René Bühlmann ist überzeugt, dass die Kunden bereit sind, für Spezialwissen zu zahlen. Im Gegensatz dazu werde der Preis für standardisiertes Asset Management weiterhin unter Druck stehen, sagt der Schweizer Chef des globalen Fondsgeschäfts beim britischen Finanzdienstleister Abrdn Investments.


Herr Bühlmann, Sie gelten als grosser Kenner Asiens und insbesondere Chinas. Wie gut kennen Sie den Schweizer Vermögensverwaltungsmarkt?

Ich habe meine Karriere mit einer Banklehre in der Schweiz begonnen und war dann fast 30 Jahre bei der UBS tätig, bevor ich im März 2021 zu abrdn kam. Während dieser Zeit hatte ich zahlreiche Funktionen in verschiedenen Abteilungen inne, darunter auch die Aufsicht über den inländischen Fondsvertrieb in der Schweiz. Ich bin also mit den lokalen Präferenzen und Kundenbedürfnissen durchaus vertraut.

abrdn ist seit 2009 in der Schweiz präsent und AMAS-Mitglied seit 2010: Wie wichtig ist der Schweizer Absatzmarkt in Bezug auf abrdn als Ganzes?

abrdn ist einer der grössten britischen Vermögensverwalter mit einer sehr starken Präsenz, insbesondere in Asien und Europa. Die Schweiz ist der Hauptsitz vieler globaler Schweizer Vermögensverwalter und Versicherungsgesellschaften und verfügt auch über einen sehr entwickelten Rentenmarkt. Unsere Präsenz in der Schweiz ist daher von entscheidender Bedeutung.

Sie kamen als Asien-Chef zu Abrdn, leiten jetzt aber den gesamten Investmentbereich. Worauf konzentrieren Sie sich im Moment?

Die gesamte Asset-Management-Branche ist mit Gegenwind konfrontiert, aber wir konzentrieren uns auf das, was wir kontrollieren können: die besten Ergebnisse für unsere Kunden zu erzielen.

Dazu müssen wir unser Wertversprechen schärfen und unser Angebot und unsere Produktpalette vereinfachen, um einen klaren Fokus zu schaffen und die Kosten zu senken. Unser Ziel ist es, die betriebliche Effizienz zu verbessern und mit einer klaren Struktur und Führung eine gute Anlageperformance zu erzielen.

Wo stehen Sie in dem Prozess?

Unsere Umstrukturierung ist gut vorangekommen, auch wenn es angesichts des Marktumfelds immer noch schwer ist, von neuen Investitionsströmen zu profitieren. Unsere Aktien- und Multi-Asset-Kapazitäten wurden neu ausgerichtet, wir rationalisieren Produkte und untergeordnete Fonds, und wir sind auf dem besten Weg, unsere Kosten deutlich zu senken.

Wir haben unsere geografische Präsenz angepasst und sind dort Vertriebsvereinbarungen eingegangen, wo eine Präsenz vor Ort zu kostspielig ist. Wir veräussern zudem Geschäftsbereiche, die nicht zum Kerngeschäft gehören. So haben wir im Juli 2023 den Verkauf des amerikanischen Private-Equity- und Venture-Capital-Geschäfts und im Oktober den unseres europäischen Private-Equity-Geschäfts angekündigt.

Abrdn setzt bei seiner Produktpalette mehr auf Tiefe als auf Breite und konzentriert sich zum Beispiel auch auf alternative Anlagen oder digitale Assets. Was war der Auslöser für diese strategischen Anpassungen?

Ich glaube, dass die Kunden bereit sind, für Spezialwissen zu zahlen, während der Preis für die standardisiertes Asset Management weiterhin unter Druck stehen wird.

Wir positionieren uns also klar als globaler spezialisierter Asset Manager, der in bestimmten Bereichen seine Stärken hat. Mit Assets von 81 Milliarden Pfund in unserem alternativen Bereich profitieren wir von der jüngsten Neupositionierung. Unsere Private-Credit-Strategien, die sich auf 8 Milliarden Pfund an verwalteten Vermögen belaufen, erfreuen sich einer starken Nachfrage, unter anderem in den Bereichen Commercial Real Estate Debt, Fund Finance und massgeschneiderte Möglichkeiten mit Versicherern.

Wir sind auch davon überzeugt, dass die Tokenisierung die Zukunft im Asset Management sein wird. Wir sind der grösste Anteilseigner von Archax, der ersten im Vereinigten Königreich regulierten digitalen Börse, und haben vor kurzem die Schaffung von tokenisierten Interessenvertretungen in unserem abrdn Sterling Flaggschiff-Liquiditätsfonds auf der Archax-Plattform angekündigt, ein Meilenstein in unserer Strategie für digitale Vermögenswerte.

Wie sieht es mit der Emerging-Markets-Strategie aus?

Aufgrund unserer Tradition im Versicherungsbereich sind wir ein sehr bedeutender Anleger in festverzinsliche Wertpapiere und bekannt für unsere Stärke bei Aktien: Asien und Schwellenländer, Small und Midcap, Equity Income, Nachhaltigkeit und Themen. Die Wachstumschancen in Asien sind eindeutig. Wir sind dort gut positioniert mit einer starken Anlageperformance in den Schwellenländern und verwalten einen der grössten China A-Fonds.

