Höhere Aktienquoten, Einheits-Pensionskassen und arbeiten bis 70: Vermögensberater Marcel Chevrolet erklärt im Interview mit finews.ch, wie sich  die Vorsorge-Landschaft nun drastisch verändert.


Herr Chevrolet, die jüngsten Börsenverwerfungen sind nach wie vor ein grosses Thema. Welche Auswirkungen hat der Crash auf die Pensionskassen?

Alle Pensionskassen (PK) haben heftige Kursverluste erlitten. Das hat zur Folge, dass einige von ihnen nun einen Deckungsgrad von unter 100 Prozent aufweisen. Je nach Reglement müssen etliche PKs bei Unterdeckung nun Liquidität schaffen. Jedoch zögern viele von ihnen aus Angst, es werde noch schlimmer...

Was läuft hier schief?

Die Probleme der Pensionskassen sind nicht neu, durch die jetzige Krise werden sie bloss akzentuiert. Weil wir älter werden, müssen die PKs immer länger Renten auszahlen, zumal die Renten vom Gesetz her nie gesenkt werden dürfen.

«Wir erhalten heute 30 Prozent tiefere Renten als uns noch vor zehn Jahren versprochen wurde»

Wollen wir folglich den aktuellen Rentenstandard halten, müssen wir bis mindestens 67, besser bis 70 arbeiten. Paradox dabei ist jedoch: Die Generation 50+ wird nach und nach entlassen und findet oft keine Anstellung mehr.

Auch wegen der Negativzinsen erwirtschaften die PKs nicht mehr ausreichend Ertrag, um die Renten langfristig zu sichern.

Richtig, deshalb müssen sie die Umwandlungssätze senken. In den vergangenen Jahren sind diese bei Gutverdienern bereits um 30 Prozent gesenkt worden. Das heisst, dass wir 30 Prozent tiefere Renten erhalten als uns noch vor zehn Jahren versprochen wurde.

In der Schweiz existieren immer noch mehr als 1'600 unabhängige PKs. Bestünde hier nicht ein riesiges Potenzial, um die Kosten drastisch zu senken?

Sicher. Für viele wäre eine Einheits-Pensionskasse à la AHV eine valable Alternative. Die AHV arbeitet selber höchst effizient und mit sehr tiefen Kosten.

Pensionskassen haben einen langfristigen Anlagehorizont. Wäre es vor diesem Hintergrund nicht nötig, andere Investmentstrategien zu fahren?

Grad in der heutigen Situation hört man das nicht gerne: Eigentlich sollten die Aktienquoten deutlich höher sein. Bei einem Anlagehorizont von 20 Jahren und mehr gibt es keine Alternativen zu Aktien.

«Ich denke, dass die private Nachfrage für Wohneigentum zurückgehen wird»

Seit 1986 steigt der Swiss Performance Index (SPI) um durchschnittlich 7 Prozent pro Jahr.

Viele PKs sind in einem hohen Mass in Liegenschaften investiert. Hat der Schweizer Immobilienmarkt seinen Zenit erreicht?

Die Pensionskassen erreichen immer noch etwa 4 Prozent Rendite mit ihren Wohnliegenschaften, und die Nachfrage bleibt besonders in den Städten hoch. Ich denke aber, dass die private Nachfrage für Wohneigentum zurückgehen wird.

Warum?

Jetzt wird abgewartet, wie sich die Situation entwickelt. Die Unsicherheit ist riesig, deshalb dürften die Preise zurückkommen. Bei den gewerblichen Liegenschaften dürfte es schwieriger werden. Ich rechne mit mehr Leerständen. Wir lernen gerade: Homeoffice geht wunderbar...

«Ich gehe davon aus, dass unsere Banken eine restriktivere Kreditpolitik fahren werden»

Im Weiteren bleibt abzuwarten, wie sich der Hypothekarmarkt weiterentwickelt: Werden die Eigenmittelanforderungen angehoben? Ich gehe davon aus, dass unsere Banken eine restriktivere Kreditpolitik fahren werden.


Marcel Chevrolet ist seit Mai 2014 als Vermögensberater selbständig. Dabei hat er sich neben der klassischen Vermögensverwaltung auf Kostenanalysen sowie auf die Beratung von Kunden mit Freizügigkeitsgeldern spezialisiert. Vorher war er als Kundenberater und Direktionsmitglied bei verschiedenen Finanzinstituten tätig, unter anderem bei der UBS, bei der früheren Bank Sarasin, BNP Paribas, EFG International und der Commerzbank (Schweiz).

 

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