Primärmarkt belebt sich – Stadt Zürich kann es am längsten
Ausländische Schuldner und Schweizer Unternehmen (Corporates) sind im Mai an den Frankenanleihenmarkt zurückgekehrt. Das zeigt die jüngste Statistik der selber im Emissionsgeschäft aktiven Zürcher Kantonalbank (ZKB).
Im April herrschte am Primärmarkt als Folge des US-Zollhammers Katerstimmung. Es wurden nicht einmal halb so viele Obligationen begeben wie im März (ohne die Auktion der Eidgenossenschaft). Insbesondere Schuldner aus dem Ausland und heimische Unternehmen blieben dem Markt fern. Grund dafür war die grosse Unsicherheit, die sich in einem sprunghaften Anstieg der vom Markt geforderten Renditeaufschläge gegenüber dem Swapsatz niederschlug. Es handelt sich dabei um eine für die Kosten der Mittelaufnahme über die Ausgabe von Obligationen zentrale Grösse.
Viel Betrieb und bekannte Namen am Primärmarkt
Was die ZKB damals in Aussicht gestellt hatte, ist nun eingetroffen: Der Primärmarkt wurde im Mai wieder viel besser frequentiert. Das Emissionsvolumen liegt auf dem Wert vom März, also auf über 10 Milliarden Franken.
Im Inlandsegment waren speziell die Corporates aktiv – sie holten sich 1,8 Milliarden Franken. Darunter waren Energieschuldner (Nant de Drance und Axpo), international bekannte Namen (ABB, Dormakaba, Georg Fischer), aber auch «Varia» wie der Detailhandelsriese Coop, die Immobiliengesellschaft PSP Swiss Property, das Kantonsspital Aarau und die SIX Group.
Premiere für die Stadt Dietikon
Auch die öffentlich-rechtlichen Schuldner nutzten die besseren Marktkonditionen, so der Kanton Thurgau und die Städte Zürich, Bern, Lugano sowie Dietikon. Für letztere handelt es sich um die Debütanleihe. Im Rahmen ihres Ratingsmodells für Städte und Gemeinden hat die ZKB die Stadt Dietikon mit AA– und stabilem Ausblick eingestuft. Der Emissionserlös wird v.a. für die Finanzierung von Ausbauten und Sanierungen von Schulanlagen eingesetzt; die Stadt hat einen Ausländeranteil von fast 50 Prozent und profitiert vom kantonalen Ressourcenausgleich.
Zu den Stammgästen zählen die Kantonalbanken (sechs Emissionen mit einem Volumen von fast 1 Milliarde Franken) sowie die beiden Pfandbriefbanken, die für ihre Mitgliedinstitute zusammen gut 2,1 Milliarden Franken aufnahmen. Als einziger inländischer Finanzschuldner (Financial) ausserhalb des Kantonalbankensektors trat die EFG Bank auf.
Dichtestress im Auslandsegment
Auch im Auslandsegment war das Menü für die grossmehrheitlich institutionellen Anleger (Versicherungen, Pensionskassen, Asset Manager), die für grössere Einkäufe gerne den Primärmarkt nutzen, reichhaltig – oder in Worten der ZKB: «ein buntes Potpourri».
Darunter waren namhafte Corporates (Hilti aus dem nahen Liechtenstein, Caterpillar), Sovereigns (Republik Österreich), internationale Organisationen bzw. Supras (Weltbank und Inter-American Development Bank), Provinzen (Victoria aus dem fernen Australien), Financials (Lloyds, Deutsche Bank, BNG, Nordea, NatWest Markets, Crédit Agricole mit einer nachrangigen Anleihe und aus Chile Scotiabank sowie Santander). Dazu gesellten sich ein australischer Strassenbetreiber (Transurban Queensland), ein holländischer Damm- und Deichfinanzierer (Nederlandse Waterschapsbank) und die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (die längst andere Zwecke erfüllt als den ursprünglich zugedachten).
Die Stadt Zürich kann es länger als alle anderen
Offenbar ist die Pipeline für den Juni gut gefüllt, zudem sind Emittenten erfahrungsgemäss bestrebt, ihre Schäflein bzw. ihre Transaktion noch vor den Sommerferien ins Trockene zu bringen. Tim Schmucki vom ZKB-Kapitalmarktteam (und mit ihm sicher auch alle Akteure der anderen Emissionsbanken) freut sich gemäss Newsletter jedenfalls bereits «auf den Schlussspurt im ersten Halbjahr 2025».
Zum Juni-Auftakt überraschte die Stadt Zürich. Sie lancierte erneut eine Anleihe, diesmal über 125 Millionen Franken und mit einer doch sehr bemerkenswerten Laufzeit von 100 Jahren. Es handelt sich – abgesehen von Spezialfall der Perpetuals, d.h. ewigen Anleihen mit Kündigungsrecht des Emittenten (Beispiele dafür sind hybride Bonds wie Contingent Convertibles von Banken) – wohl um die längste je begebene Emission am Schweizer Markt. Als Federführerin zum Handkuss kam allerdings nicht ein Zürcher oder zumindest ein Schweizer Finanzinstitut (was diese etwas fuchsen dürfte), sondern ein ausländisches: die Deutsche Bank.
Die Eidgenossenschaft überholt
Zum Vergleich: die beiden längsten Anleihen der Eidgenossenschaft laufen bis 2058 (2016 emittiert) bzw. bis 2064 (2014). Die Bundestresorerie hatte anno 1999 das Segment der Ultralangläufer mit der Emission eines fünfzigjährigen Bonds eröffnet.
Apropos Emissionsbanken: Diese sorgen (oder sollten es zumindest tun) auch im Handel am Sekundärmarkt für Liquidität, also dafür, dass Käufer und Verkäufer bereits kotierter Obligationen dort möglichst gute Angebote vorfinden (Market Making).
Auch der Sekundärmarkt regt sich
Gemäss den am Montag von der SIX Swiss Exchange publizierten Börsenkennzahlen für den Mai hat der Umsatz in Frankenobligationen gegenüber April um 6 Prozent auf 12,3 Milliarden Franken zugenommen. Insgesamt wurden dieses Jahr bislang 11 Prozent mehr Obligationen umgesetzt als in der entsprechenden Vorjahresperiode. Rückläufig war allerdings die Zahl der Abschlüsse. Die SIX registrierte 31'337 Transaktionen – das sind 2,1 Prozent bzw. 3,7 Prozent weniger als im Vormonat bzw. im Vorjahr.
Auch wenn bei der Interpretation der aggregierten Sekundärmarktdaten Vorsicht geboten ist (weil zahlreiche Sonderfaktoren, z.B. grössere Umschichtungen einzelner gewichtiger Investoren, mitspielen können): Der Frankenanleihenmarkt präsentiert sich in einer vergleichsweise robusten und vitalen Verfassung.
Gute Nachricht für Schuldner, Banken, Investoren, Finanzplatz und Volkswirtschaft
Das ist nicht nur für die Schuldner (die sich Mittel zu attraktiven Konditionen beschaffen können), die Banken (die an der Federführung, Syndizierung, Lancierung und am Handel verdienen) und für die Investoren (denen eine reichhaltige Auswahl geboten wird, was die Deckung spezifischer Bedürfnisse erlaubt) eine gute Nachricht.
Denn zum einen gehört ein funktionstüchtiger Anleihenmarkt auch zur Grundausstattung des Schweizer Finanzplatzes. Und zum anderen dient er, indem er die effiziente Zuteilung und Verwendung von Kapital ermöglicht, auch einem aus Sicht der ganzen Volkswirtschaft durchaus relevanten und wertvollen Zweck.