Wir ziehen auch Ergänzungsakquisitionen in Betracht, um unsere Position in Kerngeschäften zu stärken. Im Juni dieses Jahres übernahmen wir das auf das Gesundheitswesen spezialisierte Fondsmanagementgeschäft der US-amerikanischen Tekla Capital.

Darüber hinaus haben wir mehrere Megatrends in den Bereichen Biotechnologie und Gesundheitswesen, Clean Tech und Digital Assets ausgemacht. Sie können davon ausgehen, dass wir weiter in diese Bereiche investieren werden.

Asien ist neben der Schweiz Ihre zweite Heimat: Wie entwickelt sich das Asset Management dort auf Seiten der lokalen Anbieter?

Das Asset Management in Asien ist stark gewachsen und hat sich weiterentwickelt, was den lokalen Anlegern Wettbewerb und eine grössere Auswahl an Anlagemöglichkeiten beschert hat. Das Wirtschaftswachstum in Asien hat auch den Wohlstand erhöht, und es besteht nun eine grössere Nachfrage nach professionellen Vermögensverwaltungsdienstleistungen. Ein wichtiger Megatrend ist die zunehmende Demokratisierung des Sparens.

Von Australien, Japan und Singapur bis hin zu Thailand und China befinden sich die asiatischen Rentenmärkte in unterschiedlichen Stadien. Die entwickelten Rentensysteme bewegen sich in Richtung einer offeneren Investitionsarchitektur. Da die Verantwortung für die Ruhestandsplanung zunehmend beim Einzelnen liegt, steigt die Nachfrage nach Beratung sowie gut strukturierten und transparenten Lösungen. Die Anleger zeigen auch Interesse an nachhaltigen Anlagen, so dass ESG-orientierte Produkte und ESG-Analysen an Bedeutung gewinnen.

In der Region herrscht derzeit ein Mangel an ESG-Fachwissen, weshalb wir uns darauf konzentrieren, APAC-zentrierte Lösungen zu entwickeln und eine APAC-weite Wissensgemeinschaft für Nachhaltigkeit aufzubauen. Zu diesem Zweck haben wir im vergangenen Jahr unser Asia Sustainability Institute gegründet.

Asien ist ein struktureller Wachstumsmarkt für Asset Manager: Welche Voraussetzungen sollte ein Schweizer Anbieter mitbringen, um dort Fuss zu fassen?

Der asiatische Markt ist vielfältig und komplex. Um erfolgreich zu sein, muss man seine Strategien an die spezifischen Länder und Kulturen anpassen. Es ist wichtig, die Dynamik des asiatischen Marktes genau zu verstehen, einschliesslich wirtschaftlicher Trends, regulatorischer Rahmenbedingungen, kultureller Nuancen und Anlegerpräferenzen. Asien ist kein homogenes Gebilde, und jedes Land hat seine eigenen, einzigartigen Merkmale.

Die Einrichtung lokaler Niederlassungen ist entscheidend. Der Aufbau von Partnerschaften mit lokalen Finanzinstituten, Vertriebskanälen und einflussreichen Branchenvertretern kann die Glaubwürdigkeit erhöhen und den Zugang zu einem breiteren Kundenstamm erleichtern.

abrdn ist eine der ersten ausländischen Vermögensverwaltungsgesellschaften, die eine 100-prozentige ausländische Niederlassung in China gegründet hat. Wir haben auch ein Versicherungs-Joint-Venture gegründet – Heng An Standard Life (HASL) – das eine der ersten Rentenlizenzen für Ausländer besitzt.

Wie ist das Anlage-Know-how der Kunden?

Die Anlagestrategien müssen den Präferenzen und der Risikobereitschaft der asiatischen Anleger entsprechen, zum Beispiel globale Lösungen und Ertragsstrategien. Wir wollen auch der asiatische Nachhaltigkeitsexperte sein. Wie bereits erwähnt, haben wir im Jahr 2022 das abrdn Sustainability Institute in Asien gegründet.

Eines der Hauptziele ist der Aufbau einer Apac-Wissensgemeinschaft für nachhaltige Investitionen. Natürlich braucht es Zeit, um in Asien Präsenz und Vertrauen aufzubauen, sowie die Beachtung einiger Grundregeln: Seien Sie geduldig und zeigen Sie ein langfristiges Engagement in der Region. Passen Sie Ihre Strategien auf der Grundlage des Marktfeedbacks und der sich ändernden Bedürfnisse der Anleger an.

Wir haben unser erstes Büro in Asien 1992 eröffnet. Von den bescheidenen Anfängen mit einer Person, die in einem Ladenlokal in Singapur arbeitete, präsentiert sich abrdn heute mehr als 100 Anlageexperten in neun Märkten im asiatisch-pazifischen Raum.


Rene Bühlmann stiess 2021 als Leiter des Geschäft im asiatisch-pazifischen Raum zu Abrdn. Seit April 2023 ist er CEO des globalen Fondsgeschäfts. Zuvor war er 29 Jahre bei der UBS tätig, unter anderem als Head of Asset Management Asia Pacific. Im Jahr 2005 übersiedelte er nach Asien. Er absolvierte das TRIUM Global Executive MBA Programm der New York University, der London School of Economics und der HEC Paris. Er ist eidgenössisch diplomierter Bankfachmann.

Dieser Beitrag erscheint in Zusammenarbeit mit der Asset Management Association Switzerland.

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