Eigentlich sollten die obersten Chefs der Schweizer Grossbanken Vermögensverwalter sein, zumal dieses Geschäftsfeld das wichtigste für sie ist. Allerdings ist die Realität eine andere: Das Nachfolge-Dilemma rund um Credit-Suisse-CEO Thomas Gottstein illustriert das Problem anschaulich. 

Eigentlich müsste man meinen, dass es ein Leichtes ist, Spitzenkräfte für Grossbanken wie die UBS oder die Credit Suisse (CS) zu finden. Das Millionengehalt, zusätzliche Fringe Benefits (Sachleistungen), ein hoher Bonus, das Prestige – wer wäre nicht gerne bereit, für so viele Privilegien einen solchen Job zu übernehmen?

Doch das Gegenteil ist der Fall, wie sich derzeit gerade im Fall von CS-Chef Thomas Gottstein zeigt. Viele Branchenkenner gehen davon aus, dass er bloss noch im Sattel ist, weil kein geeigneter Nachfolger zu finden ist. Und das hat seine guten Gründe.

Andere Leute auf der Kommandobrücke

An sich wäre es logisch, dass der Chef einer Schweizer Grossbank einen Wealth-Management-Background mitbringt. Denn die Vermögensverwaltung ist seit Jahr und Tag das mit Abstand wichtigste und lukrativste Geschäftsfeld der Schweizer Grossbanken. Ein Blick auf die personelle Situation zeigt indessen, dass weder bei der CS noch bei der UBS solche Leute auf der Kommandobrücke stehen. 

Gottstein ist ein ehemaliger Investmentbanker, der sowohl bei der CS als auch bei der UBS arbeitete; erst vor etwa sechs Jahren wechselte er schliesslich ins Schweizer Geschäft (mit Vermögensverwaltung) bevor er schliesslich CEO wurde. Ralph Hamers, der derzeit den weltgrössten Vermögensverwalter, die UBS, leitet, kam vom holländischen ING-Konzern. Neben der Digitalisierung liegt seine Erfahrung im Retail- und Commercial Banking.

Viele Investmentbanker

Der amtierende CS-Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann wiederum kam von der UBS, war aber nur als Schweiz-Chef im Wealth Management tätig, während sein UBS-Pendant, Colm Kelleher, eine Karriere als Investmentbanker bei Morgan Stanley gemacht hat.

Der Abgang von António Horta-Osório, der vom britischen Lloyds-Konzern als Präsident zur CS stiess, bestätigt das gleiche Muster, ebenso wie die vorherige Generation an Führungskräften: Axel Weber war Zentralbanker bei der Deutschen Bundesbank, Tidjiane Thiam leitete den Finanzkonzern Prudential, und Sergio Ermotti war ebenfalls Investmentbanker bei Merrill Lynch und später bei der italienischen UniCredit.

Noch nie eine Privatbank von innen gesehen

Der Grund für diesen Anachronismus liegt in der Tatsache, dass in der Bankenwelt das Firmen- und Retailgeschäft in seinen verschiedenen Ausprägungen die wichtigsten Betätigungsfelder sind. Insofern bringen viele internationale Bankenchefs eine enorme Erfahrung in diesen Sparten mit, haben aber noch nie im Wealth Management gearbeitet – oder eine grosse Privatbank von innen gesehen.

Die Vermögensverwaltung ist bei den meisten internationalen Grossbanken ertragsmässig höchst unbedeutend – im Gegensatz zur UBS und zur CS. Das erklärt, weshalb viele Top-Leute eher aus dem Investment- oder auch aus dem Retailbanking kommen. Für die Schweizer Grossbanken ist dies ein grosse Handicap, auf dem internationalen Markt geeignete Führungskräfte zu finden.

Zwischen Bahnhofstrasse und Paradeplatz

Als Resultat davon hat die UBS seinerzeit beispielsweise mit Axel Weber einen Zentralbanker engagiert, und setzte mit Ralph Hamers zunächst einmal auf die Karte Digitalisierung. Oder aber, man ist sich zwischen der Zürcher Bahnhofstrasse und dem Paradeplatz nicht zu schade, einander die besten Leute abzuwerben.

So wechselte Iqbal Khan von der CS zur UBS, wo er nun Co-Chef im Wealth Management ist, während Axel Lehmann den Schritt in die umgekehrte Richtung machte. Auch der frühere UBS-Chefjurist Markus Diethelm wird Anfang Juli 2022 einen neuen Posten bei der CS übernehmen.

Die eingeschränkte Auswahl an Kandidatinnen und Kandidaten für die wichtigsten Funktionen bei den beiden Schweizer Grossbanken illustriert sehr gut, warum die CS in ein Dilemma rund um die Nachfolge Gottsteins geraten ist. Die Personalverantwortlichen wie auch die zahlreichen Headhunters dürften bis auf weiteres gefordert bleiben, Fachleute als CEOs oder Präsidenten zu finden, die der Königsdisziplin im Swiss Banking – nämlich der Vermögensverwaltung – wirklich gerecht werden.

 

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