Immer öfter werden im Wertschriftenhandel Deep-Learning-Methoden eingesetzt, die auf Algorithmen beruhen. Diese Entwicklung dürfte früher oder später den Menschen ablösen, schreibt Andreas Vetsch in einem Gastbeitrag für finews.ch.

Von Andreas Vetsch, Hedgefonds-Analyst bei der LGT

Andreas Vetsch 180Maschinelles Lernen ist ein Teilgebiet der künstlichen Intelligenz. Der Begriff wird sehr allgemein verwendet und bezieht sich auf Techniken, die Muster in grossen Datensätzen identifizieren. Mithilfe von Algorithmen wird versucht, Gesetzmässigkeiten zu entdecken, die das menschliche Gehirn nicht erkennen kann. Die Systeme lernen dabei aus ihren Erfahrungen und entwickeln sich ständig weiter.

Das Ziel ist es, Daten intelligent miteinander zu verknüpfen, Zusammenhänge zu erkennen und aufgrund von diesen Vorhersagen zu treffen. Angesichts des hohen Datenvolumens, der langen historischen Aufzeichnungen und des quantitativen Charakters eignen sich Finanzmärkte hervorragend für Anwendungen im Bereich des maschinellen Lernens.

Dem menschlichen Gehirn nachempfunden

Dabei werden zunehmend Deep-Learning-Techniken angewendet, die auf komplexen neuronalen Netzen basieren. Die Funktionsweise von neuronalen Netzen ist dem menschlichen Gehirn nachempfunden. Ein wichtiger Bestandteil des Gehirns sind die Neuronen. Diese Nervenzellen besitzen Fortsätze, welche Informationen von einem Zellkörper zum nächsten weiterleiten und Verbindungen auf- oder abbauen.

Im neuronalen Netz kommt diese Funktion den Hidden Layer’s zu. Sie sind zuständig für die Bewertung von Ursache-Wirkungs-Beziehungen und berechnen Wahrscheinlichkeiten. Ein neuronales Netz entwickelt sich ständig weiter, da es Erfahrungen aus der Vergangenheit berücksichtigt und entsprechende Anpassungen vornimmt.

Die richtigen Schlüsse ziehen

Auf neuronalen Netzen beruhende Systeme kommen etwa in der Bild- und Worterkennung zum Einsatz aber auch bei der Entwicklung von Handelsstrategien. Denn genauso wie sie bestimmte Merkmale auf einem Foto erkennen, können sie auch das Marktumfeld analysieren.

Durch die Analyse historischer Daten weiss ein solches System, wie der Markt auf vergangene Ereignisse reagierte, und lernt, bei unterschiedlichsten Marktbedingungen die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Aktienkurse prognostizieren

Ziel eines solchen maschinellen Handelssystems könnte beispielsweise sein, zukünftige Aktienkurse anhand der Marktbewegungen der letzten Stunden vorauszusagen. Die Herausforderung dabei besteht darin, die relevanten Inputdaten und den passenden Algorithmus zu definieren, um das System zu trainieren. Dabei gilt es, Fehler zu minimieren und die Leistung zu verbessern. Letztere wird daran gemessen, wie gut das System die Marktrichtung vorhersagt. Idealerweise sollte es besser sein, als traditionelle Methoden bzw. als ein menschlicher Händler und sich ständig weiterentwickeln.

Ein auf maschinellem Lernen basierendes Handelssystem zu entwickeln, ist aber sehr anspruchsvoll. So weisen Zeitreihen an den Finanzmärkten ein tiefes Signal-Rausch-Verhältnis auf, das heisst, es gibt neben relevanten, sehr viele irrelevante Informationen. Dies erschwert es dem Algorithmus, eine richtige Entscheidung zu treffen. Grund dafür ist die Komplexität der Finanzmärkte, in denen sich eine Vielzahl von Faktoren gegenseitig beeinflussen. Sie sind das Resultat individueller Handlungen unzähliger Marktteilnehmer.

Zukunft des Handels

Deep-Learning-Algorithmen bieten nur geringe Entscheidungstransparenz. Es ist fast unmöglich zu erfassen, wie Handelsentscheidungen vom System getroffen werden. Der Anwender muss dem System gewissermassen blind vertrauen. Schliesslich kann der Umgang mit einer Vielzahl von Daten auch in die Irre führen, denn ein Algorithmus wird immer ein Muster finden, auch wenn es gar keines gibt.

Trotzdem dürften solche Systeme die Zukunft des Wertschriftenhandels sein, denn die ständig verbesserte Rechenleistung gepaart mit immer umfassenderen Datensätzen liefern eine hervorragende Grundlage für gewinnbringende Handelsstrategien. So erlaubt maschinelles Lernen, mit nichtlinearen Daten zu arbeiten und Muster anhand komplexer Interaktionen zu identifizieren. Dies auch dort, wo Menschen überfordert wären. Darum wird sich der Trend zu maschinellem Trading in den nächsten Jahren fortsetzen und der menschliche Faktor weiter abnehmen.


Andreas Vetsch ist bei der LGT als Hedgefonds-Analyst tätig. Sein Fachgebiet sind Trading-Strategien. Bevor er 2012 zur LGT stiess, studierte er an der Universität St. Gallen und erwarb einen Master in Banking & Finance mit Zusatzabschluss in Wirtschaftsjournalismus.