Radicant-Konkurrent setzt auf langen Atem

Die Schweizer Fintech-Szene durchlebt turbulente Zeiten: Radicant, das Digitalprojekt der BLKB, musste jüngst hohe Abschreiber hinnehmen und ringt um die strategische Ausrichtung. finews.ch warf kürzlich die Frage auf, ob ein Ende mit Schrecken hier nicht besser wäre als ein Schrecken ohne Ende. Coop Finance+ wurde nach kurzer Zeit eingestellt, wie finews.ch berichtete. Derweil scheint Revolut kaum zu stoppen. Die britische Neobank skaliert global und meldet: «über eine Million Kunden in der Schweiz».

In dieser Lage positioniert sich Alpian, die (wie Radicant) seit 2022 über eine Banklizenz von der Finanzmarktaufsicht (Finma) verfügtals schnell skalierendes Startup für «Mass Affluent» – für Kunden also, die zwar etwas investierbares Vermögen haben, aber zu wenig für eine Privatbank. 

Grosses Bilanzwachstum 

Bereits im Mai hatte finews.ch berichtet, dass Alpian seine Bilanzsumme zwischen Ende 2023 und Ende 2024 mehr als verdoppelt hat.

Auf Nachfrage von finews.ch präzisiert die Bank die Treiber: Der Anstieg reflektiere zwei Faktoren: «eine Kapitalerhöhung von 42 Millionen Franken im Jahr 2024» sowie «einen signifikanten Anstieg der Kundeneinlagen, die sich von 35,6 auf 126,4 Millionen Franken mehr als verdreifachten».

Mittlerweile 25’000 Kunden 

Und weiter: «Unser Wachstum ist nicht nur durch Eigenkapital getrieben. Es wird von Schweizer Kunden getragen, die uns sowohl ihre Alltagsbankgeschäfte als auch ihre langfristigen Anlagen anvertrauen.»

Die Kundenzahl legte rasant zu: von 276 Anfang 2023 auf über 17’000 per Ende 2024; aktuell «überschreiten wir 25’000 Kunden», so Alpian in einer Stellungnahme gegenüber finews.ch.

Neue Produkte 

Parallel sanken die Akquisitionskosten pro Kunde laut Alpian um 84 Prozent; «mehr als 30 Prozent der Neukunden kommen mittlerweile über Empfehlungen».

Produkte wie ETF-Sparpläne ab 2’000 Franken und virtuelle Karten hätten besonders resoniert; 2025 folgten Sparkonten in Franken und wiederkehrende Investments. Letztere wurden «innerhalb von weniger als 90 Tagen bereits von über 13 Prozent unserer Investoren in Anspruch genommen».

Retailisierung statt «Mass Affluent»?

Die Relation der Kennzahlen weist bislang auf ein stark retailgetriebenes Profil. Ende 2024 beliefen sich die Kundeneinlagen auf 126,4 Millionen Franken – während die investierten Vermögen («Managed Assets») 26,26 Millionen Franken betrugen (gegenüber 9,05 Millionen im Vorjahr).

Heruntergebrochen auf die für das Jahr 2024 ausgewiesenen über 17’000 Kunden entspricht dies rund 7’400 Franken Einlagen pro Kopf bei rund 1’500 Franken angelegtem Vermögen – Werte, die eher Zahlungsverkehr/Sparen als Vermögensverwaltung abbilden.

Tief in den roten Zahlen 

Das Versprechen, den «Mass Affluent» mit substanziellen Anlage-Tickets zu adressieren, spiegelt sich in solchen Durchschnittswerten bislang nur begrenzt.

Ergebnisseitig blieb Alpian tief in den roten Zahlen: Der Jahresverlust weitete sich 2024 auf –29,4 Millionen Franken aus (2023: –23,2 Mio.). Die aufgelaufenen Verlustvorträge summieren sich per Ende 2024 auf über 57 Millionen. 

Das sagt der CEO

CEO Gianmarco Bonaita kontert auf Anfrage von finews.ch: «Dies sind geplante Investitionen. Die Erträge haben sich bereits versechsfacht, während die Kosten (exklusive Akquisition) stabil geblieben sind. Das beweist die Skalierbarkeit unserer Struktur.» 

Strategisch grenze sich Alpian von Neobanken wie auch von klassischen Privatbanken ab, so Bonaita weiter: «Alpian ist die erste Bank in der Schweiz, die sich ausschliesslich den Mass Affluent widmet.» Für diese kombiniere man «Alltagsbanking, diszipliniertes Sparen und professionelles Investieren in einem ganzheitlichen Angebot.»

Weitere Kapitalrunden geplant 

Die Bank schreibt, der operative Breakeven werde im «typischen Zeitraum von fünf bis sieben Jahren» erwartet; «die nächsten geplanten Kapitaltranchen werden innerhalb der kommenden zwölf Monate ausgeführt.»

Dank digitaler Infrastruktur reklamiert die Bank rund 40 Prozent niedrigere Kosten als herkömmliche Banken. Und im Vergleich mit digitalen Anbietern ohne Banklizenz sieht sich Alpian langfristig im Vorteil, da es kein Risiko für Kostensteigerung seitens externer Depotbanken gebe. 

Intesa nutzt Alpian-Technologie europaweit 

Seit August 2024 ist das Unternehmen mehrheitlich im Besitz von Fideuram – Intesa Sanpaolo. Dazu schreibt Alpian: «Wir bleiben eine Schweizer Bank mit Finma-Lizenz und unabhängiger Governance … Gleichzeitig können wir auf die Grösse einer der stärksten Finanzgruppen Europas zurückgreifen.» Über die Gruppe erhalte Alpian ferner Zugang zu grossen Fondsanbietern und könne «ein 3a-Produkt in Partnerschaft mit der Fondation de Prévoyance Lemania» lancieren.

Für die Eigentümerin handle es sich um ein strategisches Investment. Dies werde zum Beispiel an der Tatsache deutlich, dass Alpian-Technologie «eine zentrale Säule im europäischen Digital Wealth Management von Intesa» sei. 

Nächste Prüfsteine

Trotz einer klaren Strategie und gutem Kundenwachstum bleiben die Perspektiven für Alpian herausfordernd. Die Bank muss erst noch zeigen,

A) dass sich ihr Angebot im Segment «Mass Affluent» im überschaubaren Schweizer Markt breit genug skalieren lässt;

B) dass es gelingt, die heute retaillastige Kundschaft in ertragsstärkere Vermögensverwaltung zu überführen;

C) dass der eigene Anspruch – die tiefen Kosten eines Digitalunternehmens mit einem Private-Banking-Ansatz beim Investieren zu verschmelzen – operativ eingelöst wird. 

Geduldiger Ankerinvestor

Ein zentraler Vorteil gegenüber Radicant und Coop Finance+ liegt im Eigentümer: Mit Intesa Sanpaolo hat Alpian einen strategischen Investor mit langem Atem im Rücken, der gewillt zu sein scheint, mehrere Jahre lang substantiell zu investieren. Darauf ist Alpian aufgrund der hohen operativen Verluste auch angewiesen. 

Der Weg zur Wiederholung einer Revolut-artigen Erfolgsgeschichte im kleinen Schweizer Massstab ist noch sehr weit.