Der CEO von LGT Asien, Henri Leimer, erklärt im Interview mit finews.ch, warum viele asiatische Kunden den zur Schau gestellten Luxus mancher Privatbanken eigentlich gar nicht mögen.


Herr Leimer, die Akquisition von ABN Amro durch die LGT-Gruppe ist abgeschlossen. Jetzt beginnt die harte Arbeit der Integration. Wie verläuft diese?

Im Vergleich zur erfolgreich abgeschlossenen Datenmigration ist diese Arbeit deutlich aufwendiger. Denn es gehört zu unserem Stil, dass wir uns mit jedem der rund 100 Kundenberater, die von ABN Amro gekommen sind, zusammensetzen, ihn mit unserem System bekannt machen, Kundenportfolios prüfen, Anpassungen vornehmen, Bedürfnisse abfragen.

Dies wollen wir mit einem gewissen Tempo vollziehen, damit sich die neuen Mitarbeiter möglichst rasch wohl fühlen und auch arbeiten können. Weil wir in den vergangenen Jahren nur organisch gewachsen sind, verfügen wir über viel Know-how bei der Integration neuer Mitarbeiter.

Sind von den 20 Milliarden Dollar an Kundenvermögen von ABN Amro keine abgewandert?

Es gab praktisch keine Abflüsse, nein.

Sie integrieren eine Organisation, die ungefähr gleich gross ist wie die LGT in Asien. Das wird Veränderungen zur Folge haben.

Unsere Plattform ist inzwischen, was ihre Kapazitäten und Möglichkeiten betrifft, mit jener von Grossbanken durchaus vergleichbar.

«Wir haben in den vergangenen zehn Jahren praktisch keinen Kundenberater verloren»

Das erleichtert eine solche Integration ungemein. Vor wenigen Jahren wäre dies noch nicht möglich gewesen.

Müssen Sie die neuen Kundenberater mit besonderen «Retention»-Massnahmen bei der LGT halten?

Nein, solche Massnahmen benötigen wir nicht. Wir haben in den vergangenen zehn Jahren praktisch keinen Kundenberater verloren. LGT bietet den Mitarbeitern ein unternehmerisches Umfeld, das auch Freiheiten lässt.

Zudem gehören wir zu jenen Banken, die wachsen. Das sind Faktoren, die unseren Kundenberatern und unseren Mitarbeitern insgesamt zusagen.

Mit anderen Worten es fällt Ihnen leicht, qualifizierte Banker zu finden?

Wir verfügen, abgesehen von der ABN-Akquisition, über eine gute Pipeline an erfahrenen Bankern, die zur LGT wechseln wollen. Das heisst, wir werden auch dieses Jahr ein gutes organisches Wachstum aufweisen.

Heisst «unternehmerisches Umfeld», dass Sie gute Leistungen besonders honorieren?

Nicht nur. Bei der LGT heisst dies auch, dass wir von unseren Bankern eine gewisse Seniorität erwarten.

«Wir wollen unsere flachen Strukturen beibehalten. Das gehört zu unserer DNA»

In der Regel hat ein Kundenberater bei einer bereits etablierten Bank seine Kundenportfolios über Jahre hinweg aufgebaut und ist mit dem regulatorischen Umfeld bestens vertraut. Dadurch kann er sich bei uns relativ frei bewegen.

Was bedeutet diese massive Vergrösserung des Asiengeschäfts für Sie und das Management?

Wir wollen unsere flachen Strukturen beibehalten. Das gehört zu unserer DNA. Ausserdem sollen unsere lokalen Einheiten in Hongkong und Singapur sich um ihr lokales Geschäft kümmern können und keine Gruppenaufgaben übernehmen müssen.

Wie wirkt sich die Übernahme auf die Profitabilität im Asiengeschäft aus?

Sie wird tendenziell steigen. Wir sind an profitablem Wachstum interessiert und haben dies in der Vergangenheit auch erreicht.

«Bei der LGT ist weniger die Bank die Marke, sondern mehr der Banker»

Doch muss man berücksichtigen, dass unsere Einheit innerhalb der LGT-Gruppe ein Wachstumstreiber ist. Daher kann es bei der Kennzahl ‹Cost-Income-Ratio› zu höheren Schwankungen kommen als etwa in reiferen Märkten wie der Schweiz oder Liechtenstein.

Werden Sie alle Beschäftigten in den rückwärtigen Bereichen von ABN Amro weiterbeschäftigen?

Von den rund 300 neuen Mitarbeitern sind 120 in Supportfunktionen. Da kann es zu Überlappungen kommen. Doch wachsen wir organisch relativ schnell, so dass heute vorhandene Überkapazitäten in einem Jahr schon keine mehr sein werden.

Das Wachstum in Asien hat sich bei anderen Schweizer Privatbanken merklich abgekühlt. Was ist bei Ihnen der Treiber?

Wir ziehen erfahrene Banker an, weil sie bei uns eine Plattform finden, die mit der einer Grossbank vergleichbar ist und mit der sich Kunden akquirieren lassen.

