Verschwendet Bitcoin Energie? Nein. Vielmehr konsumiert Bitcoin verschwendete Energie, schreibt Finanzspezialist Pascal Hügli auf finews.ch. Diese sei zudem oft grün.

Unbestritten: Bitcoin verbraucht heute jede Menge Energie. Doch dieser Fakt sollte nicht Streitpunkt dieser Debatte sein. Vielmehr sollte die Frage im Mittelpunkt stehen: Ergibt es einen Sinn, so viel Energie für so etwas wie Bitcoin aufzuwenden? Und woher stammt die Energie überhaupt?

Pascal Hügli

Pascal Hügli, Finanzexperte und HWZ-Dozent

Wer in Bitcoin selbst keinerlei Funktion oder Sinn sieht, dem fällt es leicht, den Energieverbrauch für das Crypto Asset als reine Verschwendung abzutun. Doch sollte man sich als Kritiker stets hintersinnen: Gibt es gar kein Argument, das für Bitcoin spricht und seinen Energieaufwand rechtfertigen könnte?

Idee einer Energiewährung

Doch: Die Idee, dass Geld mit Energie unterlegt sein könnte, haben viel kluge Menschen schon lange Zeit vor dem Bitcoin angedacht. Henry Ford, der anfangs des 20. Jahrhunderts dem Auto zum Durchbruch verhalf, plädierte für eine «Energiewährung». Sein Argument: Derartiges Geld würde nicht so leicht kontrolliert werden können wie beispielsweise Gold.

Stattdessen würde jedes Land dieses Geld basierend auf seinen Energieressourcen emittieren können. Ebenfalls aufgegriffen hat diese Idee der Universalgelehrte Buckminster Fuller, als er Vermögen und Wohlstand als Energie definierte und prognostizierte, dass wir dereinst ein wissenschaftliches Buchhaltungssystem (eine Blockchain vielleicht?) haben würden, das über dieses Vermögen Buch führt.

Bitcoin verwandelt Strom in Sicherheit

Wie von diesen grossen Denkern angedacht, existiert ein solches «Energie-Geld» seit 2009. Bitcoin erfüllt Henry Fords Definition ziemlich exakt: So schlug er eine Währung vor, die durch Kilowattstunden (kWh) gedeckt ist – genau so wie es heute mit Bitcoin heute der Fall ist. Die Kryptowährung ist durch Energieeinsatz, auch Proof-of-Work genannt, gedeckt.

Neue Bitcoin-Einheiten werden nur gegen geleistete Arbeit in Form von Bitcoin-Mining ausgegeben. Mit steigendem Aufwand durch alle Miner wird es für den einzelnen Miner immer schwieriger und teurer, neue Bitcoin zu minen. So sieht es das Bitcoin-Protokoll vor. Letztlich folgt das Netzwerk einer einfachen Gleichung: Je mehr Energie Bitcoin absorbiert, desto sicherer und zuverlässiger wird es.

Blockbelohnung zieht Miner an

Es ist derzeit möglich, dass Bitcoin zu viel Sicherheit produziert und daher mehr Energie als nötig verbraucht. Noch ist das Krypto-Netzwerk in seiner «Reifungsphase», in der mehr und mehr Miner durch die nach wie vor hohe Blockbelohnung an neuen Bitcoin anzogen werden. In der langen Frist dürfte sich der Energieaufwand mehr an den Transaktionsgebühren orientieren und die Kosteneffizienz von Bitcoins Sicherheits- und damit Energieaufwand relativ zur Marktkapitalisierung hoch sein.

Auf der Suche nach dem günstigsten Strom

Der dezentrale Charakter von Bitcoin hat einen weiteren grossen Vorteil: Bitcoin-Miner operieren ortsunabhängig und sind an keinen standortgebundenen Abnehmer gekoppelt. Da sich die Miner in einem hoch-kompetitiven Umfeld bewegen, liegt der Schluss nahe, dass sie es auf die günstigsten Energiequellen abgesehen haben. Oftmals sind das sogenannte gestrandete Energiequellen – also Stromerzeugnisse, die keine Abnehmer finden.

Hier kommen immer öfter die Bitcoin-Miner ins Spiel. Sie zapfen Energie dort ab, wo sie keiner oder nur wenige wollen. Und das vor allem in China. So sind Miner vor allem in vier Provinzen aktiv: Xinjiang, Innere Mongolei, Sichuan und Yunnan. Die ersten zwei Gegenden sind eher kohlereich, während letztere riesige Wasserkraftwerke führen. Allen gemeinsam ist, dass sie eine relativ geringe Bevölkerungsdichte haben, gleichzeitig aber über grosse Energieressourcen verfügen.

Miner nehmen niemandem etwas weg

Obschon exakte Zahlen fehlen, ist anzunehmen, dass Bitcoin in diesen Provinzen zu einem grossen Teil mit Energie geschürft wird, die sonst verschwendet oder erst gar nicht produziert würde. Irreführend ist daher die Annahme, wonach das Bitcoin-Netzwerk im grossen Stil Strom von anderen Anwendungen «klauen» würde.

Auch ausserhalb von China sind Miner hinter nicht-rivalisierender und daher günstiger Energie her. So gibt es in den USA erste Firmen, die überschüssiges Erdgas einfangen, um damit Mining zu betreiben. Methan, das sonst als Abfall in die Atmosphäre entlassen würde, wird aufgefangen und für die Stromerzeugung genutzt. Dieser Strom wird dann für das Mining und zur Sicherung von Bitcoin verwendet.

Bitcoin wird mehr gestrandete Energie nutzen

Auch diese Art des Bitcoin-Energieverbrauchs konkurrenziert Haushalte und andere Industrien kaum. Ohne Bitcoin wäre dieser Energie niemals monetarisiert, aufgefangen und verbraucht worden. Vielmehr wäre mehr Methan – ein klimaschädlicheres Treibhausgas als CO2 – einfach so in die Erdatmosphäre gelangt.

Schätzungen zufolge werden global jährlich mehrere 100 Terrawattstunden an Energie nicht produziert, weil keine Abnehmer dafür gefunden werden können. Aufgrund der Anreize, denen Miner ausgesetzt sind, sowie der Ökonomik rund um gestrandete Energieressourcen ist zu erwarten: Künftig dürfte Bitcoin einen grösseren und grösseren Anteil dieser Energie abschöpfen.


Pascal Hügli ist Leiter Research für den Vermögensverwalter Schlossberg&Co. Nebenbei engagiert er sich als Moderator, Debattierer und Dozent an der HWZ. Mit seinem neuen Newsletter Insight DeFi möchte er die breite Masse kompetent und prägnant über die Ereignisse und Chancen der neuen dezentralen Welt von Bitcoin und Co. informieren.

 

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