ich Private-Equity-Kunden, die grosse Fonds in Europa verwalteten, und privat besitze ich mehrere Beteiligungen in verschiedenen Regionen.

Bei McKinsey habe ich Kunden aus verschiedenen Branchen beraten und viel Erfahrung bei der Beurteilung von Investment-Deals gesammelt. Als CEO und Global Managing Partner von Lightrock habe ich nun das Privileg, Weltklasse-Unternehmer dabei zu unterstützen, Impact im grossen Umfang zu erzielen.

Am Ende ist Lightrock einfach ein Team von extrem leidenschaftlichen, engagierten Spezialisten, mit denen es Spass macht, zusammenzuarbeiten.


Pål Erik Sjåtil ist seit Oktober 2020 CEO der 2007 von der liechtensteinischen Bankengruppe LGT initiierten Firma Lightrock, die ihren Sitz in London, aber auch ein Büro in Zürich hat. Sie beschäftigt heute weltweit 55 Anlagespezialisten. Zuvor war Sjatil Managing Partner der Niederlassungen von McKinsey in Europa sowie Senior Partner und Mitglied des Aktionärsrats. Zuvor leitete der Norweger die Niederlassungen von McKinsey in Osteuropa, dem Nahen Osten und Afrika und war Managing Partner für Osteuropa und Norwegen. Er betreute dabei Kunden aus den Bereichen Private Equity, Hightech und Telekommunikation. Er studierte an der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technologie und diente als Offizier in der Königlichen Norwegischen Luftwaffe, bevor er zu McKinsey stiess.