Vor zehn Jahren konnten Arbeitstätige mit einer um einen Viertel höheren Rente rechnen, berichtet Matthias Reinhart. Mit finews.ch hat der Chef der VZ Gruppe übers toxische Umfeld für die Vorsorge gesprochen, über den Ausbau seines Filialnetzes – und warum er selber nie pensioniert wird.


Herr Reinhart, Sie sind seit 1993 CEO der VZ Gruppe und einer der dienstältesten Schweizer Bankchefs überhaupt. Denken Sie bereits daran, kürzer zu treten?

Das ist ein grundsätzliches Thema für einen Unternehmer, der seine Firma übers eigene Leben hinaus entwickelt: Es gilt, die Nachfolge frühzeitig zu organisieren. Nun bin ich ja noch nicht im Pensionsalter, aber meine Zeit als CEO ist endlich – bis zum AHV-Alter sind es nur noch fünf Jahre. Wir haben das beim VZ sowohl im Verwaltungsrat wie auch in der Geschäftsleitung thematisiert und den nötigen Prozess installiert.

Das heisst?

Für uns ist klar, dass mein Nachfolger von innen kommen muss – wie es dem Vorgehen des VZ entspricht, soll auch dieser Vorgang organisch geschehen. Wir haben dazu genug Fähigkeiten auf Stufe Geschäftsleitung, ohne schon Namen zu nennen. In zwei bis drei Jahren wird die Ernennung Realität, der Konsens in der Unternehmung vorausgesetzt.

Sie haben Ihren Rücktritt als CEO augenscheinlich aufgegleist, während viele Arbeitstätige bei der Pensionierung in ein Loch fallen. Ist die Rente mit einem Stigma behaftet?

Als Unternehmer werden sie nicht pensioniert, genauso, wie ein Künstler nicht einfach aufhört – man macht ja schon das, was man will. Für 95 Prozent unserer Kunden stellt die Pensionierung aber einen massiven Bruch dar.

«Die demographische Entwicklung und das Tiefzinsumfeld führen zu immer mehr Unsicherheit»

Zuvor waren sie Angestellte mit einem regelmässigen Zahltag. Nun sind sie plötzlich selber verantwortlich für ihre Finanzen. Das ist eine komplett neue Situation, vergleichbar mit der Unternehmerrolle.

Unternehmer wie Sie sind also doppelt im Vorteil, weil sie den Zustand kennen und gar nie pensioniert werden?

Dafür haben Unternehmer genug andere Sorgen! Direkt nach der Gründung muss er oder sie eigentlich schon beginnen, die Nachfolge zu planen…

Die Pensionierung ist offensichtlich kein einfaches Thema. Trotzdem hat sich das VZ den Ü-50-Kunden und damit der Vorsorgeberatung verschrieben. Nun dringen immer mehr andere Banken auf dieses Terrain vor und rühren kräftig die Werbetrommel. Woher kommt der plötzliche Run auf die Vorsorge?

Einmal gibt es heute ein gesteigertes Kundenbedürfnis. Die demographische Entwicklung und das Tiefzinsumfeld führen zu Rentenkürzungen und immer mehr Unsicherheit, was den Beratungsbedarf in breiten Kreisen der Privatkundschaft anfacht. Und wozu bieten Banken das nun an?

Ja, wozu?

Historisch war die Beratung mit Blick auf die Pensionierung das Feld der Lebensversicherer, wo Aussendienstler stark provisionsgesteuert agierten. Heute haben wir die Beratungsnische zu Teilen besetzt, und andere Banken versuchen nun auch, in den Markt vorzustossen.

«Das halte ich für sehr schwierig»

Dies, weil sie im Zinsdifferenz-Geschäft unter Druck sind – die Marge zwischen Soll- und Haben-Zins hat sich in den letzten Jahren halbiert. Damit sind die Banken unter Zugzwang: Entweder sie erhöhen die Gebühren oder erfinden neue, was die Kunden nicht goutieren. Oder sie erschliessen neue Felder.

