Geldwäsche: Wir Anwälte sind nicht das Problem
Von David Zollinger
Das Parlament hat am 26. September 2025 eine Revision des Geldwäschereigesetzes GwG abgesegnet, das neu auch Anwältinnen und Anwälte sowie die sogenannten Berater den GwG-Pflichten unterstellt, wenn sie bei Geschäften mit Grundstücken oder bei der Errichtung von Sitzgesellschaften beratend mitwirken (Link zum PDF). Allerdings entschied das Parlament, dass «angesichts des tiefen Risikos von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung» u.a. Geschäfte «mit einem Wert unter fünf Millionen Franken» vom Geltungsbereich des Gesetzes ausgenommen sind.
Die Ausnahmebestimmungen führten zu heftigen Reaktionen. Verschiedene Parlamentarierinnen beklagten, zum Beispiel im Schweizer Fernsehen, die Vorlage sei verwässert worden und bleibe «zahnlos», die überwiegende Mehrzahl der Geschäfte werde damit auch weiterhin nicht dem Gesetz unterstellt sein. Das Portal «Gotham City» liess verschiedene NGO zu Wort kommen, die kritisierten, «die rechte Anwaltslobby» im Parlament habe mit ihrem übermässigen Einfluss dafür gesorgt, dass wesentliche Regeln geschwächt würden und internationale Kontrollen erschwert würden.
MROS will den Finanzsektor «sensibilisieren»
Kurz darauf, am 7. Oktober 2025, publizierte die Meldestelle für Geldwäscherei MROS in Englisch einen sog. «Typology Report» (Link zum PDF), also eine Aufstellung möglicher Vorgehensformen bei Geldwäscherei. Ziel dieser Auflistung soll sein, «den Finanzsektor anhand konkreter Praxisbeispiele zu sensibilisieren und ihm neue Informationen zu liefern, die er in seine Abwehrmassnahmen, beispielsweise in die Überwachung von Transaktionen, einfliessen lassen kann», wie das MROS gegenüber Gotham City verlauten liess. Auffälligerweise finden sich dort unter Kapitel 3 mit dem Titel «Focus Enabler» bei sieben von neun Beispielen Personen aus Rechtsberufen. Die geneigte Leserschaft erhält den Eindruck, dass gerade diese Personen besonders hart am Wind segeln und jedenfalls bisher Lücken im System zum Waschen von dubiosen Geldern benutzt hätten.
Immerhin: Die in Zusammenhang mit den «Focus Enabler» beschriebenen Fälle stehen in keinem direkten Zusammenhang mit der neu geschaffenen Regelung, denn sie beschreiben allesamt Situationen, die längstens vom Gesetz erfasst sind und bestraft werden können. So bezeichnen die Fälle ein Treuhandverhältnis (Cases 1, 4 und 9), den Missbrauch eines Formular A (Case 2) oder eines Formular R (Cases 3 und 7) sowie die Umgehung von Sanktionen (Case 5). Allesamt Verhaltensweisen also, die unabhängig von einer bestimmten Tätigkeit (und damit auch von Angehörigen von Rechtsberufen) ein strafbares Verhalten erfüllen können – die Treuhandtätigkeit ist seit Anfang dem GwG unterstellt (auch wenn sie von Anwälten ausgeübt wird), das vorsätzlich falsche Ausfüllen eines Formular A wird schon seit Jahrzehnten strafrechtlich als Urkundenfälschung behandelt, und wer mit dem Formular R unzulässige Transaktionen verschleiert, kann sich der Teilnahme an Geldwäschereihandlungen strafbar machen. Nichts Neues also.
Unterstellung von Rechtsberatern
Laut der Botschaft zum Gesetzesprojekt soll «diese Unterstellung Rechtsberaterinnen und -berater…dazu bewegen, ihren Kundinnen und Kunden bei bestimmten Dienstleistungen Fragen über die an einem Geschäft beteiligten Personen und den Zweck des Geschäfts zu stellen… Zudem werden die Beraterinnen und Berater so in die Lage versetzt, die von ihren Kundinnen und Kunden erhaltenen Informationen zu nutzen, um den Missbrauch ihrer Dienstleistungen zu verhindern… Die Sorgfaltspflichten sollen die Angehörigen der Rechtsberufe davor schützen, in Geldwäscherei- oder Terrorismusfinanzierungsgeschäfte involviert zu werden» (vgl. PDF Seite 16).
Mit anderen Worten: Die neuen Pflichten, die wie immer für die Betroffenen zu beträchtlichem zeitlichem (Weiterbildung, Dokumentation) und finanziellem (zusätzliche Revision, evtl. zusätzliches Personal) Zusatzaufwand führen werden, dienen also hauptsächlich dazu, dass die offenbar naiven Angehörigen der Rechtsberufe davor geschützt werden sollen, gegen ihren Willen in strafbare Handlungen involviert zu werden.
Auch Schweizer Anwälte als «Officers of the court»?
Was ist denn nun tatsächlich neu? Die bisherige Regelung verpflichtet nur Anwältinnen und Anwälte, die eine Treuhandtätigkeit ausüben und über die Vermögenswerte ihrer Kunden verfügen können. Neu wird bereits die Beratung zu solchen Geschäften von den Sorgfaltspflichten erfasst sein, wenn sie nicht im sog. Monopolbereich erfolgt (also in Zusammenhang mit der Beratung zu oder der Vorbereitung von Gerichts-, Straf-, Verwaltungs- oder Schiedsverfahren). Im Monopolbereich wird dagegen weiterhin das Berufsgeheimnis der Anwältinnen und Anwälte gelten; wo das Berufsgeheimnis gilt, muss über die Geschäfte der Kundschaft der Mantel des Schweigens ausgebreitet werden.
