Agentic AI: Weshalb Schweizer Banken erst am Anfang stehen
Agentic AI gilt als nächste Evolutionsstufe der Digitalisierung im Banking – und als Motor für eine grundlegende Geschäftsmodell-Transformation. Laut einer Studie von Accenture lassen sich mit dieser Technologie Millionen einsparen, Prozesse massiv verbessern bzw. automatisieren und gleichzeitig die Kundenbeziehung nachhaltig stärken. Doch in der Schweiz steckt das Thema noch ganz am Anfang, wie Daniel Kobler, Leiter Financial Services Industry bei Accenture Schweiz im Gespräch mit finews.ch betont.
Daniel Kobler von Accenture Schweiz. (Bild: zVg)
Der Einsatz sogenannter Agentic-AI-Systeme verspricht laut Kobler drei zentrale Vorteile:
- Erstens lassen sich repetitive Prozesse wie KYC-Prüfungen, Kreditvergaben oder Onboardings automatisieren und dadurch erheblich Kosten reduzieren.
- Zweitens beschleunigt die Technologie komplexe Entscheidungsprozesse von Tagen auf Minuten. Multi-Agent-Systeme können etwa Cross-Border-Zahlungen oder Portfolioumschichtungen ohne menschliche Engpässe koordinieren.
- Drittens eröffnet AI neue Möglichkeiten für personalisierte, proaktive Kundeninteraktionen – ein digitaler Brückenschlag zum traditionellen Private Banking, das einst auf persönlichen Austausch und Vertrauen setzte.
Es ist auch eine Frage des Mutes
Die meisten Schweizer Banken befinden sich laut Kobler aktuell in der sogenannten «Foundation- und Quick-Wins-Phase». Erste Pilotprojekte laufen, doch zur eigentlichen Skalierung fehlt oft der strategische Mut. Nur wenige Institute bereiten sich auf die nächste Stufe vor, in der AI end-to-end-Prozesse orchestriert und integraler Bestandteil des Geschäftsmodells wird. Während internationale Häuser – insbesondere in Grossbritannien – mit konkreten Umsetzungen vorangehen, herrscht in der Schweiz Zurückhaltung. «Das Thema darf kein reines IT-Projekt bleiben», mahnt Kobler. «Es ist ein strategisches Business-Thema und muss von Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen aktiv vorangetrieben werden», so Kobler weiter.
«Trust ist kein Soft Factor»
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor sei der Aufbau von Vertrauen: Kunden erwarten Transparenz darüber, wie ihre Daten genutzt werden. Banken, die offenlegen, wie ihre AI-Systeme funktionieren, stärken laut Studien nicht nur die Kundenbindung, sondern erhöhen auch die Weiterempfehlungsrate – und damit den Umsatz. Daniel Kobler: «Trust ist kein Soft Factor, sondern ein zentraler Werttreiber im Banking.»
Rennen um die nächste Generation von Kunden
Im internationalen Vergleich droht der Schweizer Finanzplatz ins Hintertreffen zu geraten. Während globale Banken und asiatische Institute im Wealth Management mit jungen, digitalaffinen Kunden experimentieren, fokussiert sich eine Mehrzhal der hiesigen Banken auf die Optimierung des Status Quo und verzögern somit die strategische Transformation ihrer Geschäftsmodelle mittels GenAI/Agentic AI.. Die Herausforderung liegt darin, echten Wert zu schaffen durch die Verbindung von traditionelle Modellen mit neuen, datengetriebenen Angeboten. «Es braucht strategische Weitsicht und ein klares Votum für Partnerschaften mit Agentic AI Vendoren/Ecosystem Playern. Denn, wer selber baut, baut Tech-Debt in Echzeit», sagt Kobler. «Wer jetzt skaliert, wird das Rennen um die nächste Generation von Kunden gewinnen.»