Und bringen damit das VZ in seinem Kerngeschäft unter Druck?

Was die Banken machen, ist ein klassischer Rettungsversuch. Allerdings ist die Vorsorgeberatung nicht trivial. Man verkauft keine Produkte, sondern eine Beratungsleistung. Die Kunden kommen nur, wenn man sich als Experte bewährt hat und das entsprechende Fachwissen vorweisen kann. Letzteres ist nur durch laufende interne Weiterbildung und Schulung zu erreichen. Ich glaube daher nicht, dass die Vorstösse der Banken in die Vorsorge von Erfolg gekrönt sein werden.

Banken könnten dazu bestehendes Personal umschulen, etwa aus dem Backoffice.

Das halte ich für sehr schwierig. Nicht zuletzt, weil das Geschäftsmodell ganz anders ist: Wir arbeiten auf Honorarbasis wie etwa Rechtsanwälte, was wiederum für eine zum Banking sehr verschiedenen Unternehmenskultur sorgt. Hinzu kommt die Haftung: Vorsorgeberater stehen in der Pflicht, wenn sie Fehler machen. Das schafft auch ein anderes Risikoprofil. Der Aufbau solcher Strukturen verlangt Fokus und viel Ausdauer – wenn es so einfach wäre, wären schon längst zig Anbieter in dieser Nische unterwegs.

Eine Umfrage des VZ hat unlängst ergeben, dass die Pensionierten sich immer mehr Belastungen ausgesetzt sehen. Nochmals: Die Nachfrage nach Beratung wäre vorhanden?

Die Situation hat sich für den einzelnen sicherlich zugespitzt. Vor zehn Jahren konnten sie noch mit einem Rentenversprechen rechnen, dass 25 Prozent höher war als heute, bei gleichem Lohn.

«Das klingt so nach Voodoo»

Die Kombination aus Langlebigkeit und Negativzinsen erweist sich als sehr toxisch für die Renten. Darum sind für immer mehr Leute Konzepte gefragt, um einen Teil des Vorsorgevermögens als Kapital zu beziehen, und nur noch einen Teil in der Pensionskasse zu verrenten. Dazu braucht es mehr Eigenverantwortung, was wiederum die Suche nach Unterstützung bei solchen Entscheidungen antreibt.

In der Säule 3a ist besonders viel Bewegung in Gange, auch Grossbanken wie die Zürcher Kantonalbank haben das private Vorsorgesparen als Feld für kostengünstige Robo-Advisor entdeckt. Das VZ betreibt schon rund zehn Jahre ein solches Instrument als Teil seines Finanzportals – erleben wir gerade einen Hype?

Nein, gar nicht. Wir sind die Pioniere in dem Feld und auch die grössten gemessen an den eingezahlten Vorsorgegeldern. Allerdings nennen wir unser Angebot nicht Robo-Advisor. Der Begriff ist negativ behaftet, das klingt so nach Voodoo. Eine Hexerei ist es aber gerade nicht: Man legt eine Allokation fest und setzt diese mit günstigen Index-Lösungen um. Der Roboter-Teil ist dabei nichts anderes als ein Rebalancing-Mechanismus, der die ursprünglichen Allokation nach einer gewissen Zeit wieder herstellt.

«Wir werden die günstigsten sein»

So werden etwa via ETF Aktien gekauft, wenn die Kurse gerade fallen und günstiger sind – zumeist ist das ein sehr positiver Effekt, der weitere Nachahmer finden wird.

Wie lautet denn der Rat des Veteranen an die Neulinge?

War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
War die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS rückblickend gesehen die beste Lösung?
  • Ja, es gab keine andere, wirtschaftlich sinnvolle Alternative.
    26.69%
  • Nein, man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen.
    18.56%
  • Nein, der Bund hätte die Credit Suisse übernehmen sollen.
    28.19%
  • Man hätte auch ausländische Banken als Käufer zulassen sollen.
    9.05%
  • Man hätte eine Lösung mit Schweizer Investoren suchen sollen.
    17.5%
pixel