Digitale wie auch nachhaltige Anlagen boomen. Gemeinsam bieten sie dem Schweizer Finanzplatz immense Chancen – dumm nur, das Bitcoin & Co schlimme Energiefresser sind. Oder gibt es Auswege?

Seit Tesla-Gründer Elon Musk 1,5 Milliarden Dollar an Firmengeldern in Bitcoin wechselte, gehen die Wogen hoch. Dass der Elektroauto-Pionier in eine digitale Währung investiert, deren Protokoll so viel Strom verbraucht wie die ganze Schweiz, halten Kritiker für unverzeihlich.

Diesen Standpunkt vertritt etwa der führende Anleihen-Investor Blue Bay Asset Management: Bitcoin und Nachhaltigkeit (ESG) seien zwei unvereinbare Trends, urteilte das Fondshaus jüngst auf dem deutschen Branchen-Portal «Private Banking Magazin». «Es hat den Anschein», so Blue Bay, «als ob die Hipster und Millennials, die sich derzeit auf Kryptowährungen stürzen, letztlich überhaupt kein Interesse an ESG-Ansätzen haben – und eher durch den Wunsch motiviert sind, schnell reich zu werden.»

Sechs Wochen warten auf Krypto-Konto

Das ist ziemlich dick aufgetragen und sollte auch auf dem Schweizer Finanzplatz zu denken geben. Denn sowohl digitale Tokens und Coins wie nachhaltige Investments haben hier in den vergangenen Monaten massiv an Bedeutung gewonnen. So kletterte die wichtigste Kryptowährung Bitcoin dieser Tage über die 50’000-Dollar-Marke, was das Geschäft im hiesigen «Crypto Valley» explodieren lässt. Beim Broker Bitcoin Suisse müssen Neukunden nun bis zu sechs Woche warten, ehe sie ein Konto eröffnen können.

Gleichzeitig holt die Schweiz in weltweiten ESG-Rankings Bestnoten. Bis im Sommer 2020 kletterte das Volumen der von Schweizer Akteuren nachhaltig angelegten Vermögen zum Vorjahr um 62 Prozent auf 1'163 Milliarden Franken. 38 Prozent aller in der Schweiz gehandelten Fonds genügen nachhaltigen Standards. Sogar der weltgrösste Vermögensverwalter Blackrock spannt neu mit der Grossbank Credit Suisse (CS) zusammen, um Schweizer Nachhaltigkeits-Knowhow anzuzapfen.

Kritik flaut nicht ab

Entsprechend immens wäre das Potenzial, gelänge es dem Standort, die beiden Trends auf einen Nenner zu bringen. Doch das scheint, glaubt man Stimmen wie Blue Bay, ganz unmöglich. Oder etwa doch nicht? Bei führenden Schweizer Krypto-Anbietern relativieren Experten die Musk-Schelte – und zeigen, wie Krypto und ESG doch zusammenpassen könnten.

Mit der Kritik bereits auseinandergesetzt hat sich Raffael Huber, der Leiter für Research beim Zuger Broker Bitcoin Suisse. Er nimmt nicht an, dass diese Kritik abflauen wird: «Wenn zunehmend Institutionelle wie Pensionskassen in digitale Anlagen vorstossen, wird der Informationsbedarf sehr gross sein.»

Huber hat seine Replik entsprechend vorbereitet. «Der Energieverbrauch von Bitcoin ist derzeit sehr stark im Fokus», sagt er zu finews.ch. Man müsse aber differenzieren. So würden gegen 74 Prozent der Energie für die Rechenpower, die es braucht, um die bedeutendste Digitalwährung zu «schürfen», mittlerweile aus erneuerbaren Quellen gewonnen.

Mining als Treiber für erneuerbare Energie?

Das können zum Beispiel nicht ausreichend ausgeschöpfte Staudämme in China sein, oder – wohl nachhaltiger – Erdwärme auf Island. Jedenfalls sind die Bitcoin-Schürfer hoch mobil und ziehen dorthin, wo sie günstige Energie vorfinden. Und das sind oftmals die staatlich geförderten erneuerbaren Energieträger.

«Miner» können dabei helfen, neue Kraftwerk-Projekte in der Anfangsphase zu subventionieren, bis der Absatz anzieht, gibt Huber zu bedenken. Bictoin-Mining als Katalysator für die Verbreitung erneuerbarer Engergien – ein Argument, dass bisher noch kaum gehört wurde.

Währenddessen, und hier kommt die Schweizer Vermögensverwaltungs-Industrie ins Spiel, sind weniger energieintensive Schürfprozesse für Coins und Tokens im Aufwind. So werden im so genannten Staking neue Digitaldevisen mittels Hinterlegung von (digitalem) Geld anstatt durch den Einsatz von Rechenpower geschöpft. Auf dieser Methode beruhen etwa die heute schon breit gehandelten Kryptowährungen Ethereum 2 und Polkadot. Bei spezialisierten Krypto-Fintechs wie Bitcoin Suisse zählt das Staking inzwischen fest zum Angebot.

«Ein riesiger Business-Case»

Eine direkte Brücke zu nachhaltigen Investment-Produkten – etwa «grünen» Anleihen und Emissionsrechten – und der Kryptowelt ist derweil noch nicht gebaut. Doch auch diesbezüglich gibt es in der Blockchain-Szene bereits erste Planspiele. Davon weiss Stijn Vander Straeten zu berichten, CEO der Storage-Infrastruktur und des Tokenisierungs-Geschäfts beim Schweizer Fintech Crypto Finance.

Er sieht in der Tokenisierung – der Übertragung von Wertrechten auf die digitale Blockchain – höchst interessante Anwendungen für nachhaltige Investments. «Mittels Smart Contracts liesse sich etwa eine digitale Anleihe so ausgestalten, dass ein Unternehmen mehr Coupon zahlt, wenn es gewisse Nachhaltigkeit-Standards nicht einhält.»

Allerdings, gibt Vander Straeten zu bedenken, bräuchte es dazu unabhängige Prüfstellen, die diese Standards festlegen und überwachen. Im ESG-Bereich, so der Experte weiter, sei dies heute generell ein Problem. Es mangle an anerkannten Regelwerken und Indizes, die zur Messlatte taugen. «Wenn diese aber einmal vorhanden sind, dann ist das ein riesiger Business-Case.»

Tokenisierung kurz vor dem Durchbruch

Hinter den Kulissen kommen die Arbeiten zur Tokenisierung herkömmlicher Wertschriften rasch voran, wie der Finanzmanager durchblicken lässt. So unterstützt Crypto Finance europäische Grossbanken bei Pilotprojekten; die Schweizer stellen dabei die Infrastruktur für die Verwahrung und Verwaltung der Wertschriften-Token. «In sechs bis 18 Monaten werden wir erste Produkte am Start sehen», ist Vander Straeten überzeugt.

Bis zur Tokenisierung von ESG-Produkten dürfte es hingegen länger dauern, mahnt der Krypto-Kenner. «Die Zukunft wird sicher tokenisierte ESG-Finanzprodukte bringen», sagt Vander Straeten. «Allerdings sind beide Themen mit entsprechender Komplexität und regulatorischen Konsequenzen verbunden, was für die Finanzindustrie vor allem bedeutet: Es braucht mehr Zeit.»

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.62%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    19.19%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    27.56%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.41%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.23%
pixel