Die generelle Tendenz ist klar: Der Bund will im Gleichschritt mit dem Ausland die Anwaltschaft zu einer Art «Officers of the court» (Organe der Rechtspflege) machen – sie sollen nicht mehr ausschliesslich den Interessen der Mandantschaft verpflichtet sein, sondern auch Mitwirkungspflichten gegenüber der Justiz tragen. Die EU unterstellt denn bereits heute Buchprüfer, Steuerberater, Notare und andere selbständige Angehörige von rechtsberatenden Berufen ihrer Geldwäscherei-Richtlinie 2015/849 mit entsprechenden Meldepflichten.
Entkernung des Berufsgeheimnisses
Wo sich der Bundesrat und die Bundesverwaltung täuschen: Bei der Anwaltschaft wird das Berufsgeheimnis entweder ein zentrales Hindernis sein – oder es wird faktisch sinnentleert werden. Sämtliche Informationen, die einem schon beim Erstgespräch mitgeteilt werden, fallen bereits unter das Berufsgeheimnis und schliessen damit heute und in Zukunft eine Gw-Meldung aus. Wie liesse sich denn im Nachhinein beweisen, dass ein Beratungsgespräch in einer Anwaltskanzlei ausserhalb des Monopolbereichs stattfand? Insofern wird sich bei praktizierenden Anwälten tatsächlich kaum etwas ändern, die neue Regel bleibt von Anfang an toter Buchstabe.
Was aber im Sinne der «Officer of the court»-Entwicklung eher zu befürchten ist: Faktisch wird es zu einer Beweislastumkehr kommen, bei der die Anwälte im Falle einer Verfahrenseröffnung gegen ihre Mandanten belegen müssen, dass sie nicht über meldepflichtige Umstände informiert worden waren – gelingt der Beweis nicht, haben sie sich mindestens der Verletzung von Meldepflichten schuldig gemacht. In solchen Fällen kann das Berufsgeheimnis im Nachhinein vollständig ausgehebelt werden.
Die Grenzen sind klar
Die Situation ist etwas besser zu verstehen, wenn man den Anlass für diese neue Unterstellung betrachtet. Zahlreiche Fälle sind bekannt, bei denen Anwälte Finanzstrukturen aufsetzen, selbst aber nicht über Zeichnungsberechtigung für die Kundenkonti verfügen. Die Konti lauten auf Sitzgesellschaften, deren Organe lediglich treuhänderisch tätig sind und ihre Anweisungen von den Treugebern – und damit von den Anwälten der Kunden – entgegennehmen. Weil die Kunden (und damit auch ihre Anwälte) formell nicht über Zeichnungsberechtigung und Zugang zu den Konti verfügen, sind sie keine Finanzintermediäre und unterstehen entsprechen nach heutigem Recht auch nicht den Gw-Sorgfaltspflichten. Sie können aber als faktische Organe den treuhänderischen Organen der wirtschaftlich ihnen gehörenden Gesellschaften Aufträge erteilen.
Der Bundesrat mag recht haben, wenn er Personen erfassen will, die «nicht die Verfügungsmacht über die Vermögenswerte Dritter erlangen». Das Problem sind aber wie erwähnt nicht Berater oder Anwälte, die zu wenig Fragen stellen, sondern Fachpersonen, die haargenau wissen, wo die Trennlinien der heutigen Regulierung verlaufen. Ganz ehrlich, so naiv und leichtgläubig sind dann die Angehörigen der Rechtsberufe auch wieder nicht, wie der Bundesrat in der Botschaft treuherzig andeutet. Wer sich beruflich mit finanzkräftigen Personen abgibt, weiss in der Regel haargenau, mit wem er es zu tun hat, wo die Vermögenswerte herkommen und wo die Grenze zwischen Naivität, Grobfahrlässigkeit und schierer Dummheit oder gar Vorsatz verläuft.
Vorschlag zur Güte
Wenn man denn tatsächlich eine qualitative und nicht nur eine quantitative Verbesserung der Lage wollte, dann müsste wohl hier der Hebel einer Revision bei den Rechtsberufen und anderen Beratern ansetzen: Dass faktische Organe gleichbehandelt werden wie die tatsächlichen Organe. Es bedürfte dazu vermutlich nur eines zusätzlichen Absatzes 3a im GwG, wonach «Personen, die gegenüber einer Person nach Absatz 3 weisungsberechtigt sind, denselben Pflichten wie diese unterstehen». Eine solche Anpassung wäre nicht nur zielführender, sondern wohl im Parlament auch mehrheitsfähig.
David Zollinger ist Partner der Rechtsanwaltskanzlei Zollinger Rohner mit Schwerpunkt u.a. im Straf- und Wirtschaftsstrafrecht. Zuvor war er Staatsanwalt des Kantons Zürich und später Partner einer Privatbank. Er lehrte an der Hochschule Luzern und ist heute u.a. Dozent im Fachanwaltskurs des Schweizerischen Anwaltsverbands (SAV). Selbst ist er weder als Finanzintermediär noch als «Berater» im Sinne der neuen Gesetzgebung tätig.