Der Präsident der Weltbank hat in einer Rede in Zürich entschiedene Massnahmen zur Bekämpfung der wachsenden Ungleichheit gefordert. Die sich überlappenden Krisen würden den Graben zwischen Industrie- und Schwellenländern vertiefen, warnt David Malpass.

«Der Krieg in der Ukraine, der Preisanstieg für Energie, die Auswirkungen der Pandemie und die hohe Verschuldung der Staaten haben insbesondere in den Schwellenländern katastrophale wirtschaftliche und soziale Folgen», sagte Weltbank-Präsident David Malpass am (gestrigen) Montagabend in seiner Rede an der Universität Zürich. Die sich überlappenden Krisen auf der Welt verschärften die Ungleichheit, mahnte er eindringlich. Dies auch mit Blick auf den Ukraine-Konflikt.

«Der Krieg in der Ukraine verursacht katastrophal hohen Schäden und Kosten, die mit jedem Tag weiter steigen.» Die Schäden durch den Krieg beziffert Malpass auf rund 4 Milliarden Dollar pro Woche. «Die Welt verlangt, dass Russland den Krieg beendet.»

Schnelle Hilfe für die Ukraine

Die Weltbank sei bereits jetzt mit Hilfen für die Ukraine und die besonders betroffenen benachbarten Staaten aktiv. «Seit Beginn des Krieges hat die Weltbank in kürzester Zeit über 500 Millionen Dollar ausgezahlt und mehr als 4,5 Milliarden Dollar mobilisiert, um die Gesundheitsversorgung, die Renten und die Löhne der öffentlichen Bediensteten zu finanzieren.» Auch die Bewältigung der Flüchtlingsströme sei eine wichtige Aufgabe.

Die steigenden Preise für Lebensmittel und Energie bedeuten eine dramatische Verschlechterung der Lebensbedingungen für die Menschen in den Entwicklungsländern. «Die hohe Inflation ist für viele ärmere Staaten eine wirtschaftliche und soziale Katastrophe.» Je ärmer ein Land sei, desto schlechter könne es sich vor steigenden Preisen schützen und die Folgen für die Bevölkerung auffangen.

Neuausrichtung bei der Energie

«Die Loslösung von russischer Kohle, Öl und Gas und wird Zeit und grosse Anstrengungen erfordern.» Letztlich müssten erneuerbare Energien aber fossile ersetzen. Dabei verwies er auf die Bemühungen für den Ersatz der russischen Gaslieferungen etwa durch Norwegen, Algerien oder über neue LNG-Terminals in Deutschland und anderen europäischen Ländern.

«Die Veränderungen in der Energieabhängigkeit wird aber auch ausserhalb der EU Folgen haben. Der europäische Bedarf schränkt die Verfügbarkeit im Rest der Welt ein und die Knappheit bei Flüssiggas wird die Verwendung von Kohle und anderen CO2-intensiven Energieformen in anderen Ländern steigen lassen.» Auch bei chemischen Produkten wie etwa Kunstdünger werde es Engpässe geben, was wiederum negative Auswirkungen für die Lebensmittel-Produktion bedeute.

Winston Churchills Vision

Malpass kam in diesem Zusammenhang auf einen berühmten Vorredner zu sprechen: Der frühere britische Premierminister Winston Churchill habe in seiner berühmten Rede in Zürich im Jahr 1946 seine Vision für ein friedliches Europa und den wirtschaftlichen und politischen Aufbau Europas präsentiert. «Wir hoffen, dass wir das gleiche für die Ukraine erreichen können», sagte der Weltbank-Präsident.

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(David Malpass (rechts) im Gespräch mit Julius Bär VRP Remo Lacher (links) und Christian Schwarzenegger von der Universität Zürich, Bild: York Runne /finews.ch)

Doch nicht nur die jüngsten Krisen durch die Aggression Russlands in der Ukraine sieht Malpass als schwerwiegend an. Auch durch andere Konflikte steigt weltweit die Zahl der Menschen, die vor Krieg und Gewalt flüchten. Weiter forderte Malpass einen weitreichenden Schuldenerlass für die ärmsten Länder der Welt. «Der Krieg in der Ukraine sollte jetzt zu einem Umdenken in den reichen Ländern führen. Wir müssen die armen Staaten von ihren erdrückenden Schulden befreien», sagte er.

Ungleicher Stimulus

Auch die Folgen der Covid-19-Pandemie und die Schuldenkrise in vielen Ländern der Welt steht bei Malpass hoch oben auf der Agenda. Die Weltbank unterstützt durch Investitionsprogramme den Aufbau von krisenfähigen Gesundheitssystemen in einer Reihe von Ländern.

«Covid hat die armen Länder abgehängt,» sagte Malpass. Kapital stand nur einer kleinen Gruppe von Staaten zur Verfügung, und manche Länder hätten hohe Schulden aufgenommen. «Der Stimulus kam fast nur den Bürgern in den entwickelten Ländern zugute.» Diese Länder hätten davon profitiert, dass bei ihnen das Kreditrisiko faktisch als nicht existent bewertet wurde, während die Schwellenländer Risikoaufschläge zahlen mussten. Die jetzt steigenden Zinsen drohen die Ungleichheit noch zu akzentuieren.

«Die westlichen Länder müssen alle ihnen zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um die Inflation zu bekämpfen.» Dazu zählt Malpass etwa niedrigere öffentliche Ausgaben, das Zurückfahren von «unproduktivem Konsum» oder die Senkung der Anleihen-Bestände. Das Ziel müsse dabei Wirtschaftswachstum und eine ausreichende Versorgung mit Gütern sein.

Abhängigkeit von China

Neben der Lebensmittel-Versorgung und der Gesundheit bilde auch die Klimapolitik einen Schwerpunkt der Arbeit der Weltbank. Hier unterstütze man langfristig angelegte Projekte, wobei die Wirksamkeit der Massnahmen im Zentrum stehe. Als Beispiele nannte der Präsident etwa Programme im Bereich Methan-Lecks, beim Abfackeln von Gas oder Hilfen beim Ersatz alter Kohlekraftwerke in Indien. Auch eine effektivere Landnutzung könne einen grossen Einfluss auf die Klimabilanz haben.

Eine Abkehr von der Globalisierung will Malpass nicht als Lehre aus dem aktuellen Ukraine-Konflikt ziehen. «Handel ist ein wirklich mächtiges Werkzeug, und die Globalisierung ist dessen verlängerter Arm.» Bei den Lieferketten seien die westlichen Länder aber übermässig abhängig von China und bei der Energie von Russland. «Im Umgang mit autokratischen Staaten muss man Vorsicht walten lassen.»

Seine Rede hielt der Weltbankpräsident am Montagabend im Rahmen der Churchill Lectures des Europa Instituts an der Universität Zürich.


David Malpass wurde 2019 als 13. Präsident der World Bank Group gewählt. Der Ökonom und republikanische Politiker arbeitete im US-Finanzministerium, als Volkswirt bei der Bank Bear Stearns und 2016 als Wirtschaftsberater des damaligen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump. Trump war es auch, der Malpass als Nachfolger für Jim Yong Kim auf dem Top-Posten der Weltbank vorschlug.

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