«Dazu kann ich Ihnen eine Anekdote erzählen»

Gleichzeitig sind wir nur eine mittelgrosse Bank, was wesentlich weniger Reibungsverluste mit sich bringt. Bei der LGT ist weniger die Bank die Marke, sondern mehr der Banker.

Hat die LGT als «Fürstenbank» nicht ein Alleinstellungsmerkmal, das die Marke ausmacht und die Attraktivität fördert – sowohl für Mitarbeiter als auch für Kunden?

Das ist sicher richtig – in Bezug auf den Schweizer und den europäischen Markt. Doch hier in Asien ist das etwas anders. Die «Fürstenbank» hilft sicher, die Einzigartigkeit der LGT zu manifestieren, ist aber nicht allein ausschlaggebend.

Sondern?

Dazu kann ich Ihnen eine Anekdote erzählen: Ich habe kürzlich einen Kunden in Hongkong empfangen, wo unsere Räumlichkeiten vergleichsweise bescheiden sind. Er sagte mir: «Hier fühle ich mich wohl.» In vielen anderen Banken seien Empfang und Beratungsräume mit so viel Pomp und Luxus ausgestattet, dass er sich automatisch kleiner fühle, was fast schon beschämend sei.

Dieser Hang zum Repräsentieren, den viele Privatbanken pflegen, schätzen die asiatischen Kunden also nicht?

Aus unserer Erfahrung nicht unbedingt. Der typische asiatische Unternehmer, der es zu Wohlstand gebracht hat, leistet sich keine extravaganten Büros.

«Wir bieten nicht nur Vermögensverwaltung an»

Das «Fürstliche» bei der LGT in Asien besteht nicht im Repräsentieren, sondern vielmehr darin, dass hier Kunden, Banker und Besitzer der LGT im gleichen Boot sitzen. Das wird geschätzt.

Die LGT bietet nur Vermögensverwaltung an, verfolgt also ein anderes als das von vielen Instituten verfolgte Modell der «Unternehmerbank». Warum?

Wir bieten nicht nur Vermögensverwaltung, sondern die gesamte Palette von Investment Services an, wie kundengetriebene Handelsgeschäfte, Vermögensplanung, Kredit, etc. Wenn ein Kunde Finanzierungs- und Kapitalmarktdienstleistungen braucht, arbeiten wir mit Partnerbanken und Investmentbanken zusammen. Das kommt dem Kunden in der Regel entgegen.

Wie das?

Aus unserer Erfahrung «arbeiten» asiatische Kunden meistens mit mehreren Instituten zusammen, wohl auch, um ihr Risiko zu diversifizieren. Wir können unsere Kunden dennoch ganzheitlich betreuen. Das heisst, wir bieten auch Beratung für Vermögens- und Nachfolgeplanung an. Dies gehört bei der LGT zum Service und ist kein eigenes Profit-Center.

Mit einem Corporate-Finance-Angebot könnten Sie noch mehr Kunden ansprechen?

Wir sind keine Bank für «Tycoons» und wollen das auch nicht werden. Unser Ziel ist, dem Kunden eine persönliche und konsistente Beratung anzubieten.

«Letztlich muss der Kunde in das Portfolio des Beraters passen»

Im Gegensatz zu anderen Instituten betreuen bei uns die Berater ihre Kunden über Jahre hinweg. Wir wollen den Kunden nicht institutionalisieren. Er soll mit der LGT «banken» wollen – nicht müssen.

Wieviel Vermögen muss ein asiatischer Kunde mitbringen?

Rund zwei Millionen Dollar. Relevanter ist aber, dass der Kunde in das Portfolio des Beraters passt. Nicht der Kunde muss profitabel bewirtschaftet werden, sondern der Banker muss mit seinem Kundenstamm einen Gewinn erzielen. Das gibt dem Berater auch die Möglichkeit, neue Kunden aufzubauen. Macht er einen guten Job, fliessen ihm mehr Vermögen zu.

Viele grosse Vermögensverwalter stossen in neue asiatische Märkte wie China und Indien vor – verfolgen Sie auch solche Pläne?

Hinter solchen Plänen steht vielfach der Zwang, den Shareholder Value zu erhöhen, zumal diese Institute im übrigen asiatischen Markt bereits sehr gut aufgestellt sind. Wir müssen das nicht, da wir im gesamten asiatischen Markt Wachstum verzeichnen.


Henri Leimer ist ein Veteran im asiatischen Wealth Management. Den Liechtensteiner und heutigen CEO von LGT Asia zog es bereits 1989 als Portfoliomanager nach Hongkong. Im Jahr 1994 stiess er zur LGT, die dort seit 1986 ein Office unterhält.

Der 60-Jährige ist zudem seit 2013 Honorarkonsul für Liechtenstein in Hongkong. Die LGT hat Ende 2016 das asiatische Wealth Management der niederländischen ABN Amro übernommen und damit ihre Kundenvermögen in der Region auf einen Schlag verdoppelt.