Viel zu kurzfristige Betrachtung

«Rechtsfälle oder die Erfahrung in einzelnen Märkten sind eine viel zu kurzfristige Betrachtung, denn das ist alles vorübergehend. Die Partnerschaftsstruktur von Pictet ist auf Langfristigkeit ausgerichtet. Die durchschnittliche Zugehörigkeit unserer Partner liegt bei 20,5 Jahren», sagte ein Sprecher der Bank gegenüber finews.ch.

Boris Collardi werde der Bank neue Impulse bringen. «Unsere Partner haben Boris Collardi in ihr Partnergremium gerufen wegen seiner einzigartigen Persönlichkeit, seinem Charakter, seinen Fähigkeiten und seiner grossen Erfahrung», so der Sprecher weiter.

Auch ein Ausweg

Für Collardi mag der Wechsel zu Pictet auch ein Ausweg sein. Denn die Bank Julius Bär, die in den vergangenen zehn Jahren über verschiedene Akquisitionen stark gewachsen ist, steht dem Vernehmen nach im Zentrum einer aufsichtsrechtlichen Aufräumaktion, namens «Project Atlas».

Dabei sollen unerwünschte Kunden verabschiedet werden, bevor sie zu einem rechtlichen Risiko für das Unternehmen werden. Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht Finma wollte sich zur Sache nicht äussern. Fest steht indessen, dass Julius Bär in dieser Angelegenheit vollumfänglich mit den Behörden kooperiert.

Er verkörperte die Bank

Doch Collardi wird bei seiner neuen Arbeitgeberin auch lernen müssen, sich zu fügen. Denn wie kaum ein anderer Bank-CEO häufte er über die Jahre bei Julius Bär enorme Macht um sich. Er verkörperte quasi die Bank, wie es ein Berufskollege ausdrückt. Er hatte den Verwaltungsrat fest im Griff und schaffte es immer wieder, wichtige Entscheide nach seinem Gusto durchzusetzen.

Im Gegensatz dazu wird er bei Pictet einer von sieben Partnern sein, die Verantwortung wie auch die Gewinne konsequent teilen. Dabei können manchmal Monate oder gar Jahre verstreichen, bis sich die Partner einstimmig zu einem Entscheid durchringen können.

Weniger Glamour

Collardi wird auch auf den Glamour verzichten müssen, dem er in der Vergangenheit frönte. Im Sold von Pictet wird es ziemlich sicher keine weiteren Auftritte auf dem roten Teppich mit Leonardo DiCaprio in St. Tropez geben und auch keine halbstündigen Interviews mit dem Schweizer Ableger des US-Fernsehsenders «CNN Money». Viele Branchenleute erwarten, dass Collardi einen kulturellen Crash erleiden werde. «Pictet als Institution schätzt vor allem Diskretion und Konsens auf Partnerebene. Das ist nicht unbedingt die Boris-Collardi-Kultur», sagt ein Bankier aus Genf.

Collardi hatte indessen genügend Zeit, um sich seinen nächsten Karriereschritt reiflich zu überlegen. Mit seinem Wechsel zu Pictet gibt er immerhin aber seinen allergrössten Wunschtraum auf – nämlich eines Tages an der Spitze der UBS oder der Credit Suisse zu stehen.

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.62%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.85%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.03%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    8.99%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.51%
pixel