Der Sonderausschuss der Credit Suisse hat einen Grossteil des Archegos-Fiaskos auf die Mitarbeitenden an der Kundenfront zurückgeführt. Doch die Bank scheint zu glauben, dass das Risikomanagement die Schuld trägt.

Der Bericht des Sonderausschusses, den die Credit Suisse (CS) vergangene Woche veröffentlicht hat, zeigt eine Reihe von interessanten Dingen auf – unter anderem, dass in der Bank akute, auffällige Risiken identifiziert wurden, die dann systematisch ignoriert wurden.

Der Report stellt auch eine interne Abneigung fest, sich auf «herausfordernde Diskussionen» einzulassen. Stattdessen steht eine kurzfristige Gewinnmaximierung im Vordergrund, das die «unersättliche Risikobereitschaft» des US-Hedgefonds Archegos überhaupt erst ermöglichte.

Wie eine Erzählung von Friedrich Dürrenmatt

Dennoch scheint die CS in ihrer Antwort die gesamte Schuld an dem Debakel allein dem Risikomanagement zuzuschieben. Auf der ersten Seite des Berichts heisst es in einem von vier Punkten eingerahmten Absatz, dass die Bank die Kontrollen und die Eskalationsvorschriften inzwischen überarbeitet habe.

Ausserdem heisst es, man überprüfe die Risikosteuerung und -berichterstattung, senke die Risikoschwellen, stelle zusätzliche Risikoressourcen ein, reduziere die risikogewichteten Aktiva bei den wichtigsten Dienstleistungen und verringere die Risikobereitschaft in der gesamten Gruppe.

Kurzum: Fast wie in einer längst vergessenen Erzählung von Friedrich Dürrenmatt scheint man die falsche Lektion gelernt zu haben.

Weggelassen, verwässtert oder schwer auffindbar

In seiner langen Liste von Abhilfemassnahmen empfahl der Sonderausschuss, die sogenannte erste Verteidigungslinie zu verstärken. Normalerweise sollte diese erste Verteidigungslinie zumindest Teil der Organisation des Front Office sein, also der Abteilung an der Kundenfront. Der Sonderausschuss schlägt denn auch vor, die finanziellen Kosten des Kontrahentenrisikos künftig durch eine Kreditbewertungs-Anpassung zu bemessen und der Front zuzuweisen.

Dieses Detail scheint jedoch nicht in der Antwort der Geschäftsleitung berücksichtigt worden zu sein; was wiederum die Frage aufwirft, ob es weggelassen, verwässert oder an einer schwer auffindbaren Stelle eingebettet wurde.

Erste Verteidigungslinie

Der einzige, direkte Hinweis auf die erste Verteidigungslinie in der Antwort der Geschäftsleitung ist die Ernennung von Ad-interim-Verantwortlichen und die Schaffung eines Chief Business Risk Officer für die Investmentbank.

Von dieser Person wird erwartet, dass sie eng mit der zweiten Verteidigungslinie zusammenarbeitet, bei der es sich in der Regel um Funktionen wie Compliance, Kredit- oder Marktrisiko-Management handelt. Sprich, diejenigen Funktionen, die Aussenstehende im Allgemeinen als Risikomanagement betrachten.

Irreversible Schäden

Noch im vergangenen Herbst sprach sich das Risikomanagement der CS – nicht nur einmal, sondern zweimal – für eine vorübergehende Erhöhung der Risikobereitschaft für Archegos aus, zumal das Kontrahentenrisiko laufend stieg.

Bei Archegos handelte es sich um eine «bedeutende Beziehung», und die Bank war sich «sehr wohl bewusst», dass das Unternehmen mit anderen Brokern an der Wall Street auch Geschäfte machte. Insofern hätte jede Erhöhung der Margen zu «irreversiblen Schäden in der Kundenbeziehung» führen können.

Aufforderung zum Ausstieg

Als dann im Februar, nur einen Monat vor dem Zahlungsausfall, das Risikomanagement es wagte, von Archegos eine zusätzliche Marge von einer Milliarde Dollar einzufordern, reagierte die Front-Abteilung gemäss Report mit der Feststellung, dass dies sozusagen eine Aufforderung sei, aus dem Geschäft auszusteigen.

Wie aus dem Bericht des Sonderausschusses weiter hervorgeht, schienen die Kundenbetreuer und Händler immer noch Partie für Archegos zu ergreifen und erstaunlicherweise nicht auf der Seite der CS zu stehen. Die Limitüberschreitungen waren ihnen ganz offensichtlich egal.

Heikle Einstellung

Die CS hätte das Recht gehabt, mit einer Frist von drei Tagen eine höhere Marge einzufordern. Doch die Bank zog dies offenbar in Betracht, da sie befürchtete, diesen Kunden (Archegos) zu verlieren. Eine solche Einstellung ist heikel, weil sie eine Firmenkultur offenbart, die es unterlässt, den Mitarbeitenden an der Front die wahren Risiken vor Augen zu führen und stattdessen bloss auf die potenziellen Erträge fokussiert.

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