An der Allfinanz ist in der Schweiz eine ganze Manager-Generation gescheitert. Nun haucht die Digitalisierung dem einstigen Megaflop neues Leben ein. Kommt es diesmal gut?

Kennen Sie Markus Pertlwieser? Nicht? Dafür dürfte Ihnen Rainer E. Gut eher ein Begriff sein. Von 1983 bis 2000 war er Präsident der Schweizerischen Kreditanstalt (SKA) und der Credit Suisse (CS); heute ist er deren Ehrenpräsident und gilt als mächtigster Bankier der Schweizer Nachkriegszeit.

Er war es auch, der hierzulande der Allfinanz zum Durchbruch verhalf. Im Jahr 1997 verschmolz er die CS mit der Winterthur-Versicherung (Bild oben). So führte er Banking und Assekuranz unter einem Konzerndach zusammen.

Flop mit der Winterthur

Die 20-Milliarden-Franken-teure Übernahme machte Schule. Euphorisiert zeigte sich etwa der Lebensversicherer Swiss Life. Der kaufte 1999 die Banca del Gottardo. Und schon 1994 hatte der Allversicherer Zürich die Zürcher Privatbank Rüd, Blass & Cie übernommen. Die Baloise wiederum verleibte sich im Jahr 2000 die Solothurner Kantonalbank ein und baute sie zur Soba um.

Bestand hat bis heute nur letztere Verbindung. Die anderen Fusionen erwiesen sich als Flops, besonders die Liaison zwischen der CS und der Winterthur. Das fehlende Interesse der Kundschaft kam der Grossbank nach der Jahrtausendwende teuer zu stehen. Die Probleme mit der Winterthur beschleunigten 2002 auch den Abgang von CS-Chef Lukas Mühlemann – und drohten gar Guts Erbe zu beflecken. Am Ende veräusserte die Bank «ihre» Versicherung an den französischen Axa-Konzern.

Multifinanz wie bei Alibaba

Aber auch im Ausland scheiterten diverse Allfinanzgebilde wie Dexia, ING und Fortis.

Und damit zurück zu Pertlwieser (Bild unten). Bei ihm handelt sich um den Digitalchef für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank, ein nicht unwichtiger Mann, zumal er dieser Tage eine überraschende Ankündigung machte.

Pertlwieser 500

Die Deutsche Bank, so der Experte, werde mit dem digitalen Versicherungsmakler Friendsurance zusammenspannen und dessen Angebot auf der bankeigenen Online-Plattform aufschalten. So könnten Deutsche-Bank-Kunden künftig gleich noch Schaden- und Unfallversicherungen abschliessen, warb Pertlwieser – und läutete damit im Prinzip die Allfinanz 2.0 ein, die eigentlich besser Plattform- oder Multifinanz heissen müsste.

Denn mit dem neuen «Versicherungsmanager» folgt die Grossbank im Nachbarland erstmals den Vorbildern der digitalen Plattform-Ökonomie, sprich den Internetriesen wie Amazon oder Alibaba. Letzterer ist mit der Tochter Ant Financial längst in die Finanzdienstleistungen eingestiegen und zählt in China bereits Hunderte Millionen von Kunden.

Potenter als Bancassurance

Man braucht kein Hellseher zu sein, um zu erkennen, dass die Multifinanz das wesentlich potentere Geschäftsmodell darstellt als die zurzeit noch vielerorts praktizierte Bancassurance, einer Art Allfinanz «light». Dabei handelt es sich um Partnerschaften zwischen Banken und Versicherern, bei denen die Partner die Vertriebskanäle des anderen nutzen und die eigenen Risiken bewusst tief halten.

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